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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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zahnen und einer stattlichen Ochsenheerde beschenkt und von den treuesten
Freundschaftsversicherungen des neuSn Königs begleitet, verließ Herr Shepstone
den königlichen Kraal: sein Rückweg glich einem Triumphzug, überall zu beiden
Seiten des Weges standen zahllose Zulu, Alt und Jung, Weib und Kind, über¬
häuften die Engländer mit Segenswünschen und priesen die dem Lande ge¬
brachten Gesetze.

Anfangs ließ sich nun auch König Ketschwayo ganz gut an und zeigte sich
sogar sehr zuvorkommend: er lieferte, was sonst nicht geschah, alle aus Natal
flüchtenden Verbrecher oder Aufrührer aus, obgleich die englische Regierung
nicht ein Gleiches that, sprach den Wunsch nach Abschluß eines formellen
Schutz- und Trutzbündnisses aus und stellte seine Armee der englischen Regie¬
rung zur Verfügung. Er gestattete ferner den Engländern, deren Haß gegen
die Boers er theilte, die Anlegung einer Dnrchzugsstraße durch fein Land,
damit, weil die Herren Zulu sich für Kolonialarbeit für zu gut halten, die
nördlicher wohnenden Stämme unbehelligt nach Natal gelangen könnten. In¬
deß an der einmal traditionell geordneten wie militärisch konsequent durchge¬
führten Organisation hielt Ketschwayo fest: nach wie vor werden die Soldaten
in regelmäßiger Weise ausgehoben, Knaben und Mädchen werden in numerirte
Regimenter eingetheilt und dürfen, wie einst in Preußen, ohne Genehmigung
des Königs für jeden einzelnen Fall, nicht heirathen. Im Uebrigen gilt Ketsch¬
wayo als ein Mann von bedeutenden Fähigkeiten und viel Charakterfestigkeit
und ist auf die kriegerischen Thaten und den militärischen Ruhm seiner Vor¬
fahren nicht wenig stolz.

Indeß die Freude über Ketschwayo's Gefügigkeit sollte nicht allzulange
währen, denn gleich als ob in ihm, je länger er auf dem Throne saß, nach
und nach die scheinbar schlummernde Natur seiner Ahnen erwachte, gab er
1876 für zwei seiner Regimenter besonders strenge Heirathsgesetze, wonach sich
Männer und Weiber auf Kommando verheirathen mußten. Viele männliche
und weibliche Soldaten wurden, weil sie sich durch Flucht diesem Ehezwang
entziehen wollten, gefangen genommen und ohne Umstände getödtet. Auf das
Gerücht von diesem Vorgehen, und auf Grundlage des von Shepstone abge¬
schlossenen Vertrages, sendete der damalige Gouverneur von Natal einen
Kourier über den Tugela, der die Erwartung des Gouverneurs aussprechen
sollte, daß jene Gerüchte unwahr seien.

Und was antwortete Ketschwayo, der noch vor 3 Jahren so gefügige
König? Dasselbe, was einst Ariovist dem Caesar sagen ließ. Denn in seiner
Antwort war der langen Rede kurzer Sinn: "Was ich in meinem Lande
thue, kümmert Euch nicht: denn ich kümmere mich auch nicht um Eure Maß-


zahnen und einer stattlichen Ochsenheerde beschenkt und von den treuesten
Freundschaftsversicherungen des neuSn Königs begleitet, verließ Herr Shepstone
den königlichen Kraal: sein Rückweg glich einem Triumphzug, überall zu beiden
Seiten des Weges standen zahllose Zulu, Alt und Jung, Weib und Kind, über¬
häuften die Engländer mit Segenswünschen und priesen die dem Lande ge¬
brachten Gesetze.

Anfangs ließ sich nun auch König Ketschwayo ganz gut an und zeigte sich
sogar sehr zuvorkommend: er lieferte, was sonst nicht geschah, alle aus Natal
flüchtenden Verbrecher oder Aufrührer aus, obgleich die englische Regierung
nicht ein Gleiches that, sprach den Wunsch nach Abschluß eines formellen
Schutz- und Trutzbündnisses aus und stellte seine Armee der englischen Regie¬
rung zur Verfügung. Er gestattete ferner den Engländern, deren Haß gegen
die Boers er theilte, die Anlegung einer Dnrchzugsstraße durch fein Land,
damit, weil die Herren Zulu sich für Kolonialarbeit für zu gut halten, die
nördlicher wohnenden Stämme unbehelligt nach Natal gelangen könnten. In¬
deß an der einmal traditionell geordneten wie militärisch konsequent durchge¬
führten Organisation hielt Ketschwayo fest: nach wie vor werden die Soldaten
in regelmäßiger Weise ausgehoben, Knaben und Mädchen werden in numerirte
Regimenter eingetheilt und dürfen, wie einst in Preußen, ohne Genehmigung
des Königs für jeden einzelnen Fall, nicht heirathen. Im Uebrigen gilt Ketsch¬
wayo als ein Mann von bedeutenden Fähigkeiten und viel Charakterfestigkeit
und ist auf die kriegerischen Thaten und den militärischen Ruhm seiner Vor¬
fahren nicht wenig stolz.

Indeß die Freude über Ketschwayo's Gefügigkeit sollte nicht allzulange
währen, denn gleich als ob in ihm, je länger er auf dem Throne saß, nach
und nach die scheinbar schlummernde Natur seiner Ahnen erwachte, gab er
1876 für zwei seiner Regimenter besonders strenge Heirathsgesetze, wonach sich
Männer und Weiber auf Kommando verheirathen mußten. Viele männliche
und weibliche Soldaten wurden, weil sie sich durch Flucht diesem Ehezwang
entziehen wollten, gefangen genommen und ohne Umstände getödtet. Auf das
Gerücht von diesem Vorgehen, und auf Grundlage des von Shepstone abge¬
schlossenen Vertrages, sendete der damalige Gouverneur von Natal einen
Kourier über den Tugela, der die Erwartung des Gouverneurs aussprechen
sollte, daß jene Gerüchte unwahr seien.

Und was antwortete Ketschwayo, der noch vor 3 Jahren so gefügige
König? Dasselbe, was einst Ariovist dem Caesar sagen ließ. Denn in seiner
Antwort war der langen Rede kurzer Sinn: „Was ich in meinem Lande
thue, kümmert Euch nicht: denn ich kümmere mich auch nicht um Eure Maß-


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[0346] zahnen und einer stattlichen Ochsenheerde beschenkt und von den treuesten Freundschaftsversicherungen des neuSn Königs begleitet, verließ Herr Shepstone den königlichen Kraal: sein Rückweg glich einem Triumphzug, überall zu beiden Seiten des Weges standen zahllose Zulu, Alt und Jung, Weib und Kind, über¬ häuften die Engländer mit Segenswünschen und priesen die dem Lande ge¬ brachten Gesetze. Anfangs ließ sich nun auch König Ketschwayo ganz gut an und zeigte sich sogar sehr zuvorkommend: er lieferte, was sonst nicht geschah, alle aus Natal flüchtenden Verbrecher oder Aufrührer aus, obgleich die englische Regierung nicht ein Gleiches that, sprach den Wunsch nach Abschluß eines formellen Schutz- und Trutzbündnisses aus und stellte seine Armee der englischen Regie¬ rung zur Verfügung. Er gestattete ferner den Engländern, deren Haß gegen die Boers er theilte, die Anlegung einer Dnrchzugsstraße durch fein Land, damit, weil die Herren Zulu sich für Kolonialarbeit für zu gut halten, die nördlicher wohnenden Stämme unbehelligt nach Natal gelangen könnten. In¬ deß an der einmal traditionell geordneten wie militärisch konsequent durchge¬ führten Organisation hielt Ketschwayo fest: nach wie vor werden die Soldaten in regelmäßiger Weise ausgehoben, Knaben und Mädchen werden in numerirte Regimenter eingetheilt und dürfen, wie einst in Preußen, ohne Genehmigung des Königs für jeden einzelnen Fall, nicht heirathen. Im Uebrigen gilt Ketsch¬ wayo als ein Mann von bedeutenden Fähigkeiten und viel Charakterfestigkeit und ist auf die kriegerischen Thaten und den militärischen Ruhm seiner Vor¬ fahren nicht wenig stolz. Indeß die Freude über Ketschwayo's Gefügigkeit sollte nicht allzulange währen, denn gleich als ob in ihm, je länger er auf dem Throne saß, nach und nach die scheinbar schlummernde Natur seiner Ahnen erwachte, gab er 1876 für zwei seiner Regimenter besonders strenge Heirathsgesetze, wonach sich Männer und Weiber auf Kommando verheirathen mußten. Viele männliche und weibliche Soldaten wurden, weil sie sich durch Flucht diesem Ehezwang entziehen wollten, gefangen genommen und ohne Umstände getödtet. Auf das Gerücht von diesem Vorgehen, und auf Grundlage des von Shepstone abge¬ schlossenen Vertrages, sendete der damalige Gouverneur von Natal einen Kourier über den Tugela, der die Erwartung des Gouverneurs aussprechen sollte, daß jene Gerüchte unwahr seien. Und was antwortete Ketschwayo, der noch vor 3 Jahren so gefügige König? Dasselbe, was einst Ariovist dem Caesar sagen ließ. Denn in seiner Antwort war der langen Rede kurzer Sinn: „Was ich in meinem Lande thue, kümmert Euch nicht: denn ich kümmere mich auch nicht um Eure Maß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/346>, abgerufen am 23.07.2024.