Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
[Beginn Spaltensatz] Rsärixo estoyns ckoraclo;
'I'oclos von sera^s varivSi",
Roärigo Ig-nil" en 1" ut"no;
Doclos xri"necs olorosos,
NoäriAo guf-mes ins,1lA,Äo;
Loäos sowbrsros an^ rieos,
Roärixo o^hev "Aoaäo.
[Spaltenumbruch]
Degen reich von Gold Rodrigo;
Jeder kam mit seinem Stäbe,
Eine Lanze trägt Rodrigo;
Alle düftereiche Handschuh',
Eisenhandschuh' trägt Rodrigo;
Alle tragen reiche Hüte,
Einen feinen Helm Rodrigo.
[Ende Spaltensatz]

Wir wollen noch ein zweites Beispiel geben. In der 63. Herder'schen Romanze
zieht der Cid in den letzten Kampf hinaus, Bucar, dem Mohrenkönig, entgegen,


Der, Valencia ihm zu rauben,
Auf ihn drang mit starker Heerskraft,
Dreißig Könige mit ihm.

In der französischen Bearbeitung heißt es nur: 1o via og, xortsr 1a dataiUs
g,re Roi LonWr, qui visut lui äisxutsr Vs,1snLe>; in der spanischen Quelle aber
wird dem Cid die Kunde gebracht:


[Beginn Spaltensatz] Ireints, rsz^Sö ers>s oonsigo. Huf si rez? Lno"r, knerts Noro,
Lobrs Valsuvis, Ks, Ile^^av.
[Spaltenumbruch]
Dreißig Könige bringt er mit sich.König Bucar, starker Maure,
Sei gekommen von Valencia.
[Ende Spaltensatz]

Bei einem Beispiele wie dem an erster Stelle gegebenen könnte man zu
der Annahme hinneigen, Herder sei in Folge seines richtigen dichterischen Ge¬
fühls den prosaischen ins-of muss aus dem Wege gegangen und habe, ohne das
Original zu kennen, doch von selbst den Weg zum Original zurückgefunden; und
von dieser Art ist auch sonst noch die eine oder andere Stelle. Aber wie kam
er dazu, dem Bucar dreißig Könige zur Begleitung zu geben, von denen die
französische Quelle, der er doch sonst in allen Stücken folgt, nichts weiß, wohl
aber die spanische? Und doch, was kam andererseits ans diese dreißig Könige
an? Was konnte ihn bewegen, bei einer nachträglichen Vergleichung des Ori¬
ginals einen so vereinzelten, völlig gleichgültigen Zug noch zu entlehnen? Gleich¬
wohl sind auch von dieser Art mehrere Stellen nachgewiesen.

Vielleicht darf man hoffen, daß die neue Suphan'sche Herder-Ausgabe, die
in umfassendster und gründlichster Weise den reichen handschriftlichen Nachlaß
Herder's heranzieht, auch beim "Cid" uns genauere Einblicke in das Verhältniß
des Dichters zu seinen Quellen erschließen wird. Einstweilen möchten wir die
Aufmerksamkeit auf ein eben erschienenes Buch lenken, welches jedenfalls die
Nachprüfung der ganzen Frage, so wie sie bisher behandelt worden ist, in dan-
kenswerther Weise erleichtert.*) Der Herausgeber desselben, A. S. Vögelin in
Zürich, hat den glücklichen Gedanken gehabt, die drei in Frage kommenden
Zeugen Wort für Wort einander zu konfrontiren. Er hat die Texte dergestalt



*) Herder's Cid, die französische und die spanische Quelle. Zusammengestellt von
A- S. Vögelin. Heilbronn, Gebr. Henninger, 1379.
[Beginn Spaltensatz] Rsärixo estoyns ckoraclo;
'I'oclos von sera^s varivSi»,
Roärigo Ig-nil» en 1» ut»no;
Doclos xri»necs olorosos,
NoäriAo guf-mes ins,1lA,Äo;
Loäos sowbrsros an^ rieos,
Roärixo o^hev »Aoaäo.
[Spaltenumbruch]
Degen reich von Gold Rodrigo;
Jeder kam mit seinem Stäbe,
Eine Lanze trägt Rodrigo;
Alle düftereiche Handschuh',
Eisenhandschuh' trägt Rodrigo;
Alle tragen reiche Hüte,
Einen feinen Helm Rodrigo.
[Ende Spaltensatz]

Wir wollen noch ein zweites Beispiel geben. In der 63. Herder'schen Romanze
zieht der Cid in den letzten Kampf hinaus, Bucar, dem Mohrenkönig, entgegen,


Der, Valencia ihm zu rauben,
Auf ihn drang mit starker Heerskraft,
Dreißig Könige mit ihm.

In der französischen Bearbeitung heißt es nur: 1o via og, xortsr 1a dataiUs
g,re Roi LonWr, qui visut lui äisxutsr Vs,1snLe>; in der spanischen Quelle aber
wird dem Cid die Kunde gebracht:


[Beginn Spaltensatz] Ireints, rsz^Sö ers>s oonsigo. Huf si rez? Lno»r, knerts Noro,
Lobrs Valsuvis, Ks, Ile^^av.
[Spaltenumbruch]
Dreißig Könige bringt er mit sich.König Bucar, starker Maure,
Sei gekommen von Valencia.
[Ende Spaltensatz]

Bei einem Beispiele wie dem an erster Stelle gegebenen könnte man zu
der Annahme hinneigen, Herder sei in Folge seines richtigen dichterischen Ge¬
fühls den prosaischen ins-of muss aus dem Wege gegangen und habe, ohne das
Original zu kennen, doch von selbst den Weg zum Original zurückgefunden; und
von dieser Art ist auch sonst noch die eine oder andere Stelle. Aber wie kam
er dazu, dem Bucar dreißig Könige zur Begleitung zu geben, von denen die
französische Quelle, der er doch sonst in allen Stücken folgt, nichts weiß, wohl
aber die spanische? Und doch, was kam andererseits ans diese dreißig Könige
an? Was konnte ihn bewegen, bei einer nachträglichen Vergleichung des Ori¬
ginals einen so vereinzelten, völlig gleichgültigen Zug noch zu entlehnen? Gleich¬
wohl sind auch von dieser Art mehrere Stellen nachgewiesen.

Vielleicht darf man hoffen, daß die neue Suphan'sche Herder-Ausgabe, die
in umfassendster und gründlichster Weise den reichen handschriftlichen Nachlaß
Herder's heranzieht, auch beim „Cid" uns genauere Einblicke in das Verhältniß
des Dichters zu seinen Quellen erschließen wird. Einstweilen möchten wir die
Aufmerksamkeit auf ein eben erschienenes Buch lenken, welches jedenfalls die
Nachprüfung der ganzen Frage, so wie sie bisher behandelt worden ist, in dan-
kenswerther Weise erleichtert.*) Der Herausgeber desselben, A. S. Vögelin in
Zürich, hat den glücklichen Gedanken gehabt, die drei in Frage kommenden
Zeugen Wort für Wort einander zu konfrontiren. Er hat die Texte dergestalt



*) Herder's Cid, die französische und die spanische Quelle. Zusammengestellt von
A- S. Vögelin. Heilbronn, Gebr. Henninger, 1379.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141695"/>
            <cb type="start"/>
            <quote> Rsärixo estoyns ckoraclo;<lb/>
'I'oclos von sera^s varivSi»,<lb/>
Roärigo Ig-nil» en 1» ut»no;<lb/>
Doclos xri»necs olorosos,<lb/>
NoäriAo guf-mes ins,1lA,Äo;<lb/>
Loäos sowbrsros an^ rieos,<lb/>
Roärixo o^hev »Aoaäo.</quote>
            <cb/><lb/>
            <quote> Degen reich von Gold Rodrigo;<lb/>
Jeder kam mit seinem Stäbe,<lb/>
Eine Lanze trägt Rodrigo;<lb/>
Alle düftereiche Handschuh',<lb/>
Eisenhandschuh' trägt Rodrigo;<lb/>
Alle tragen reiche Hüte,<lb/>
Einen feinen Helm Rodrigo.</quote>
            <cb type="end"/><lb/>
            <p xml:id="ID_851"> Wir wollen noch ein zweites Beispiel geben. In der 63. Herder'schen Romanze<lb/>
zieht der Cid in den letzten Kampf hinaus, Bucar, dem Mohrenkönig, entgegen,</p><lb/>
            <quote> Der, Valencia ihm zu rauben,<lb/>
Auf ihn drang mit starker Heerskraft,<lb/>
Dreißig Könige mit ihm.</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_852"> In der französischen Bearbeitung heißt es nur: 1o via og, xortsr 1a dataiUs<lb/>
g,re Roi LonWr, qui visut lui äisxutsr Vs,1snLe&gt;; in der spanischen Quelle aber<lb/>
wird dem Cid die Kunde gebracht:</p><lb/>
            <cb type="start"/>
            <quote> Ireints, rsz^Sö ers&gt;s oonsigo. Huf si rez? Lno»r, knerts Noro,<lb/>
Lobrs Valsuvis, Ks, Ile^^av.</quote>
            <cb/><lb/>
            <quote> Dreißig Könige bringt er mit sich.König Bucar, starker Maure,<lb/>
Sei gekommen von Valencia.</quote>
            <cb type="end"/><lb/>
            <p xml:id="ID_853"> Bei einem Beispiele wie dem an erster Stelle gegebenen könnte man zu<lb/>
der Annahme hinneigen, Herder sei in Folge seines richtigen dichterischen Ge¬<lb/>
fühls den prosaischen ins-of muss aus dem Wege gegangen und habe, ohne das<lb/>
Original zu kennen, doch von selbst den Weg zum Original zurückgefunden; und<lb/>
von dieser Art ist auch sonst noch die eine oder andere Stelle. Aber wie kam<lb/>
er dazu, dem Bucar dreißig Könige zur Begleitung zu geben, von denen die<lb/>
französische Quelle, der er doch sonst in allen Stücken folgt, nichts weiß, wohl<lb/>
aber die spanische? Und doch, was kam andererseits ans diese dreißig Könige<lb/>
an? Was konnte ihn bewegen, bei einer nachträglichen Vergleichung des Ori¬<lb/>
ginals einen so vereinzelten, völlig gleichgültigen Zug noch zu entlehnen? Gleich¬<lb/>
wohl sind auch von dieser Art mehrere Stellen nachgewiesen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_854" next="#ID_855"> Vielleicht darf man hoffen, daß die neue Suphan'sche Herder-Ausgabe, die<lb/>
in umfassendster und gründlichster Weise den reichen handschriftlichen Nachlaß<lb/>
Herder's heranzieht, auch beim &#x201E;Cid" uns genauere Einblicke in das Verhältniß<lb/>
des Dichters zu seinen Quellen erschließen wird. Einstweilen möchten wir die<lb/>
Aufmerksamkeit auf ein eben erschienenes Buch lenken, welches jedenfalls die<lb/>
Nachprüfung der ganzen Frage, so wie sie bisher behandelt worden ist, in dan-<lb/>
kenswerther Weise erleichtert.*) Der Herausgeber desselben, A. S. Vögelin in<lb/>
Zürich, hat den glücklichen Gedanken gehabt, die drei in Frage kommenden<lb/>
Zeugen Wort für Wort einander zu konfrontiren. Er hat die Texte dergestalt</p><lb/>
            <note xml:id="FID_66" place="foot"> *) Herder's Cid, die französische und die spanische Quelle. Zusammengestellt von<lb/>
A- S. Vögelin. Heilbronn, Gebr. Henninger, 1379.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0284] Rsärixo estoyns ckoraclo; 'I'oclos von sera^s varivSi», Roärigo Ig-nil» en 1» ut»no; Doclos xri»necs olorosos, NoäriAo guf-mes ins,1lA,Äo; Loäos sowbrsros an^ rieos, Roärixo o^hev »Aoaäo. Degen reich von Gold Rodrigo; Jeder kam mit seinem Stäbe, Eine Lanze trägt Rodrigo; Alle düftereiche Handschuh', Eisenhandschuh' trägt Rodrigo; Alle tragen reiche Hüte, Einen feinen Helm Rodrigo. Wir wollen noch ein zweites Beispiel geben. In der 63. Herder'schen Romanze zieht der Cid in den letzten Kampf hinaus, Bucar, dem Mohrenkönig, entgegen, Der, Valencia ihm zu rauben, Auf ihn drang mit starker Heerskraft, Dreißig Könige mit ihm. In der französischen Bearbeitung heißt es nur: 1o via og, xortsr 1a dataiUs g,re Roi LonWr, qui visut lui äisxutsr Vs,1snLe>; in der spanischen Quelle aber wird dem Cid die Kunde gebracht: Ireints, rsz^Sö ers>s oonsigo. Huf si rez? Lno»r, knerts Noro, Lobrs Valsuvis, Ks, Ile^^av. Dreißig Könige bringt er mit sich.König Bucar, starker Maure, Sei gekommen von Valencia. Bei einem Beispiele wie dem an erster Stelle gegebenen könnte man zu der Annahme hinneigen, Herder sei in Folge seines richtigen dichterischen Ge¬ fühls den prosaischen ins-of muss aus dem Wege gegangen und habe, ohne das Original zu kennen, doch von selbst den Weg zum Original zurückgefunden; und von dieser Art ist auch sonst noch die eine oder andere Stelle. Aber wie kam er dazu, dem Bucar dreißig Könige zur Begleitung zu geben, von denen die französische Quelle, der er doch sonst in allen Stücken folgt, nichts weiß, wohl aber die spanische? Und doch, was kam andererseits ans diese dreißig Könige an? Was konnte ihn bewegen, bei einer nachträglichen Vergleichung des Ori¬ ginals einen so vereinzelten, völlig gleichgültigen Zug noch zu entlehnen? Gleich¬ wohl sind auch von dieser Art mehrere Stellen nachgewiesen. Vielleicht darf man hoffen, daß die neue Suphan'sche Herder-Ausgabe, die in umfassendster und gründlichster Weise den reichen handschriftlichen Nachlaß Herder's heranzieht, auch beim „Cid" uns genauere Einblicke in das Verhältniß des Dichters zu seinen Quellen erschließen wird. Einstweilen möchten wir die Aufmerksamkeit auf ein eben erschienenes Buch lenken, welches jedenfalls die Nachprüfung der ganzen Frage, so wie sie bisher behandelt worden ist, in dan- kenswerther Weise erleichtert.*) Der Herausgeber desselben, A. S. Vögelin in Zürich, hat den glücklichen Gedanken gehabt, die drei in Frage kommenden Zeugen Wort für Wort einander zu konfrontiren. Er hat die Texte dergestalt *) Herder's Cid, die französische und die spanische Quelle. Zusammengestellt von A- S. Vögelin. Heilbronn, Gebr. Henninger, 1379.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/284
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/284>, abgerufen am 23.07.2024.