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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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auch viel wegen des Seerechts in den Kopf. Gegen die Engländer ist man
sehr geneigt -- von Seiten Rußlands -- sich zu erbittern. Mit den Ameri¬
kanern hält man's. Oil. g. eulduts 1s grei-mal volsur du Oontilisut -- sagt
Laharpe und öffentlich -- nig,is Iss volsurs 6s l'OeüM s'^ vrorasusnt sucors.
Ich sehe Laharpe zuweilen, -se a ni<z 1^ bits. Der König von Preußen ist auch
eigensinnig. Die Preußen fühlen sich muthig, fühlen daß sie das meiste gethan
haben und wollen etwas für ihre Mühe.

Seit dem 30. kenne ich nur Gerüchte (denn meine zuverlässige Quelle von
Nachricht über das, was vorgeht, kann ich nur aller 10 oder 12 Tage
einmal benutzen). Vorgestern sah Alles kriegerisch aus. Gestern und heute
denkt man, daß es wenigstens nicht gleich dazu kommen wird.

Es fehlt wirklich bei diesem Kongreß ein bischen an der hohen Kultur,
an den wahren Ansichten. Deswegen dürfte der Ausgang etwas gemein aus¬
fallen. Wie bei Gelagen in Schenken, es fängt an mit Schmcmßen und hört
auf mit Zausen. Es ist etwas Jämmerliches mit der Menschheit -- ohne
Leidenschaft geschieht nichts, geräth alles in Stocken und wo sie wirkt, gehts
toll. Vernunft ist todt und Leidenschaft ist unsinnig -- wie kann man da
herauskommen? Während der eine Polen haben will, der andere Sachsen
kommts Sidney Smith mit einem Memoire und bittet Alle sich zu vereinigen,
um dem scandalösen Wesen in Tripolis, Tunis, Algier :c. ein Ende zu machen.

Zugleich kündigt Professor Bule öffentliche Vorlesungen an über die Arith¬
metik des menschlichen Lebens! Nun ist der Congreß versammelt -- nun muß
die große Lehre stehen oder fallen. Zehn Jahre hat er daran gearbeitet.
81 Jahre soll der Mann leben -- 9x9 -- das ist das Gesetz der Natur.
Wer früher stirbt thut seine Schuldigkeit nicht; wer länger lebt nimmt sich
etwas heraus.

Während der über's Leben raisonirt schreibt ein anderer über: "der Triumph
der Kunst über die Verwesung". Man soll die Todten nicht mehr begraben.
Wie kann man seine Lieben so verlieren wollen? Nein, man soll überall
metrologische Institute errichten, wo man die Todten hinschickt, wo sie erst secirt,
dann anatomirt, dann in Stücke geschnitten, dann destillirt werden :c. Und
dann wird Einem der Liebe wieder zugeschickt in so viel Salz, so viel Leim,
so viel Gas, so viel Phosphorsäure, -- und man setzt ihn auf den Kamin-
Und da freut sich dann die Empfindsamkeit! es hat großen moralischen Nutzen
man hütet sich vor Sünden, die Narben lassen -- großen medicinischen -- man
lernt, warum jeder sterben mußte -- großen cammeralischen -- man erspart
alles Holz zu den Särgen -- großen politischen -- das Lebendigbegraben
hört auf! und unter jeder Seite stehen ^ Zoll hoch gelehrte Citationen.

Des Geschwätzes den Kongreß betreffend und der Lebens-Arithmetik und


auch viel wegen des Seerechts in den Kopf. Gegen die Engländer ist man
sehr geneigt — von Seiten Rußlands — sich zu erbittern. Mit den Ameri¬
kanern hält man's. Oil. g. eulduts 1s grei-mal volsur du Oontilisut — sagt
Laharpe und öffentlich — nig,is Iss volsurs 6s l'OeüM s'^ vrorasusnt sucors.
Ich sehe Laharpe zuweilen, -se a ni<z 1^ bits. Der König von Preußen ist auch
eigensinnig. Die Preußen fühlen sich muthig, fühlen daß sie das meiste gethan
haben und wollen etwas für ihre Mühe.

Seit dem 30. kenne ich nur Gerüchte (denn meine zuverlässige Quelle von
Nachricht über das, was vorgeht, kann ich nur aller 10 oder 12 Tage
einmal benutzen). Vorgestern sah Alles kriegerisch aus. Gestern und heute
denkt man, daß es wenigstens nicht gleich dazu kommen wird.

Es fehlt wirklich bei diesem Kongreß ein bischen an der hohen Kultur,
an den wahren Ansichten. Deswegen dürfte der Ausgang etwas gemein aus¬
fallen. Wie bei Gelagen in Schenken, es fängt an mit Schmcmßen und hört
auf mit Zausen. Es ist etwas Jämmerliches mit der Menschheit — ohne
Leidenschaft geschieht nichts, geräth alles in Stocken und wo sie wirkt, gehts
toll. Vernunft ist todt und Leidenschaft ist unsinnig — wie kann man da
herauskommen? Während der eine Polen haben will, der andere Sachsen
kommts Sidney Smith mit einem Memoire und bittet Alle sich zu vereinigen,
um dem scandalösen Wesen in Tripolis, Tunis, Algier :c. ein Ende zu machen.

Zugleich kündigt Professor Bule öffentliche Vorlesungen an über die Arith¬
metik des menschlichen Lebens! Nun ist der Congreß versammelt — nun muß
die große Lehre stehen oder fallen. Zehn Jahre hat er daran gearbeitet.
81 Jahre soll der Mann leben — 9x9 — das ist das Gesetz der Natur.
Wer früher stirbt thut seine Schuldigkeit nicht; wer länger lebt nimmt sich
etwas heraus.

Während der über's Leben raisonirt schreibt ein anderer über: „der Triumph
der Kunst über die Verwesung". Man soll die Todten nicht mehr begraben.
Wie kann man seine Lieben so verlieren wollen? Nein, man soll überall
metrologische Institute errichten, wo man die Todten hinschickt, wo sie erst secirt,
dann anatomirt, dann in Stücke geschnitten, dann destillirt werden :c. Und
dann wird Einem der Liebe wieder zugeschickt in so viel Salz, so viel Leim,
so viel Gas, so viel Phosphorsäure, — und man setzt ihn auf den Kamin-
Und da freut sich dann die Empfindsamkeit! es hat großen moralischen Nutzen
man hütet sich vor Sünden, die Narben lassen — großen medicinischen — man
lernt, warum jeder sterben mußte — großen cammeralischen — man erspart
alles Holz zu den Särgen — großen politischen — das Lebendigbegraben
hört auf! und unter jeder Seite stehen ^ Zoll hoch gelehrte Citationen.

Des Geschwätzes den Kongreß betreffend und der Lebens-Arithmetik und


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[0326] auch viel wegen des Seerechts in den Kopf. Gegen die Engländer ist man sehr geneigt — von Seiten Rußlands — sich zu erbittern. Mit den Ameri¬ kanern hält man's. Oil. g. eulduts 1s grei-mal volsur du Oontilisut — sagt Laharpe und öffentlich — nig,is Iss volsurs 6s l'OeüM s'^ vrorasusnt sucors. Ich sehe Laharpe zuweilen, -se a ni<z 1^ bits. Der König von Preußen ist auch eigensinnig. Die Preußen fühlen sich muthig, fühlen daß sie das meiste gethan haben und wollen etwas für ihre Mühe. Seit dem 30. kenne ich nur Gerüchte (denn meine zuverlässige Quelle von Nachricht über das, was vorgeht, kann ich nur aller 10 oder 12 Tage einmal benutzen). Vorgestern sah Alles kriegerisch aus. Gestern und heute denkt man, daß es wenigstens nicht gleich dazu kommen wird. Es fehlt wirklich bei diesem Kongreß ein bischen an der hohen Kultur, an den wahren Ansichten. Deswegen dürfte der Ausgang etwas gemein aus¬ fallen. Wie bei Gelagen in Schenken, es fängt an mit Schmcmßen und hört auf mit Zausen. Es ist etwas Jämmerliches mit der Menschheit — ohne Leidenschaft geschieht nichts, geräth alles in Stocken und wo sie wirkt, gehts toll. Vernunft ist todt und Leidenschaft ist unsinnig — wie kann man da herauskommen? Während der eine Polen haben will, der andere Sachsen kommts Sidney Smith mit einem Memoire und bittet Alle sich zu vereinigen, um dem scandalösen Wesen in Tripolis, Tunis, Algier :c. ein Ende zu machen. Zugleich kündigt Professor Bule öffentliche Vorlesungen an über die Arith¬ metik des menschlichen Lebens! Nun ist der Congreß versammelt — nun muß die große Lehre stehen oder fallen. Zehn Jahre hat er daran gearbeitet. 81 Jahre soll der Mann leben — 9x9 — das ist das Gesetz der Natur. Wer früher stirbt thut seine Schuldigkeit nicht; wer länger lebt nimmt sich etwas heraus. Während der über's Leben raisonirt schreibt ein anderer über: „der Triumph der Kunst über die Verwesung". Man soll die Todten nicht mehr begraben. Wie kann man seine Lieben so verlieren wollen? Nein, man soll überall metrologische Institute errichten, wo man die Todten hinschickt, wo sie erst secirt, dann anatomirt, dann in Stücke geschnitten, dann destillirt werden :c. Und dann wird Einem der Liebe wieder zugeschickt in so viel Salz, so viel Leim, so viel Gas, so viel Phosphorsäure, — und man setzt ihn auf den Kamin- Und da freut sich dann die Empfindsamkeit! es hat großen moralischen Nutzen man hütet sich vor Sünden, die Narben lassen — großen medicinischen — man lernt, warum jeder sterben mußte — großen cammeralischen — man erspart alles Holz zu den Särgen — großen politischen — das Lebendigbegraben hört auf! und unter jeder Seite stehen ^ Zoll hoch gelehrte Citationen. Des Geschwätzes den Kongreß betreffend und der Lebens-Arithmetik und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/326>, abgerufen am 23.07.2024.