Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

und Friedrich Wilhelm's I. mittheilt. Das gesammte Material ist, wie es
einzig und allein zweckmäßig war, nach den Provinzen des brandenburgischen,
resp, des preußischen Staates in chronologischer Reihenfolge geordnet. Jedem
der beiden Bücher hat der Versasser als Einleitung eine umfangreiche Abhand¬
lung beigegeben, welche den Charakter der Religionspolitik jedes Fürsten im
Zusammenhange darstellt. Auch diese resumirenden Darstellungen folgen, ent¬
sprechend der Ordnung des Urkundenmaterials, der Eintheilung nach Provinzen.
Eine solche war auch hier durchaus geboten, da die Religionspolitik der Hohen-
zollern wegen der verschiedenen Vertheilung der Konsessionen innerhalb ihres
Staates und der verschiedenen Rechtsgrundlagen dieser Konfessionen sich nach
den einzelnen Provinzen unterscheiden mußte. Im Folgenden versuchen wir
den Inhalt des Textes in seinen Hauptmomenten kurz zu skizziren.

Der Verfasser gibt zunächst eine allgemeine Uebersicht über die Stellung
der Markgrafen von Brandenburg zur römischen Kirche vor und nach der
Reformation. Dies Verhalten der ersten, zum evangelischen Glauben überge¬
tretenen Markgrafen war noch nicht von jener toleranten Gesinnung durch¬
drungen, welche später das Erbtheil des Hohenzollernhauses werden sollte. Sie
stellten sich auf den Standpunkt des Augsburger Religionsfriedens, wenn sie
auch von dem Rechte, die Religion ihres Landes bestimmen zu können, nicht
in der brutalen Weise Gebrauch machten, wie die katholischen Fürsten. Schon
im Jahre 1593 erhielt die nach Jülich abgeordnete brandenburgische Gesandt¬
schaft eine Instruktion, in welcher in Sachen der Religion "vernünftige Mode¬
ration" empfohlen und es als sicherster Weg zu einem Religionsfrieden be¬
zeichnet wurde, wenn "einer den andern bei seiner Glaubenskonfession lasse".
Einen Wendepunkt bezeichnet der im Jahre 1613 erfolgte Uebertritt des Kur¬
fürsten Johann Sigismund zur reformirten Lehre. Seit dieser Zeit war die
Duldung der beiden evangelischen Konfessionen, der Lutheraner und Calvinisten,
welche sich beide mit tödtlichem Hasse verfolgten, ein Gebot politischer Zweck¬
mäßigkeit. Den Katholiken gegenüber aber hielt der Kurfürst noch ebenso an
seinem ^us rstol'me>.iM fest, wie die katholischen Fürsten ihren evangelischen
Unterthanen gegenüber.

Von größter Bedeutung in der hohenzollern'schen Kirchenpolitik war die
Erwerbung der jülich-clevischen Erbschaft. In Jülich und Cleve waren alle
drei Konfessionen, die katholische, lutherische und calvinische, vertreten. Dieser
Umstand, sowie die politische Lage der Zeit zwangen die Hohenzollern zu einer
neutralen Politik, wenn sie eines dauernden Besitzes der Lande sicher sein
wollten. Die Erben der clevischen Lande, der Pfalzgraf von Neuburg und
der Kurfürst von Brandenburg, gelobten am 14. Juni 1609, "die katholische,
römische wie auch andere christliche Religionen an einem jeden Ort in offene-


und Friedrich Wilhelm's I. mittheilt. Das gesammte Material ist, wie es
einzig und allein zweckmäßig war, nach den Provinzen des brandenburgischen,
resp, des preußischen Staates in chronologischer Reihenfolge geordnet. Jedem
der beiden Bücher hat der Versasser als Einleitung eine umfangreiche Abhand¬
lung beigegeben, welche den Charakter der Religionspolitik jedes Fürsten im
Zusammenhange darstellt. Auch diese resumirenden Darstellungen folgen, ent¬
sprechend der Ordnung des Urkundenmaterials, der Eintheilung nach Provinzen.
Eine solche war auch hier durchaus geboten, da die Religionspolitik der Hohen-
zollern wegen der verschiedenen Vertheilung der Konsessionen innerhalb ihres
Staates und der verschiedenen Rechtsgrundlagen dieser Konfessionen sich nach
den einzelnen Provinzen unterscheiden mußte. Im Folgenden versuchen wir
den Inhalt des Textes in seinen Hauptmomenten kurz zu skizziren.

Der Verfasser gibt zunächst eine allgemeine Uebersicht über die Stellung
der Markgrafen von Brandenburg zur römischen Kirche vor und nach der
Reformation. Dies Verhalten der ersten, zum evangelischen Glauben überge¬
tretenen Markgrafen war noch nicht von jener toleranten Gesinnung durch¬
drungen, welche später das Erbtheil des Hohenzollernhauses werden sollte. Sie
stellten sich auf den Standpunkt des Augsburger Religionsfriedens, wenn sie
auch von dem Rechte, die Religion ihres Landes bestimmen zu können, nicht
in der brutalen Weise Gebrauch machten, wie die katholischen Fürsten. Schon
im Jahre 1593 erhielt die nach Jülich abgeordnete brandenburgische Gesandt¬
schaft eine Instruktion, in welcher in Sachen der Religion „vernünftige Mode¬
ration" empfohlen und es als sicherster Weg zu einem Religionsfrieden be¬
zeichnet wurde, wenn „einer den andern bei seiner Glaubenskonfession lasse".
Einen Wendepunkt bezeichnet der im Jahre 1613 erfolgte Uebertritt des Kur¬
fürsten Johann Sigismund zur reformirten Lehre. Seit dieser Zeit war die
Duldung der beiden evangelischen Konfessionen, der Lutheraner und Calvinisten,
welche sich beide mit tödtlichem Hasse verfolgten, ein Gebot politischer Zweck¬
mäßigkeit. Den Katholiken gegenüber aber hielt der Kurfürst noch ebenso an
seinem ^us rstol'me>.iM fest, wie die katholischen Fürsten ihren evangelischen
Unterthanen gegenüber.

Von größter Bedeutung in der hohenzollern'schen Kirchenpolitik war die
Erwerbung der jülich-clevischen Erbschaft. In Jülich und Cleve waren alle
drei Konfessionen, die katholische, lutherische und calvinische, vertreten. Dieser
Umstand, sowie die politische Lage der Zeit zwangen die Hohenzollern zu einer
neutralen Politik, wenn sie eines dauernden Besitzes der Lande sicher sein
wollten. Die Erben der clevischen Lande, der Pfalzgraf von Neuburg und
der Kurfürst von Brandenburg, gelobten am 14. Juni 1609, „die katholische,
römische wie auch andere christliche Religionen an einem jeden Ort in offene-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141759"/>
          <p xml:id="ID_1017" prev="#ID_1016"> und Friedrich Wilhelm's I. mittheilt. Das gesammte Material ist, wie es<lb/>
einzig und allein zweckmäßig war, nach den Provinzen des brandenburgischen,<lb/>
resp, des preußischen Staates in chronologischer Reihenfolge geordnet. Jedem<lb/>
der beiden Bücher hat der Versasser als Einleitung eine umfangreiche Abhand¬<lb/>
lung beigegeben, welche den Charakter der Religionspolitik jedes Fürsten im<lb/>
Zusammenhange darstellt. Auch diese resumirenden Darstellungen folgen, ent¬<lb/>
sprechend der Ordnung des Urkundenmaterials, der Eintheilung nach Provinzen.<lb/>
Eine solche war auch hier durchaus geboten, da die Religionspolitik der Hohen-<lb/>
zollern wegen der verschiedenen Vertheilung der Konsessionen innerhalb ihres<lb/>
Staates und der verschiedenen Rechtsgrundlagen dieser Konfessionen sich nach<lb/>
den einzelnen Provinzen unterscheiden mußte. Im Folgenden versuchen wir<lb/>
den Inhalt des Textes in seinen Hauptmomenten kurz zu skizziren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1018"> Der Verfasser gibt zunächst eine allgemeine Uebersicht über die Stellung<lb/>
der Markgrafen von Brandenburg zur römischen Kirche vor und nach der<lb/>
Reformation. Dies Verhalten der ersten, zum evangelischen Glauben überge¬<lb/>
tretenen Markgrafen war noch nicht von jener toleranten Gesinnung durch¬<lb/>
drungen, welche später das Erbtheil des Hohenzollernhauses werden sollte. Sie<lb/>
stellten sich auf den Standpunkt des Augsburger Religionsfriedens, wenn sie<lb/>
auch von dem Rechte, die Religion ihres Landes bestimmen zu können, nicht<lb/>
in der brutalen Weise Gebrauch machten, wie die katholischen Fürsten. Schon<lb/>
im Jahre 1593 erhielt die nach Jülich abgeordnete brandenburgische Gesandt¬<lb/>
schaft eine Instruktion, in welcher in Sachen der Religion &#x201E;vernünftige Mode¬<lb/>
ration" empfohlen und es als sicherster Weg zu einem Religionsfrieden be¬<lb/>
zeichnet wurde, wenn &#x201E;einer den andern bei seiner Glaubenskonfession lasse".<lb/>
Einen Wendepunkt bezeichnet der im Jahre 1613 erfolgte Uebertritt des Kur¬<lb/>
fürsten Johann Sigismund zur reformirten Lehre. Seit dieser Zeit war die<lb/>
Duldung der beiden evangelischen Konfessionen, der Lutheraner und Calvinisten,<lb/>
welche sich beide mit tödtlichem Hasse verfolgten, ein Gebot politischer Zweck¬<lb/>
mäßigkeit. Den Katholiken gegenüber aber hielt der Kurfürst noch ebenso an<lb/>
seinem ^us rstol'me&gt;.iM fest, wie die katholischen Fürsten ihren evangelischen<lb/>
Unterthanen gegenüber.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1019" next="#ID_1020"> Von größter Bedeutung in der hohenzollern'schen Kirchenpolitik war die<lb/>
Erwerbung der jülich-clevischen Erbschaft. In Jülich und Cleve waren alle<lb/>
drei Konfessionen, die katholische, lutherische und calvinische, vertreten. Dieser<lb/>
Umstand, sowie die politische Lage der Zeit zwangen die Hohenzollern zu einer<lb/>
neutralen Politik, wenn sie eines dauernden Besitzes der Lande sicher sein<lb/>
wollten. Die Erben der clevischen Lande, der Pfalzgraf von Neuburg und<lb/>
der Kurfürst von Brandenburg, gelobten am 14. Juni 1609, &#x201E;die katholische,<lb/>
römische wie auch andere christliche Religionen an einem jeden Ort in offene-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0348] und Friedrich Wilhelm's I. mittheilt. Das gesammte Material ist, wie es einzig und allein zweckmäßig war, nach den Provinzen des brandenburgischen, resp, des preußischen Staates in chronologischer Reihenfolge geordnet. Jedem der beiden Bücher hat der Versasser als Einleitung eine umfangreiche Abhand¬ lung beigegeben, welche den Charakter der Religionspolitik jedes Fürsten im Zusammenhange darstellt. Auch diese resumirenden Darstellungen folgen, ent¬ sprechend der Ordnung des Urkundenmaterials, der Eintheilung nach Provinzen. Eine solche war auch hier durchaus geboten, da die Religionspolitik der Hohen- zollern wegen der verschiedenen Vertheilung der Konsessionen innerhalb ihres Staates und der verschiedenen Rechtsgrundlagen dieser Konfessionen sich nach den einzelnen Provinzen unterscheiden mußte. Im Folgenden versuchen wir den Inhalt des Textes in seinen Hauptmomenten kurz zu skizziren. Der Verfasser gibt zunächst eine allgemeine Uebersicht über die Stellung der Markgrafen von Brandenburg zur römischen Kirche vor und nach der Reformation. Dies Verhalten der ersten, zum evangelischen Glauben überge¬ tretenen Markgrafen war noch nicht von jener toleranten Gesinnung durch¬ drungen, welche später das Erbtheil des Hohenzollernhauses werden sollte. Sie stellten sich auf den Standpunkt des Augsburger Religionsfriedens, wenn sie auch von dem Rechte, die Religion ihres Landes bestimmen zu können, nicht in der brutalen Weise Gebrauch machten, wie die katholischen Fürsten. Schon im Jahre 1593 erhielt die nach Jülich abgeordnete brandenburgische Gesandt¬ schaft eine Instruktion, in welcher in Sachen der Religion „vernünftige Mode¬ ration" empfohlen und es als sicherster Weg zu einem Religionsfrieden be¬ zeichnet wurde, wenn „einer den andern bei seiner Glaubenskonfession lasse". Einen Wendepunkt bezeichnet der im Jahre 1613 erfolgte Uebertritt des Kur¬ fürsten Johann Sigismund zur reformirten Lehre. Seit dieser Zeit war die Duldung der beiden evangelischen Konfessionen, der Lutheraner und Calvinisten, welche sich beide mit tödtlichem Hasse verfolgten, ein Gebot politischer Zweck¬ mäßigkeit. Den Katholiken gegenüber aber hielt der Kurfürst noch ebenso an seinem ^us rstol'me>.iM fest, wie die katholischen Fürsten ihren evangelischen Unterthanen gegenüber. Von größter Bedeutung in der hohenzollern'schen Kirchenpolitik war die Erwerbung der jülich-clevischen Erbschaft. In Jülich und Cleve waren alle drei Konfessionen, die katholische, lutherische und calvinische, vertreten. Dieser Umstand, sowie die politische Lage der Zeit zwangen die Hohenzollern zu einer neutralen Politik, wenn sie eines dauernden Besitzes der Lande sicher sein wollten. Die Erben der clevischen Lande, der Pfalzgraf von Neuburg und der Kurfürst von Brandenburg, gelobten am 14. Juni 1609, „die katholische, römische wie auch andere christliche Religionen an einem jeden Ort in offene-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/348
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/348>, abgerufen am 23.07.2024.