Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn die Stadt nicht feindlicher Behandlung von dieser Seite sich aus¬
setzen wollte, so blieb jetzt nichts anderes übrig, als mit den Rebellen in Be¬
ziehung zu treten, um womöglich die Anerkennung ihrer Neutralität durchzu¬
setzen. Es war natürlich, daß diese Unterhandlungen wesentlich magyarischen
Bürgern zufielen. Ein solcher war es, der am frühen Morgen des 28. Oktober
dem Jnsurgeutenführer zugesendet wurde mit einem Schreiben des Raths, das
ihn bat, Kaschan nicht anzugreifen, da es sich mit den kaiserlichen Behörden
verglichen habe. Begreiflicherweise lehnte Lippaj diese Bitte ab, indem er in
seiner schriftlichen Antwort betonte, die Nachgiebigkeit der Kaiserlichen ver¬
danke die Stadt lediglich seinem Anmärsche; wolle sie nicht zum Laude halten,
so werde er sie feindlich behandeln. Obwohl nun dies Schreiben nicht wie
bräuchlich an den Richter und den Rath sich wandte, sondern an die "gemeine
Bürgerschaft", offenbar, weil Lippaj auf diese eher zu wirken meinte, als auf
jene, so übergab doch der Unterhändler am nächsten Tage (29. Oktober) es dem
Rathe, allerdings im Beisein der Gemeinde. Darauf hin schickte die Stadt um
Mittag eine zweite Deputation, von Rathswegen Stephan Hertzog und Melchior
Renner, außerdem zwei Vertreter der Gemeinde an Lippaj, um ihm ein nam¬
haftes Geschenk anzubieten, wenn er die Stadt schöne. Der Ungar ging jedoch
darauf weiter nicht ein, fondern ließ durch die Deputirten, die noch am selben
Tage zurückkehrten, melden, er werde sicher mit seiner ganzen Macht vor Kaschau
erscheinen. Dasselbe erklärte von ihm direkt abgesendet Peter Horvät Mlades-
sovics, ein Edelmann der Nachbarschaft, der sich den Insurgenten, wie wenigstens
behauptet wurde, gezwungen angeschlossen hatte. Er fügte hinzu: Lippaj begehre
nur mit 300 Mann in die Stadt eingelassen zu werden und wünsche mit einer
Deputation darüber zu verhandeln. Der Rath sah, die Neutralität werde
schwerlich festzuhalten sein, doch versuchte er noch, sich dem Insurgenten möglichst
zu entwinden und sandte ihm durch eine dritte Abordnung, an deren Spitze
Georg Zabo und der ungarische Prediger Vedany standen, die Bitte, die Stadt
damit zu verschonen; doch sei sie bereit, ihn persönlich mit 20--30 Mann ein¬
zulassen. Gegen Abend schon kamen die Abgesandten mit seinen schriftlich for-
mulirten Bedingungen zurück, auf die er Autwort bis zum nächsten Morgen
verlangte.

So drängte von draußen der Feind, und drinnen in der Stadt mehrten
sich die verdächtigen Anzeichen. Schon am Morgen des 28. hatte Lassota
erfahren, die Ungarn in der Stadt wollten alle deutscheu Soldaten und Bürger
niederhauen; indeß hatte Renner, dem er dies zur Warnung mittheilte, darauf
weiter kein Gewicht gelegt, da seit der Zurückgabe der Kirchen die brüderliche
Eintracht hergestellt sei. Auch hatte dann am Nachmittage des 29. die un-


Wenn die Stadt nicht feindlicher Behandlung von dieser Seite sich aus¬
setzen wollte, so blieb jetzt nichts anderes übrig, als mit den Rebellen in Be¬
ziehung zu treten, um womöglich die Anerkennung ihrer Neutralität durchzu¬
setzen. Es war natürlich, daß diese Unterhandlungen wesentlich magyarischen
Bürgern zufielen. Ein solcher war es, der am frühen Morgen des 28. Oktober
dem Jnsurgeutenführer zugesendet wurde mit einem Schreiben des Raths, das
ihn bat, Kaschan nicht anzugreifen, da es sich mit den kaiserlichen Behörden
verglichen habe. Begreiflicherweise lehnte Lippaj diese Bitte ab, indem er in
seiner schriftlichen Antwort betonte, die Nachgiebigkeit der Kaiserlichen ver¬
danke die Stadt lediglich seinem Anmärsche; wolle sie nicht zum Laude halten,
so werde er sie feindlich behandeln. Obwohl nun dies Schreiben nicht wie
bräuchlich an den Richter und den Rath sich wandte, sondern an die „gemeine
Bürgerschaft", offenbar, weil Lippaj auf diese eher zu wirken meinte, als auf
jene, so übergab doch der Unterhändler am nächsten Tage (29. Oktober) es dem
Rathe, allerdings im Beisein der Gemeinde. Darauf hin schickte die Stadt um
Mittag eine zweite Deputation, von Rathswegen Stephan Hertzog und Melchior
Renner, außerdem zwei Vertreter der Gemeinde an Lippaj, um ihm ein nam¬
haftes Geschenk anzubieten, wenn er die Stadt schöne. Der Ungar ging jedoch
darauf weiter nicht ein, fondern ließ durch die Deputirten, die noch am selben
Tage zurückkehrten, melden, er werde sicher mit seiner ganzen Macht vor Kaschau
erscheinen. Dasselbe erklärte von ihm direkt abgesendet Peter Horvät Mlades-
sovics, ein Edelmann der Nachbarschaft, der sich den Insurgenten, wie wenigstens
behauptet wurde, gezwungen angeschlossen hatte. Er fügte hinzu: Lippaj begehre
nur mit 300 Mann in die Stadt eingelassen zu werden und wünsche mit einer
Deputation darüber zu verhandeln. Der Rath sah, die Neutralität werde
schwerlich festzuhalten sein, doch versuchte er noch, sich dem Insurgenten möglichst
zu entwinden und sandte ihm durch eine dritte Abordnung, an deren Spitze
Georg Zabo und der ungarische Prediger Vedany standen, die Bitte, die Stadt
damit zu verschonen; doch sei sie bereit, ihn persönlich mit 20—30 Mann ein¬
zulassen. Gegen Abend schon kamen die Abgesandten mit seinen schriftlich for-
mulirten Bedingungen zurück, auf die er Autwort bis zum nächsten Morgen
verlangte.

So drängte von draußen der Feind, und drinnen in der Stadt mehrten
sich die verdächtigen Anzeichen. Schon am Morgen des 28. hatte Lassota
erfahren, die Ungarn in der Stadt wollten alle deutscheu Soldaten und Bürger
niederhauen; indeß hatte Renner, dem er dies zur Warnung mittheilte, darauf
weiter kein Gewicht gelegt, da seit der Zurückgabe der Kirchen die brüderliche
Eintracht hergestellt sei. Auch hatte dann am Nachmittage des 29. die un-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141643"/>
          <p xml:id="ID_693"> Wenn die Stadt nicht feindlicher Behandlung von dieser Seite sich aus¬<lb/>
setzen wollte, so blieb jetzt nichts anderes übrig, als mit den Rebellen in Be¬<lb/>
ziehung zu treten, um womöglich die Anerkennung ihrer Neutralität durchzu¬<lb/>
setzen. Es war natürlich, daß diese Unterhandlungen wesentlich magyarischen<lb/>
Bürgern zufielen. Ein solcher war es, der am frühen Morgen des 28. Oktober<lb/>
dem Jnsurgeutenführer zugesendet wurde mit einem Schreiben des Raths, das<lb/>
ihn bat, Kaschan nicht anzugreifen, da es sich mit den kaiserlichen Behörden<lb/>
verglichen habe. Begreiflicherweise lehnte Lippaj diese Bitte ab, indem er in<lb/>
seiner schriftlichen Antwort betonte, die Nachgiebigkeit der Kaiserlichen ver¬<lb/>
danke die Stadt lediglich seinem Anmärsche; wolle sie nicht zum Laude halten,<lb/>
so werde er sie feindlich behandeln. Obwohl nun dies Schreiben nicht wie<lb/>
bräuchlich an den Richter und den Rath sich wandte, sondern an die &#x201E;gemeine<lb/>
Bürgerschaft", offenbar, weil Lippaj auf diese eher zu wirken meinte, als auf<lb/>
jene, so übergab doch der Unterhändler am nächsten Tage (29. Oktober) es dem<lb/>
Rathe, allerdings im Beisein der Gemeinde. Darauf hin schickte die Stadt um<lb/>
Mittag eine zweite Deputation, von Rathswegen Stephan Hertzog und Melchior<lb/>
Renner, außerdem zwei Vertreter der Gemeinde an Lippaj, um ihm ein nam¬<lb/>
haftes Geschenk anzubieten, wenn er die Stadt schöne. Der Ungar ging jedoch<lb/>
darauf weiter nicht ein, fondern ließ durch die Deputirten, die noch am selben<lb/>
Tage zurückkehrten, melden, er werde sicher mit seiner ganzen Macht vor Kaschau<lb/>
erscheinen. Dasselbe erklärte von ihm direkt abgesendet Peter Horvät Mlades-<lb/>
sovics, ein Edelmann der Nachbarschaft, der sich den Insurgenten, wie wenigstens<lb/>
behauptet wurde, gezwungen angeschlossen hatte. Er fügte hinzu: Lippaj begehre<lb/>
nur mit 300 Mann in die Stadt eingelassen zu werden und wünsche mit einer<lb/>
Deputation darüber zu verhandeln. Der Rath sah, die Neutralität werde<lb/>
schwerlich festzuhalten sein, doch versuchte er noch, sich dem Insurgenten möglichst<lb/>
zu entwinden und sandte ihm durch eine dritte Abordnung, an deren Spitze<lb/>
Georg Zabo und der ungarische Prediger Vedany standen, die Bitte, die Stadt<lb/>
damit zu verschonen; doch sei sie bereit, ihn persönlich mit 20&#x2014;30 Mann ein¬<lb/>
zulassen. Gegen Abend schon kamen die Abgesandten mit seinen schriftlich for-<lb/>
mulirten Bedingungen zurück, auf die er Autwort bis zum nächsten Morgen<lb/>
verlangte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_694" next="#ID_695"> So drängte von draußen der Feind, und drinnen in der Stadt mehrten<lb/>
sich die verdächtigen Anzeichen. Schon am Morgen des 28. hatte Lassota<lb/>
erfahren, die Ungarn in der Stadt wollten alle deutscheu Soldaten und Bürger<lb/>
niederhauen; indeß hatte Renner, dem er dies zur Warnung mittheilte, darauf<lb/>
weiter kein Gewicht gelegt, da seit der Zurückgabe der Kirchen die brüderliche<lb/>
Eintracht hergestellt sei. Auch hatte dann am Nachmittage des 29. die un-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0232] Wenn die Stadt nicht feindlicher Behandlung von dieser Seite sich aus¬ setzen wollte, so blieb jetzt nichts anderes übrig, als mit den Rebellen in Be¬ ziehung zu treten, um womöglich die Anerkennung ihrer Neutralität durchzu¬ setzen. Es war natürlich, daß diese Unterhandlungen wesentlich magyarischen Bürgern zufielen. Ein solcher war es, der am frühen Morgen des 28. Oktober dem Jnsurgeutenführer zugesendet wurde mit einem Schreiben des Raths, das ihn bat, Kaschan nicht anzugreifen, da es sich mit den kaiserlichen Behörden verglichen habe. Begreiflicherweise lehnte Lippaj diese Bitte ab, indem er in seiner schriftlichen Antwort betonte, die Nachgiebigkeit der Kaiserlichen ver¬ danke die Stadt lediglich seinem Anmärsche; wolle sie nicht zum Laude halten, so werde er sie feindlich behandeln. Obwohl nun dies Schreiben nicht wie bräuchlich an den Richter und den Rath sich wandte, sondern an die „gemeine Bürgerschaft", offenbar, weil Lippaj auf diese eher zu wirken meinte, als auf jene, so übergab doch der Unterhändler am nächsten Tage (29. Oktober) es dem Rathe, allerdings im Beisein der Gemeinde. Darauf hin schickte die Stadt um Mittag eine zweite Deputation, von Rathswegen Stephan Hertzog und Melchior Renner, außerdem zwei Vertreter der Gemeinde an Lippaj, um ihm ein nam¬ haftes Geschenk anzubieten, wenn er die Stadt schöne. Der Ungar ging jedoch darauf weiter nicht ein, fondern ließ durch die Deputirten, die noch am selben Tage zurückkehrten, melden, er werde sicher mit seiner ganzen Macht vor Kaschau erscheinen. Dasselbe erklärte von ihm direkt abgesendet Peter Horvät Mlades- sovics, ein Edelmann der Nachbarschaft, der sich den Insurgenten, wie wenigstens behauptet wurde, gezwungen angeschlossen hatte. Er fügte hinzu: Lippaj begehre nur mit 300 Mann in die Stadt eingelassen zu werden und wünsche mit einer Deputation darüber zu verhandeln. Der Rath sah, die Neutralität werde schwerlich festzuhalten sein, doch versuchte er noch, sich dem Insurgenten möglichst zu entwinden und sandte ihm durch eine dritte Abordnung, an deren Spitze Georg Zabo und der ungarische Prediger Vedany standen, die Bitte, die Stadt damit zu verschonen; doch sei sie bereit, ihn persönlich mit 20—30 Mann ein¬ zulassen. Gegen Abend schon kamen die Abgesandten mit seinen schriftlich for- mulirten Bedingungen zurück, auf die er Autwort bis zum nächsten Morgen verlangte. So drängte von draußen der Feind, und drinnen in der Stadt mehrten sich die verdächtigen Anzeichen. Schon am Morgen des 28. hatte Lassota erfahren, die Ungarn in der Stadt wollten alle deutscheu Soldaten und Bürger niederhauen; indeß hatte Renner, dem er dies zur Warnung mittheilte, darauf weiter kein Gewicht gelegt, da seit der Zurückgabe der Kirchen die brüderliche Eintracht hergestellt sei. Auch hatte dann am Nachmittage des 29. die un-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/232
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/232>, abgerufen am 26.08.2024.