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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Blicken wir auf die gegenständliche Seite der Bilder, so wird unserer Be¬
geisterung freilich ein kleiner Dämpfer aufgesetzt. "Meisterwerke der Holz¬
schneidekunst" nennt sich unser Album, nicht "Meisterwerke der Malerei"
oder "Meisterwerke der bildenden Kunst in Holzschnitt ausgeführt". Ist dieser
Titel mit voller Absichtlichkeit gewählt? Soll damit gesagt sein, daß der
Hauptaceent bei den Bildern nicht sowohl auf den Antheil des schaffenden
Künstlers, als vielmehr auf den Antheil gelegt werden soll, den die verviel¬
fältigende Technik dabei hat? Sieht man nach den gedruckten Unterschriften
der Bilder, so scheint es nicht so. Denn dort ist auffälligerweise immer nur
der Name des Malers, nie der des wackeren Holzschneiders genannt, der das
Bild auf den Stock gebracht hat. Und doch, blickt man auf die Bilder felbst,
so scheint es wieder fast so, als ob die Verlagshandlung von der Ansicht ge¬
leitet worden sei, daß es auf den Werth des Bildes an sich nicht ankomme,
wenn nur die Vervielfältigung dnrch den Holzschnitt eine hervorragende Lei¬
stung sei. Sie hätte sonst gewiß nicht unter den sechs Bildern des ersten
Heftes gleich zwei von Gabriel Max gegeben -- auf die "Löwenbraut" hätten
wir gern verzichtet -- und noch weniger an die Spitze des ganzen Unter¬
nehmens als erstes Blatt ein, gelind gesagt, so unbedeutendes Bild gestellt, wie
die beiden fragwürdigen Frauengestalten, die Makart als "Freundinnen" uns
vorführt. Hätte sich dafür nicht wenigstens ein Historienbild beschaffen lassen?
Das erste Heft sieht, ehrlich gestanden, so aus, als spekulire es ein bischen
auf die Neigungen der großen Masse. Oder täuschen wir uns darin, und hat
der Zufall bei der Zusammenstellung mehr gewaltet, als wir glauben?

Das Album, welches uns vorschwebt, steuert nach einer etwas anderen
Richtung als das, welches die Verlagshandlung geplant zu haben scheint. Wir
meinten, daß es ein Album werden sollte, welches nach und nach das Beste
und Edelste, was in jüngster Zeit nicht die Malerei allein, sondern auch die
Plastik, die Baukunst, ja selbst die direkte Zeichnung für den Holzschnitt hervorge¬
bracht hat, vorführen würde, und dies alles allerdings in "Meisterwerken der Holz¬
schneidekunst", ein Album also zur Veranschaulichung der neueren und neuesten
deutschen Kunst in allen ihren Zweigen. Soll sich das Unternehmen auf die
zeichnenden Künste beschränken, so bescheiden wir uns gern. .Nur wäre dann
zu wünschen, einmal, daß dem ohnehin mehr auf bequemen Genuß als auf
ethische Erhebung gerichteten Sinne der Masse nicht allzugroße Konzessionen
gemacht würden. Es liegt uns fern, einer rigoristischen Auswahl das Wort
reden zu wollen. Auch hier gilt Voltaire's Wort: Ions los Asuros sont
tous, Kars 1s Agnrs 6nnri.^sux. Aber bei aller Freude an der gegenwärtig
dominirenden Genremalerei -- und Grützner's Bild, die Perle des ganzen
Heftes, ist ja eine köstliche, herzerquickende Leistung -- bei aller Frende auch


Blicken wir auf die gegenständliche Seite der Bilder, so wird unserer Be¬
geisterung freilich ein kleiner Dämpfer aufgesetzt. „Meisterwerke der Holz¬
schneidekunst" nennt sich unser Album, nicht „Meisterwerke der Malerei"
oder „Meisterwerke der bildenden Kunst in Holzschnitt ausgeführt". Ist dieser
Titel mit voller Absichtlichkeit gewählt? Soll damit gesagt sein, daß der
Hauptaceent bei den Bildern nicht sowohl auf den Antheil des schaffenden
Künstlers, als vielmehr auf den Antheil gelegt werden soll, den die verviel¬
fältigende Technik dabei hat? Sieht man nach den gedruckten Unterschriften
der Bilder, so scheint es nicht so. Denn dort ist auffälligerweise immer nur
der Name des Malers, nie der des wackeren Holzschneiders genannt, der das
Bild auf den Stock gebracht hat. Und doch, blickt man auf die Bilder felbst,
so scheint es wieder fast so, als ob die Verlagshandlung von der Ansicht ge¬
leitet worden sei, daß es auf den Werth des Bildes an sich nicht ankomme,
wenn nur die Vervielfältigung dnrch den Holzschnitt eine hervorragende Lei¬
stung sei. Sie hätte sonst gewiß nicht unter den sechs Bildern des ersten
Heftes gleich zwei von Gabriel Max gegeben — auf die „Löwenbraut" hätten
wir gern verzichtet — und noch weniger an die Spitze des ganzen Unter¬
nehmens als erstes Blatt ein, gelind gesagt, so unbedeutendes Bild gestellt, wie
die beiden fragwürdigen Frauengestalten, die Makart als „Freundinnen" uns
vorführt. Hätte sich dafür nicht wenigstens ein Historienbild beschaffen lassen?
Das erste Heft sieht, ehrlich gestanden, so aus, als spekulire es ein bischen
auf die Neigungen der großen Masse. Oder täuschen wir uns darin, und hat
der Zufall bei der Zusammenstellung mehr gewaltet, als wir glauben?

Das Album, welches uns vorschwebt, steuert nach einer etwas anderen
Richtung als das, welches die Verlagshandlung geplant zu haben scheint. Wir
meinten, daß es ein Album werden sollte, welches nach und nach das Beste
und Edelste, was in jüngster Zeit nicht die Malerei allein, sondern auch die
Plastik, die Baukunst, ja selbst die direkte Zeichnung für den Holzschnitt hervorge¬
bracht hat, vorführen würde, und dies alles allerdings in „Meisterwerken der Holz¬
schneidekunst", ein Album also zur Veranschaulichung der neueren und neuesten
deutschen Kunst in allen ihren Zweigen. Soll sich das Unternehmen auf die
zeichnenden Künste beschränken, so bescheiden wir uns gern. .Nur wäre dann
zu wünschen, einmal, daß dem ohnehin mehr auf bequemen Genuß als auf
ethische Erhebung gerichteten Sinne der Masse nicht allzugroße Konzessionen
gemacht würden. Es liegt uns fern, einer rigoristischen Auswahl das Wort
reden zu wollen. Auch hier gilt Voltaire's Wort: Ions los Asuros sont
tous, Kars 1s Agnrs 6nnri.^sux. Aber bei aller Freude an der gegenwärtig
dominirenden Genremalerei — und Grützner's Bild, die Perle des ganzen
Heftes, ist ja eine köstliche, herzerquickende Leistung — bei aller Frende auch


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[0290] Blicken wir auf die gegenständliche Seite der Bilder, so wird unserer Be¬ geisterung freilich ein kleiner Dämpfer aufgesetzt. „Meisterwerke der Holz¬ schneidekunst" nennt sich unser Album, nicht „Meisterwerke der Malerei" oder „Meisterwerke der bildenden Kunst in Holzschnitt ausgeführt". Ist dieser Titel mit voller Absichtlichkeit gewählt? Soll damit gesagt sein, daß der Hauptaceent bei den Bildern nicht sowohl auf den Antheil des schaffenden Künstlers, als vielmehr auf den Antheil gelegt werden soll, den die verviel¬ fältigende Technik dabei hat? Sieht man nach den gedruckten Unterschriften der Bilder, so scheint es nicht so. Denn dort ist auffälligerweise immer nur der Name des Malers, nie der des wackeren Holzschneiders genannt, der das Bild auf den Stock gebracht hat. Und doch, blickt man auf die Bilder felbst, so scheint es wieder fast so, als ob die Verlagshandlung von der Ansicht ge¬ leitet worden sei, daß es auf den Werth des Bildes an sich nicht ankomme, wenn nur die Vervielfältigung dnrch den Holzschnitt eine hervorragende Lei¬ stung sei. Sie hätte sonst gewiß nicht unter den sechs Bildern des ersten Heftes gleich zwei von Gabriel Max gegeben — auf die „Löwenbraut" hätten wir gern verzichtet — und noch weniger an die Spitze des ganzen Unter¬ nehmens als erstes Blatt ein, gelind gesagt, so unbedeutendes Bild gestellt, wie die beiden fragwürdigen Frauengestalten, die Makart als „Freundinnen" uns vorführt. Hätte sich dafür nicht wenigstens ein Historienbild beschaffen lassen? Das erste Heft sieht, ehrlich gestanden, so aus, als spekulire es ein bischen auf die Neigungen der großen Masse. Oder täuschen wir uns darin, und hat der Zufall bei der Zusammenstellung mehr gewaltet, als wir glauben? Das Album, welches uns vorschwebt, steuert nach einer etwas anderen Richtung als das, welches die Verlagshandlung geplant zu haben scheint. Wir meinten, daß es ein Album werden sollte, welches nach und nach das Beste und Edelste, was in jüngster Zeit nicht die Malerei allein, sondern auch die Plastik, die Baukunst, ja selbst die direkte Zeichnung für den Holzschnitt hervorge¬ bracht hat, vorführen würde, und dies alles allerdings in „Meisterwerken der Holz¬ schneidekunst", ein Album also zur Veranschaulichung der neueren und neuesten deutschen Kunst in allen ihren Zweigen. Soll sich das Unternehmen auf die zeichnenden Künste beschränken, so bescheiden wir uns gern. .Nur wäre dann zu wünschen, einmal, daß dem ohnehin mehr auf bequemen Genuß als auf ethische Erhebung gerichteten Sinne der Masse nicht allzugroße Konzessionen gemacht würden. Es liegt uns fern, einer rigoristischen Auswahl das Wort reden zu wollen. Auch hier gilt Voltaire's Wort: Ions los Asuros sont tous, Kars 1s Agnrs 6nnri.^sux. Aber bei aller Freude an der gegenwärtig dominirenden Genremalerei — und Grützner's Bild, die Perle des ganzen Heftes, ist ja eine köstliche, herzerquickende Leistung — bei aller Frende auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/290>, abgerufen am 23.07.2024.