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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Kaum besser gestaltete sich das Schicksal derjenigen kaiserlich Gesinnten,
welche in Kaschau zurückgeblieben waren. Der Präsident der kaiserlichen
Kammer Nicolaus Micatius, Bischof von Groß-Wardein, wurde völlig ausge¬
plündert und in harter Haft gehalten, anch Georg Szalatuok, Bischof von
Fünfkirchen, gefangen gesetzt. Dem kaiserlichen Kriegszahlmeister für Ober-
Ungarn, Josef Gans, nahmen die Insurgenten alles kaiserliche Eigenthum an
Geld und Tuch ab, hielten ihn bis in den Februar 1605 fest und entließen
ihn erst gegen Zahlung von mehreren Tausend Thalern Lösegeld. Selbstver¬
ständlich unterlagen derselben Beschlagnahme die königlichen Kassen und das
Zeughaus mit seinen Waffenvorräthen; seine Geschütze verwandte dann Lippaj
zu der Belagerung des Zipser Schlosses. Auch katholische Einwohner von
Kaschau wurden geradezu geplündert oder zur Zahlung großer Summen ge¬
nöthigt, so der reiche italienische Großhändler Luechiui.

Das Alles war schon geschehen, als am 12. November Stephan Boeskay
selber mit glänzendem Gefolge und 10 Hajdukeugeschwadern in die Stadt ein¬
zog, von der Bürgerschaft unter ihrem Stadtrichter Johannes Boeatins vor
dem Thore empfangen und eingeholt, doch "mit betrübtem Herzen" von den
Deutschen; fortan wurde Kaschau seine ständige Residenz und sein militärischer
Hauptstützpunkt. Es sah deshalb auch kurz nach dem Einzuge seines nun¬
mehrigen Herrn mehrfach türkische Paschas in seinen Mauern, als Boeskay
am 19. November sei" Bündniß mit dem Sultan geschlossen hatte.

Sein Beispiel wirkte auch auf die Genossinnen des Fünfstädtebnndes und
andere deutsche Gemeinden. Schon am 31. Oktober hatte ein Manifest Lippaj's
sie zum Anschluß an den Aufstand aufgefordert; kurz darauf, am 10. November,
verpflichtete Küsmark sich durch Revers, zur Vertheidigung des Protestantismus
und der ungarische" Freiheiten beizutragen, wogegen Lippaj ihm die Erhaltung
seines Besitzes und seiner Privilegien zusagte und es mit Einquartierung zu
verschonen versprach. Mit schwerem Herzen, nur weil sie ohne Schutz gelassen
Ware", verständigten sich auch Eperies, Zehen, Bartfeld, Leutschau mit den
Jnsurgenten; das Geschütz des letzteren wirkte dann bei der Belagerung des
Zipser Schlosses mit.

Als aber nun der kaiserliche Oberfeldherr Graf Georg Basta von Gran
aus mit 15000 Mann heranzog und die Ungarn in zwei bedeutenden Treffen
am 14. und 28. November völlig schlug, da hielt zwar Kaschau eine kurze
Belagerung aus (2.-8. Dezember), Eperies aber, Bartfeld, Zehen und Leut¬
schau ergaben sich am 9. Dezember wieder an Basta, als dieser ihnen sreie
Ausübung der Augsburgischen Konfession für alle Zukunft, Bestätigung ihrer
Privilegien, Verzeihung für ihre" Anschluß an Boeskay, Schutz gegen feind¬
liche Angriffe und Verschönung mit Einquartierung zusicherte. Eine Deputation


Kaum besser gestaltete sich das Schicksal derjenigen kaiserlich Gesinnten,
welche in Kaschau zurückgeblieben waren. Der Präsident der kaiserlichen
Kammer Nicolaus Micatius, Bischof von Groß-Wardein, wurde völlig ausge¬
plündert und in harter Haft gehalten, anch Georg Szalatuok, Bischof von
Fünfkirchen, gefangen gesetzt. Dem kaiserlichen Kriegszahlmeister für Ober-
Ungarn, Josef Gans, nahmen die Insurgenten alles kaiserliche Eigenthum an
Geld und Tuch ab, hielten ihn bis in den Februar 1605 fest und entließen
ihn erst gegen Zahlung von mehreren Tausend Thalern Lösegeld. Selbstver¬
ständlich unterlagen derselben Beschlagnahme die königlichen Kassen und das
Zeughaus mit seinen Waffenvorräthen; seine Geschütze verwandte dann Lippaj
zu der Belagerung des Zipser Schlosses. Auch katholische Einwohner von
Kaschau wurden geradezu geplündert oder zur Zahlung großer Summen ge¬
nöthigt, so der reiche italienische Großhändler Luechiui.

Das Alles war schon geschehen, als am 12. November Stephan Boeskay
selber mit glänzendem Gefolge und 10 Hajdukeugeschwadern in die Stadt ein¬
zog, von der Bürgerschaft unter ihrem Stadtrichter Johannes Boeatins vor
dem Thore empfangen und eingeholt, doch „mit betrübtem Herzen" von den
Deutschen; fortan wurde Kaschau seine ständige Residenz und sein militärischer
Hauptstützpunkt. Es sah deshalb auch kurz nach dem Einzuge seines nun¬
mehrigen Herrn mehrfach türkische Paschas in seinen Mauern, als Boeskay
am 19. November sei» Bündniß mit dem Sultan geschlossen hatte.

Sein Beispiel wirkte auch auf die Genossinnen des Fünfstädtebnndes und
andere deutsche Gemeinden. Schon am 31. Oktober hatte ein Manifest Lippaj's
sie zum Anschluß an den Aufstand aufgefordert; kurz darauf, am 10. November,
verpflichtete Küsmark sich durch Revers, zur Vertheidigung des Protestantismus
und der ungarische» Freiheiten beizutragen, wogegen Lippaj ihm die Erhaltung
seines Besitzes und seiner Privilegien zusagte und es mit Einquartierung zu
verschonen versprach. Mit schwerem Herzen, nur weil sie ohne Schutz gelassen
Ware», verständigten sich auch Eperies, Zehen, Bartfeld, Leutschau mit den
Jnsurgenten; das Geschütz des letzteren wirkte dann bei der Belagerung des
Zipser Schlosses mit.

Als aber nun der kaiserliche Oberfeldherr Graf Georg Basta von Gran
aus mit 15000 Mann heranzog und die Ungarn in zwei bedeutenden Treffen
am 14. und 28. November völlig schlug, da hielt zwar Kaschau eine kurze
Belagerung aus (2.-8. Dezember), Eperies aber, Bartfeld, Zehen und Leut¬
schau ergaben sich am 9. Dezember wieder an Basta, als dieser ihnen sreie
Ausübung der Augsburgischen Konfession für alle Zukunft, Bestätigung ihrer
Privilegien, Verzeihung für ihre» Anschluß an Boeskay, Schutz gegen feind¬
liche Angriffe und Verschönung mit Einquartierung zusicherte. Eine Deputation


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[0235] Kaum besser gestaltete sich das Schicksal derjenigen kaiserlich Gesinnten, welche in Kaschau zurückgeblieben waren. Der Präsident der kaiserlichen Kammer Nicolaus Micatius, Bischof von Groß-Wardein, wurde völlig ausge¬ plündert und in harter Haft gehalten, anch Georg Szalatuok, Bischof von Fünfkirchen, gefangen gesetzt. Dem kaiserlichen Kriegszahlmeister für Ober- Ungarn, Josef Gans, nahmen die Insurgenten alles kaiserliche Eigenthum an Geld und Tuch ab, hielten ihn bis in den Februar 1605 fest und entließen ihn erst gegen Zahlung von mehreren Tausend Thalern Lösegeld. Selbstver¬ ständlich unterlagen derselben Beschlagnahme die königlichen Kassen und das Zeughaus mit seinen Waffenvorräthen; seine Geschütze verwandte dann Lippaj zu der Belagerung des Zipser Schlosses. Auch katholische Einwohner von Kaschau wurden geradezu geplündert oder zur Zahlung großer Summen ge¬ nöthigt, so der reiche italienische Großhändler Luechiui. Das Alles war schon geschehen, als am 12. November Stephan Boeskay selber mit glänzendem Gefolge und 10 Hajdukeugeschwadern in die Stadt ein¬ zog, von der Bürgerschaft unter ihrem Stadtrichter Johannes Boeatins vor dem Thore empfangen und eingeholt, doch „mit betrübtem Herzen" von den Deutschen; fortan wurde Kaschau seine ständige Residenz und sein militärischer Hauptstützpunkt. Es sah deshalb auch kurz nach dem Einzuge seines nun¬ mehrigen Herrn mehrfach türkische Paschas in seinen Mauern, als Boeskay am 19. November sei» Bündniß mit dem Sultan geschlossen hatte. Sein Beispiel wirkte auch auf die Genossinnen des Fünfstädtebnndes und andere deutsche Gemeinden. Schon am 31. Oktober hatte ein Manifest Lippaj's sie zum Anschluß an den Aufstand aufgefordert; kurz darauf, am 10. November, verpflichtete Küsmark sich durch Revers, zur Vertheidigung des Protestantismus und der ungarische» Freiheiten beizutragen, wogegen Lippaj ihm die Erhaltung seines Besitzes und seiner Privilegien zusagte und es mit Einquartierung zu verschonen versprach. Mit schwerem Herzen, nur weil sie ohne Schutz gelassen Ware», verständigten sich auch Eperies, Zehen, Bartfeld, Leutschau mit den Jnsurgenten; das Geschütz des letzteren wirkte dann bei der Belagerung des Zipser Schlosses mit. Als aber nun der kaiserliche Oberfeldherr Graf Georg Basta von Gran aus mit 15000 Mann heranzog und die Ungarn in zwei bedeutenden Treffen am 14. und 28. November völlig schlug, da hielt zwar Kaschau eine kurze Belagerung aus (2.-8. Dezember), Eperies aber, Bartfeld, Zehen und Leut¬ schau ergaben sich am 9. Dezember wieder an Basta, als dieser ihnen sreie Ausübung der Augsburgischen Konfession für alle Zukunft, Bestätigung ihrer Privilegien, Verzeihung für ihre» Anschluß an Boeskay, Schutz gegen feind¬ liche Angriffe und Verschönung mit Einquartierung zusicherte. Eine Deputation

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/235>, abgerufen am 23.07.2024.