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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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ich wieder ins Haus gehe. Das Meer verlangt Feigen!*) sag ich noch iezzo,
und lasse mich davon."

Man sieht ziemlich deutlich, wie die Dinge lagen. Die Verheirathung
Maximiliane's war eine übereilte Geschichte, es war eine bloße Geldheirath,
bei welcher die Braut wenig um ihre Neigung befragt worden sein wird. Frau
von La Roche war in diesem Punkte ohne alle Sentimentalität; auch die Ver¬
bindung, die sie 1779 für ihre jüngere Tochter Luise aufsuchte, wurde von
Goethe's Mutter und der Herzogin Amalie in den stärksten Ausdrücken verur¬
theilt. Brentano war noch in guten Jahren, aber, wie es scheint, doch kein
Adonis mehr, und auch mit seinen fünf Kindern brachte er die junge Frau in
keine beneidenswerthe Lage. Er war aber auch ein ziemlich gewöhnlicher
Mensch, ein bloßer Geschäftsmann, der der armen Maxe geistig keinen Ersatz
bieten konnte für den anregenden Umgang, den sie im Hause der Mutter ver¬
lassen hatte. Der Verkehr mit Goethe hätte sie für diesen Verlust schadlos
halten können, und Frau von La Roche, die bei ihrem Aufenthalte in Frankfurt
sehen mußte, was sie gestiftet hatte, scheint Goethe flehentlich gebeten zu haben,
sich ihrer Tochter anzunehmen und ihr die Eingewöhnung in die fremden, un¬
behaglichen Verhältnisse zu erleichtern. Aber die Unmöglichkeit, auf die Dauer
im Brentano'schen Hause zu verkehren, stellte sich für ihn sofort heraus.
Maximiliane liebte Goethe offenbar viel mehr als ihren Mann. Das konnte
Brentano eben so wenig verborgen bleiben, wie anderen Leuten aus der Um¬
gebung. Um dem Gerede der Leute und Brentano's Eifersucht keine Nahrung
zu geben, um Maximiliane's und seine eigne Ruhe zu wahren, verzichtete er
freiwillig auf den Verkehr in ihrem Hause, so niedergeschlagen auch Mutter
und Tochter darüber waren. Ein Heroismus, der ihm allerdings durch das
bald darauf sich anspinnende Verhältniß zu Lili einigermaßen erleichtert worden
sein mag.

Eine etwas freundlichere Wendung trat ein, als Maximiliane im März
1775 im Hause der Mutter, wohin sie gereist war, durch die Geburt eines
Knaben erfreut wurde. Am 15. März beglückwünscht Goethe Frau von La
Roche: "Gott segne Sie liebe liebe Grosmama, und das kleine Manager und
den Knaben. Ich hoffe die Dazwischenkunft des Mäusgens wird viel ändern
ich kann wohl sagen ich erwarte sie recht sehnlich zurück. Jetzt geh ich zu
Brentano ihm Glück zu wünschen.....Adieu -- der lieben kleinen Mutter
Ade! -- Wird denn eine Zeit kommen dass wir werden einen freundlichen
Einfluss auf einander haben liebe Max?" Wenige Tage darauf schreibt er:



sprichwörtlich: Das Meer verlangt ein Opfer, es fordert die süßeste Frucht
als Tribut,

ich wieder ins Haus gehe. Das Meer verlangt Feigen!*) sag ich noch iezzo,
und lasse mich davon."

Man sieht ziemlich deutlich, wie die Dinge lagen. Die Verheirathung
Maximiliane's war eine übereilte Geschichte, es war eine bloße Geldheirath,
bei welcher die Braut wenig um ihre Neigung befragt worden sein wird. Frau
von La Roche war in diesem Punkte ohne alle Sentimentalität; auch die Ver¬
bindung, die sie 1779 für ihre jüngere Tochter Luise aufsuchte, wurde von
Goethe's Mutter und der Herzogin Amalie in den stärksten Ausdrücken verur¬
theilt. Brentano war noch in guten Jahren, aber, wie es scheint, doch kein
Adonis mehr, und auch mit seinen fünf Kindern brachte er die junge Frau in
keine beneidenswerthe Lage. Er war aber auch ein ziemlich gewöhnlicher
Mensch, ein bloßer Geschäftsmann, der der armen Maxe geistig keinen Ersatz
bieten konnte für den anregenden Umgang, den sie im Hause der Mutter ver¬
lassen hatte. Der Verkehr mit Goethe hätte sie für diesen Verlust schadlos
halten können, und Frau von La Roche, die bei ihrem Aufenthalte in Frankfurt
sehen mußte, was sie gestiftet hatte, scheint Goethe flehentlich gebeten zu haben,
sich ihrer Tochter anzunehmen und ihr die Eingewöhnung in die fremden, un¬
behaglichen Verhältnisse zu erleichtern. Aber die Unmöglichkeit, auf die Dauer
im Brentano'schen Hause zu verkehren, stellte sich für ihn sofort heraus.
Maximiliane liebte Goethe offenbar viel mehr als ihren Mann. Das konnte
Brentano eben so wenig verborgen bleiben, wie anderen Leuten aus der Um¬
gebung. Um dem Gerede der Leute und Brentano's Eifersucht keine Nahrung
zu geben, um Maximiliane's und seine eigne Ruhe zu wahren, verzichtete er
freiwillig auf den Verkehr in ihrem Hause, so niedergeschlagen auch Mutter
und Tochter darüber waren. Ein Heroismus, der ihm allerdings durch das
bald darauf sich anspinnende Verhältniß zu Lili einigermaßen erleichtert worden
sein mag.

Eine etwas freundlichere Wendung trat ein, als Maximiliane im März
1775 im Hause der Mutter, wohin sie gereist war, durch die Geburt eines
Knaben erfreut wurde. Am 15. März beglückwünscht Goethe Frau von La
Roche: „Gott segne Sie liebe liebe Grosmama, und das kleine Manager und
den Knaben. Ich hoffe die Dazwischenkunft des Mäusgens wird viel ändern
ich kann wohl sagen ich erwarte sie recht sehnlich zurück. Jetzt geh ich zu
Brentano ihm Glück zu wünschen.....Adieu — der lieben kleinen Mutter
Ade! — Wird denn eine Zeit kommen dass wir werden einen freundlichen
Einfluss auf einander haben liebe Max?" Wenige Tage darauf schreibt er:



sprichwörtlich: Das Meer verlangt ein Opfer, es fordert die süßeste Frucht
als Tribut,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/361>, abgerufen am 26.08.2024.