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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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lische Verblendung der ultramontanen Partei, der nationale und staatliche
Rücksichten gleich fern lagen, konnte die Städte vor eine so grausame Alternative
stellen, wie die war, in welche Kaschau und seine Genossinnen damals sich hin¬
eingedrängt sahen.

Fordert das Geschick der Gemeinden die Theilnahme heraus, so auch das
des Mannes, der damals an der Spitze Kaschan's stand, des Stadtrichters
Johannes Bvcatius. Als im November 1605 Stephan Bocskay sich nach Ofen
begab, um dort durch den Grvßvezier Lalla Mohamed förmlich mit der Herrschaft
über Ober-Ungarn und Siebenbürgen belehnt zu werden, wurden auch die
Vertreter der Städte und Kvmitate zu dieser Feier entboten. Als Vertreter
Kaschan's reiste Bocatius mit zwei Begleitern nach Pest und wohnte dort im
Gefolge Bocskay's dem Belehnungsakte bei (10. November).*) In derselben
Eigenschaft begab er sich dann zum Landtage nach Karpfen (Komitat Sohl), wo
die ungarischen Stände mit den kaiserlichen Kommissarien unterhandeln wollten.
Indeß man kam zu keinem Schlüsse, vielmehr erklärten sich Bocskay und die
Stände dafür, die Vermittelung der protestantischen Fürsten des teuschen Reiches
anzurufen. Zum Träger dieses gefährlichen Auftrages^) ersah Bocskay den
Johannes Bocatius, der schon vorher seine Gunst gewonnen hatte und sich ihm
durch Gewandtheit und praktische Erfahrung empfehlen mochte, überdies ein
Deutscher war. Bocatius nahm seinen Weg dnrch Polen, kam im Februar
1006 glücklich nach Heidelberg und entledigte sich am pfälzischen Hofe seines
Auftrages, ohne indessen eine andere Antwort zu erhalten, als die, daß Kurpfalz
mit den übrigen Kurfürsten sich über die Angelegenheit benehmen wolle. Als
aber der ungarische Gesandte auf dem Wege nach Brandenburg und Sachsen
braunschweigisches Gebiet erreicht hatte, ließ ihn der Rath von Nordheim auf
ein kaiserliches Patent hin festnehmen und sein Gepäck versiegeln. Umsonst
suchte Kurpfalz bei dem Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg
seine Befreiung zu erwirken, umsonst freilich auch forderte der Kaiser seine
Auslieferung, die der Herzog verweigerte, weil ihm des Bocatius Verbrechen
unbekannt und er an die weltlichen Kurfürsten in Geschäften gesandt sei, die
dem Kaiser keinen Nachtheil brächten. Aber als dieser Bescheid erfolgte, da
hatte der Rath von Nordheim bereits auf direkten Befehl des Kaisers den Ge¬
fangenen nach Prag ausgeliefert (Ende April 1606). Alle Bitten, die seine
Befreiung erwirken sollten, von Kurpfalz, von den ungarischen Gesandten in
Wien, vom Landtage in Kaschau (Dezember 1606) wurden rundweg abgelehnt.




Er hat darüber einem Freunde eingehend Bericht erstattet, gedruckt bei Bei, ^ä-
MiÄtu" g-Z, nistoriiUll HrmMris,ö.
"") Ueber diese vcrhcingnißvolle Mission s, Jsthv-inffy pag. 333. und die Briefe bei Ritter,
Akten und Briefe zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges I.
Grenzboten I. 1879. 30

lische Verblendung der ultramontanen Partei, der nationale und staatliche
Rücksichten gleich fern lagen, konnte die Städte vor eine so grausame Alternative
stellen, wie die war, in welche Kaschau und seine Genossinnen damals sich hin¬
eingedrängt sahen.

Fordert das Geschick der Gemeinden die Theilnahme heraus, so auch das
des Mannes, der damals an der Spitze Kaschan's stand, des Stadtrichters
Johannes Bvcatius. Als im November 1605 Stephan Bocskay sich nach Ofen
begab, um dort durch den Grvßvezier Lalla Mohamed förmlich mit der Herrschaft
über Ober-Ungarn und Siebenbürgen belehnt zu werden, wurden auch die
Vertreter der Städte und Kvmitate zu dieser Feier entboten. Als Vertreter
Kaschan's reiste Bocatius mit zwei Begleitern nach Pest und wohnte dort im
Gefolge Bocskay's dem Belehnungsakte bei (10. November).*) In derselben
Eigenschaft begab er sich dann zum Landtage nach Karpfen (Komitat Sohl), wo
die ungarischen Stände mit den kaiserlichen Kommissarien unterhandeln wollten.
Indeß man kam zu keinem Schlüsse, vielmehr erklärten sich Bocskay und die
Stände dafür, die Vermittelung der protestantischen Fürsten des teuschen Reiches
anzurufen. Zum Träger dieses gefährlichen Auftrages^) ersah Bocskay den
Johannes Bocatius, der schon vorher seine Gunst gewonnen hatte und sich ihm
durch Gewandtheit und praktische Erfahrung empfehlen mochte, überdies ein
Deutscher war. Bocatius nahm seinen Weg dnrch Polen, kam im Februar
1006 glücklich nach Heidelberg und entledigte sich am pfälzischen Hofe seines
Auftrages, ohne indessen eine andere Antwort zu erhalten, als die, daß Kurpfalz
mit den übrigen Kurfürsten sich über die Angelegenheit benehmen wolle. Als
aber der ungarische Gesandte auf dem Wege nach Brandenburg und Sachsen
braunschweigisches Gebiet erreicht hatte, ließ ihn der Rath von Nordheim auf
ein kaiserliches Patent hin festnehmen und sein Gepäck versiegeln. Umsonst
suchte Kurpfalz bei dem Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg
seine Befreiung zu erwirken, umsonst freilich auch forderte der Kaiser seine
Auslieferung, die der Herzog verweigerte, weil ihm des Bocatius Verbrechen
unbekannt und er an die weltlichen Kurfürsten in Geschäften gesandt sei, die
dem Kaiser keinen Nachtheil brächten. Aber als dieser Bescheid erfolgte, da
hatte der Rath von Nordheim bereits auf direkten Befehl des Kaisers den Ge¬
fangenen nach Prag ausgeliefert (Ende April 1606). Alle Bitten, die seine
Befreiung erwirken sollten, von Kurpfalz, von den ungarischen Gesandten in
Wien, vom Landtage in Kaschau (Dezember 1606) wurden rundweg abgelehnt.




Er hat darüber einem Freunde eingehend Bericht erstattet, gedruckt bei Bei, ^ä-
MiÄtu« g-Z, nistoriiUll HrmMris,ö.
»») Ueber diese vcrhcingnißvolle Mission s, Jsthv-inffy pag. 333. und die Briefe bei Ritter,
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[0237] lische Verblendung der ultramontanen Partei, der nationale und staatliche Rücksichten gleich fern lagen, konnte die Städte vor eine so grausame Alternative stellen, wie die war, in welche Kaschau und seine Genossinnen damals sich hin¬ eingedrängt sahen. Fordert das Geschick der Gemeinden die Theilnahme heraus, so auch das des Mannes, der damals an der Spitze Kaschan's stand, des Stadtrichters Johannes Bvcatius. Als im November 1605 Stephan Bocskay sich nach Ofen begab, um dort durch den Grvßvezier Lalla Mohamed förmlich mit der Herrschaft über Ober-Ungarn und Siebenbürgen belehnt zu werden, wurden auch die Vertreter der Städte und Kvmitate zu dieser Feier entboten. Als Vertreter Kaschan's reiste Bocatius mit zwei Begleitern nach Pest und wohnte dort im Gefolge Bocskay's dem Belehnungsakte bei (10. November).*) In derselben Eigenschaft begab er sich dann zum Landtage nach Karpfen (Komitat Sohl), wo die ungarischen Stände mit den kaiserlichen Kommissarien unterhandeln wollten. Indeß man kam zu keinem Schlüsse, vielmehr erklärten sich Bocskay und die Stände dafür, die Vermittelung der protestantischen Fürsten des teuschen Reiches anzurufen. Zum Träger dieses gefährlichen Auftrages^) ersah Bocskay den Johannes Bocatius, der schon vorher seine Gunst gewonnen hatte und sich ihm durch Gewandtheit und praktische Erfahrung empfehlen mochte, überdies ein Deutscher war. Bocatius nahm seinen Weg dnrch Polen, kam im Februar 1006 glücklich nach Heidelberg und entledigte sich am pfälzischen Hofe seines Auftrages, ohne indessen eine andere Antwort zu erhalten, als die, daß Kurpfalz mit den übrigen Kurfürsten sich über die Angelegenheit benehmen wolle. Als aber der ungarische Gesandte auf dem Wege nach Brandenburg und Sachsen braunschweigisches Gebiet erreicht hatte, ließ ihn der Rath von Nordheim auf ein kaiserliches Patent hin festnehmen und sein Gepäck versiegeln. Umsonst suchte Kurpfalz bei dem Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg seine Befreiung zu erwirken, umsonst freilich auch forderte der Kaiser seine Auslieferung, die der Herzog verweigerte, weil ihm des Bocatius Verbrechen unbekannt und er an die weltlichen Kurfürsten in Geschäften gesandt sei, die dem Kaiser keinen Nachtheil brächten. Aber als dieser Bescheid erfolgte, da hatte der Rath von Nordheim bereits auf direkten Befehl des Kaisers den Ge¬ fangenen nach Prag ausgeliefert (Ende April 1606). Alle Bitten, die seine Befreiung erwirken sollten, von Kurpfalz, von den ungarischen Gesandten in Wien, vom Landtage in Kaschau (Dezember 1606) wurden rundweg abgelehnt. Er hat darüber einem Freunde eingehend Bericht erstattet, gedruckt bei Bei, ^ä- MiÄtu« g-Z, nistoriiUll HrmMris,ö. »») Ueber diese vcrhcingnißvolle Mission s, Jsthv-inffy pag. 333. und die Briefe bei Ritter, Akten und Briefe zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges I. Grenzboten I. 1879. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/237>, abgerufen am 23.07.2024.