Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.der destillirten Todten müde will ich mir zuletzt etwas zu Gute thun. Ich Unter solchen Umständen habe ich nichts besseres zu thun gewußt als Es sind jetzt 60000 Reitpferde in Wien, 20000 Kutschen. Die Unkosten Redouten, Bälle, Carosells gehen unablässig fort. c-onAi-Sö et-z-usf, Die Geschichte dieses Kongreßes wird wieder beweisen, daß sich in Deutsch¬ Um etwas dauernd Gutes in Deutschland zu Stande zu bringen, müßte der destillirten Todten müde will ich mir zuletzt etwas zu Gute thun. Ich Unter solchen Umständen habe ich nichts besseres zu thun gewußt als Es sind jetzt 60000 Reitpferde in Wien, 20000 Kutschen. Die Unkosten Redouten, Bälle, Carosells gehen unablässig fort. c-onAi-Sö et-z-usf, Die Geschichte dieses Kongreßes wird wieder beweisen, daß sich in Deutsch¬ Um etwas dauernd Gutes in Deutschland zu Stande zu bringen, müßte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141738"/> <p xml:id="ID_954" prev="#ID_953"> der destillirten Todten müde will ich mir zuletzt etwas zu Gute thun. Ich<lb/> kaufe ein Buch vom berühmten Fichte — es ist sein geschlossener Handelsstaat.<lb/> Um Gotteswillen! sind denn alle Diplomaten beschränkt und alle Gelehrten<lb/> unklug? Muß ich wieder in die amerikanischen Wälder, um gesunde Vernunft<lb/> zu finden?</p><lb/> <p xml:id="ID_955"> Unter solchen Umständen habe ich nichts besseres zu thun gewußt als<lb/> Beschäftigung in mir selbst zu suchen. Ich habe ein Pamphlet über das hiesige<lb/> Geldwesen geschrieben und gezeigt, wie man auf eine leichte Art das jetzige<lb/> schlechte Papiergeld, das 160 auf 100 verliert, los werden, das ganze Finanz¬<lb/> wesen auf einen dauerhaft guten Fuß setzen, die Resurcen des Staates ver¬<lb/> doppeln und Treu und Glauben statt Trug und Mißtrauen wieder zur Tages¬<lb/> ordnung machen könne. Einige haben die Güte recht viel von der kleinen<lb/> Production zu denken; auch hat sie jetzt der Finanzminister Graf Stadion;<lb/> aber gedruckt wird sie wohl nicht werden, denn die Censur erlaubt nicht, daß<lb/> man von Staatsgebrechen rede, die man vielleicht noch nicht bereit ist zu<lb/> verbessern.</p><lb/> <p xml:id="ID_956"> Es sind jetzt 60000 Reitpferde in Wien, 20000 Kutschen. Die Unkosten<lb/> des Hofes sind 3000 Gulden alle 24 Stunden für Wachslichter allein. Man<lb/> braucht alle Tage 1000 Stück Kapaunen und 700 Stück Kutschpferde sind<lb/> beständig in Gebrauch. Sie sehen wohl, daß wenn der Congreß noch lange<lb/> dauert in kriegerischer Rücksicht von Kaiser Franz nichts mehr zu fürchten ist.<lb/> Man fängt damit an ihn aufzuessen.</p><lb/> <p xml:id="ID_957"> Redouten, Bälle, Carosells gehen unablässig fort. c-onAi-Sö et-z-usf,<lb/> sagt der Prinz de Ligne, mais 11 us v^rotis M8. Auch predigt ein gewißer<lb/> Werner den Fremden oft etwas vor, der eine gute Tenorstimme hat, vor Zeiten<lb/> Martin Luther als den größten Mann verherrlichte und nun vor jedem Heiligen<lb/> mit tiefer Devotion die Mütze abnimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_958"> Die Geschichte dieses Kongreßes wird wieder beweisen, daß sich in Deutsch¬<lb/> land eigentlich nichts Gescheutes zu Stande bringen läßt, weil nun einmal die<lb/> Nation so getheilt und zerstückelt ist, daß kein Gemeingeist und kein vorwal¬<lb/> tendes Interesse, ausgenommen auf einen Augenblick durch eine gemeinschaft¬<lb/> liche Gefahr veranlaßt, stattfinden kann. Es giebt hier nur Prätendenten<lb/> jeder hat Rechte, neue oder verjährte — sogar die Insel Elba wird in<lb/> Anspruch genommen. Aber wenn von Aufopferungen die Rede ist, so ist kein<lb/> Motiv dazu da, denn es giebt kein gemeinschaftliches, bindendes vorwiegendes<lb/> Interesse. Niemand begreift, warum er Rücksicht nehmen sollte, auf irgend<lb/> etwas als sich selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_959" next="#ID_960"> Um etwas dauernd Gutes in Deutschland zu Stande zu bringen, müßte<lb/> man damit anfangen, alle fürstlichen Familien ohne Ausnahme in Botany-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0327]
der destillirten Todten müde will ich mir zuletzt etwas zu Gute thun. Ich
kaufe ein Buch vom berühmten Fichte — es ist sein geschlossener Handelsstaat.
Um Gotteswillen! sind denn alle Diplomaten beschränkt und alle Gelehrten
unklug? Muß ich wieder in die amerikanischen Wälder, um gesunde Vernunft
zu finden?
Unter solchen Umständen habe ich nichts besseres zu thun gewußt als
Beschäftigung in mir selbst zu suchen. Ich habe ein Pamphlet über das hiesige
Geldwesen geschrieben und gezeigt, wie man auf eine leichte Art das jetzige
schlechte Papiergeld, das 160 auf 100 verliert, los werden, das ganze Finanz¬
wesen auf einen dauerhaft guten Fuß setzen, die Resurcen des Staates ver¬
doppeln und Treu und Glauben statt Trug und Mißtrauen wieder zur Tages¬
ordnung machen könne. Einige haben die Güte recht viel von der kleinen
Production zu denken; auch hat sie jetzt der Finanzminister Graf Stadion;
aber gedruckt wird sie wohl nicht werden, denn die Censur erlaubt nicht, daß
man von Staatsgebrechen rede, die man vielleicht noch nicht bereit ist zu
verbessern.
Es sind jetzt 60000 Reitpferde in Wien, 20000 Kutschen. Die Unkosten
des Hofes sind 3000 Gulden alle 24 Stunden für Wachslichter allein. Man
braucht alle Tage 1000 Stück Kapaunen und 700 Stück Kutschpferde sind
beständig in Gebrauch. Sie sehen wohl, daß wenn der Congreß noch lange
dauert in kriegerischer Rücksicht von Kaiser Franz nichts mehr zu fürchten ist.
Man fängt damit an ihn aufzuessen.
Redouten, Bälle, Carosells gehen unablässig fort. c-onAi-Sö et-z-usf,
sagt der Prinz de Ligne, mais 11 us v^rotis M8. Auch predigt ein gewißer
Werner den Fremden oft etwas vor, der eine gute Tenorstimme hat, vor Zeiten
Martin Luther als den größten Mann verherrlichte und nun vor jedem Heiligen
mit tiefer Devotion die Mütze abnimmt.
Die Geschichte dieses Kongreßes wird wieder beweisen, daß sich in Deutsch¬
land eigentlich nichts Gescheutes zu Stande bringen läßt, weil nun einmal die
Nation so getheilt und zerstückelt ist, daß kein Gemeingeist und kein vorwal¬
tendes Interesse, ausgenommen auf einen Augenblick durch eine gemeinschaft¬
liche Gefahr veranlaßt, stattfinden kann. Es giebt hier nur Prätendenten
jeder hat Rechte, neue oder verjährte — sogar die Insel Elba wird in
Anspruch genommen. Aber wenn von Aufopferungen die Rede ist, so ist kein
Motiv dazu da, denn es giebt kein gemeinschaftliches, bindendes vorwiegendes
Interesse. Niemand begreift, warum er Rücksicht nehmen sollte, auf irgend
etwas als sich selbst.
Um etwas dauernd Gutes in Deutschland zu Stande zu bringen, müßte
man damit anfangen, alle fürstlichen Familien ohne Ausnahme in Botany-
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