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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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in dem traulichen, an sich (?) eben nicht allzu geräumigen Zimmer, allwo das
edle Naß fleußt, begnadete Schätzer desselben eingefunden. Sie sind gerade im
besten Zug, dessen hohe Güte an sich zu erproben, derweil sie auch sonst noch
an dem Genuß von allerhand zum Bier recht passenden Speisen und mit
Rauchen und geistvollen Kartenspiel sich erfreuen" ?c. Hütte der Verfasser,
anstatt uns in dieser Weise zu "unterhalten", durch Winke über Komposition,
Gruppirung und Zeichnung seine Leser zu einem tieferen ästhetischen Genuß
der Bilder angeleitet, hätte er Fragen erörtert wie die, ob Lessing's berühmtes
Wort im "Laokoon", daß ein gemalter lachender Kops nur die ersten Male
lache, wo man ihn sehe, daß aber, wenn man ihn öfter betrachte, aus seinem
Lachen ein Grinsen werde, vielleicht durch das letzte Bild unseres Heftes
Lügen gestraft werde, hätte er uns über das Wesen der Holzschnitt-Technik und
die verschiedenen in den Bildern zur Verwendung gekommenen Schnittmanieren
aufgeklärt, so würde er sich damit entschieden ein größeres Verdienst erworben
haben- Das Publikum ist erfahrungsgemäß für derartige Anleitung und Be¬
lehrung äußerst dankbar; leider wird sie ihm nur viel zu selten geboten.

Endlich auch noch ein offenes Wort über die äußere Hülle unseres Holz¬
schnittalbums. Diese trügt nämlich eine Titelzeichnung, die uns vollständig ver¬
gessen läßt, in welchem Jahre des Heils wir eigentlich leben, ein lahmes, heilloses
Erzeugniß, das an die Liedertafel- und Künstlervereinsdiplvme erinnert, wie
sie vor zwanzig, dreißig Jahren Mode waren. Wie kann man sich, wo sich's
um die würdige Ausstattung eines solchen Unternehmens handelt, an einen
Künstler wenden, an dem die kunstgewerbliche Bewegung des letzten Jahrzehnts
augenscheinlich spurlos vorübergegangen ist, und der speziell von den Ausgaben
des Buchornamentes keinen Schimmer hat? Wir irren wohl nicht, wenn wir
annehmen, daß die Verlagshandlung selbst durch diese Leistung unangenehm
überrascht worden ist und daß sie dieselbe schon in einem der nächsten Hefte
durch etwas Phantasie- und Geschmackvolleres ersetzen wird. Daß es uns
nicht an Künstlern fehlt, die dergleichen wirklich zu zeichnen verstehen, beweisen
zahlreiche Wiener und Stuttgarter Publikationen der letzten Jahre.

Die Verlagshandlung wolle aus unserer eingehenden und offenherzigen
Besprechung ihres Unternehmens ersehen, welche Wichtigkeit wir demselben
beilegen. Mit einer Idee, die uns nicht lebhaft interessirte, und an deren
mustergiltiger Durchführung uns nicht aufrichtig gelegen wäre, würden wir
G. W. so viel Umstände nicht machen.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Hering in Leipzig. -- Druck von Huthel K Herrmann in Leipzig.

in dem traulichen, an sich (?) eben nicht allzu geräumigen Zimmer, allwo das
edle Naß fleußt, begnadete Schätzer desselben eingefunden. Sie sind gerade im
besten Zug, dessen hohe Güte an sich zu erproben, derweil sie auch sonst noch
an dem Genuß von allerhand zum Bier recht passenden Speisen und mit
Rauchen und geistvollen Kartenspiel sich erfreuen" ?c. Hütte der Verfasser,
anstatt uns in dieser Weise zu „unterhalten", durch Winke über Komposition,
Gruppirung und Zeichnung seine Leser zu einem tieferen ästhetischen Genuß
der Bilder angeleitet, hätte er Fragen erörtert wie die, ob Lessing's berühmtes
Wort im „Laokoon", daß ein gemalter lachender Kops nur die ersten Male
lache, wo man ihn sehe, daß aber, wenn man ihn öfter betrachte, aus seinem
Lachen ein Grinsen werde, vielleicht durch das letzte Bild unseres Heftes
Lügen gestraft werde, hätte er uns über das Wesen der Holzschnitt-Technik und
die verschiedenen in den Bildern zur Verwendung gekommenen Schnittmanieren
aufgeklärt, so würde er sich damit entschieden ein größeres Verdienst erworben
haben- Das Publikum ist erfahrungsgemäß für derartige Anleitung und Be¬
lehrung äußerst dankbar; leider wird sie ihm nur viel zu selten geboten.

Endlich auch noch ein offenes Wort über die äußere Hülle unseres Holz¬
schnittalbums. Diese trügt nämlich eine Titelzeichnung, die uns vollständig ver¬
gessen läßt, in welchem Jahre des Heils wir eigentlich leben, ein lahmes, heilloses
Erzeugniß, das an die Liedertafel- und Künstlervereinsdiplvme erinnert, wie
sie vor zwanzig, dreißig Jahren Mode waren. Wie kann man sich, wo sich's
um die würdige Ausstattung eines solchen Unternehmens handelt, an einen
Künstler wenden, an dem die kunstgewerbliche Bewegung des letzten Jahrzehnts
augenscheinlich spurlos vorübergegangen ist, und der speziell von den Ausgaben
des Buchornamentes keinen Schimmer hat? Wir irren wohl nicht, wenn wir
annehmen, daß die Verlagshandlung selbst durch diese Leistung unangenehm
überrascht worden ist und daß sie dieselbe schon in einem der nächsten Hefte
durch etwas Phantasie- und Geschmackvolleres ersetzen wird. Daß es uns
nicht an Künstlern fehlt, die dergleichen wirklich zu zeichnen verstehen, beweisen
zahlreiche Wiener und Stuttgarter Publikationen der letzten Jahre.

Die Verlagshandlung wolle aus unserer eingehenden und offenherzigen
Besprechung ihres Unternehmens ersehen, welche Wichtigkeit wir demselben
beilegen. Mit einer Idee, die uns nicht lebhaft interessirte, und an deren
mustergiltiger Durchführung uns nicht aufrichtig gelegen wäre, würden wir
G. W. so viel Umstände nicht machen.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Hering in Leipzig. — Druck von Huthel K Herrmann in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/292>, abgerufen am 26.08.2024.