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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Belgiojoso verkannte diese Sachlage keineswegs. Wenn er Kaschau nicht
zu behaupten vermochte, so war Ober-Ungarn kaum zu halten, und er ver¬
mochte es nur mit dem guten Willen der Bevölkerung. Von Tokaj aus, wo
er am 24. Oktober angekommen war, sandte er deshalb eiligst den Obersten
Melchior von Rottwitz, der das bei Adorian schwer mitgenommene schlesische
Reiterregiment kommandirte, nach Kaschau voraus, um in Gemeinschaft mit
dem daselbst stationirten kaiserlichen Mustermeister Erich Lassota dem Rathe
anzukündigen, der General wolle mit seinen Truppen, nämlich 13 walloni¬
schen Kompagnien unter Graf Thomas Capreola, den vier Arkebusiergeschwadern,
dem Reste des schlesischen Regiments und seiner eignen wallonischen Kompagnie
sich in die Stadt werfen und dort den Feind erwarten. Aber in richtiger Beur¬
theilung der daselbst herrschenden Stimmung war Rottwitz mit Vollmacht
versehen, dem Rathe eventuell die Einräumung der kleinen (ungarischen) und
wenn nöthig selbst der großen Kirche sowie die Rückgabe der konfiszirtem Stadt¬
güter zuzusichern. Erst am Morgen des 26. Oktober in die Stadt eingelassen
setzte sich Rottwitz zunächst mit Lassota in Verbindung, und da dieser krank
war, wohl auch wenig Neigung hatte, die jedenfalls unerquickliche Verhandlung
zu führen, so übertrug er sie Rottwitz und dem Kommandanten der Besatzung,
Hauptmann Duckart. Auf ihr Begehren wurde sofort durch den Richter Jo¬
hannes Bocatius der gesammte Rath auf das Rathhaus entboten, eben als die
Nachricht einlief, daß die Insurgenten schon die Theiß überschritten hätten und
bei Szanto (etwa zwei Tagemarsche südlich von Kaschau) stünden. Der schle¬
sische Oberst schilderte nun zunächst den Ausbruch der Empörung und die Größe
der Gefahr, kündigte darauf die Absicht seines Chefs an, "er wolle sich sambt
seinem Kriegsvolk daselbst hinbegeben, die Spanschasten ufmahnen und allen
Fleiß fürwenden, damit dies Feuer je bälder je besser gedempft werde" und
forderte die Stadt zur Treue auf. Was nun der Rath auf dies Ansinnen
antwortete, das konnte sür Rottwitz schwerlich unerwartet kommen. Er wei¬
gerte sich rundweg, die kaiserlichen Truppen aufzunehmen. Es mangle an
Proviant, da Belgiojoso ja alle städtischen Landgüter, Mühlen und Vorräthe


Schreibung aller Kriegsempörungen n, s. w. in Ober- und Unter-Ungarn, Nürnberg 1607,
neu herausgegeben und weiter geführt bis 1665 von M- Mayer, Nürnberg 166S) und
Melchior von Rottwitz, kaiserl. Oberst der schlesischen Reiter, in einer Relation an den
Kaiser, dat. Prag 24. Februar 1606, Original im k, Sachs, Hauptstaatsarchiv (Rottwitz wurde
damals persönlich nach Dresden geschickt, um über den ungarischen Aufstand zu referiren).
Beider Berichte stammen also von Augenzeugen, die an hervorragender Stelle thätig waren,
beide übrigens der katholischen Partei angehören. Beide melden wesentlich nur das, was
sie selbst angeht, so daß ihre Erzählungen sich ergänzen, aber Rottwitz schildert nur die
Vorgänge bis zum 27. Oktober, Lassota die des ganzen Zeitraums und zwar in genauer
chronologischer Ordnung,

Belgiojoso verkannte diese Sachlage keineswegs. Wenn er Kaschau nicht
zu behaupten vermochte, so war Ober-Ungarn kaum zu halten, und er ver¬
mochte es nur mit dem guten Willen der Bevölkerung. Von Tokaj aus, wo
er am 24. Oktober angekommen war, sandte er deshalb eiligst den Obersten
Melchior von Rottwitz, der das bei Adorian schwer mitgenommene schlesische
Reiterregiment kommandirte, nach Kaschau voraus, um in Gemeinschaft mit
dem daselbst stationirten kaiserlichen Mustermeister Erich Lassota dem Rathe
anzukündigen, der General wolle mit seinen Truppen, nämlich 13 walloni¬
schen Kompagnien unter Graf Thomas Capreola, den vier Arkebusiergeschwadern,
dem Reste des schlesischen Regiments und seiner eignen wallonischen Kompagnie
sich in die Stadt werfen und dort den Feind erwarten. Aber in richtiger Beur¬
theilung der daselbst herrschenden Stimmung war Rottwitz mit Vollmacht
versehen, dem Rathe eventuell die Einräumung der kleinen (ungarischen) und
wenn nöthig selbst der großen Kirche sowie die Rückgabe der konfiszirtem Stadt¬
güter zuzusichern. Erst am Morgen des 26. Oktober in die Stadt eingelassen
setzte sich Rottwitz zunächst mit Lassota in Verbindung, und da dieser krank
war, wohl auch wenig Neigung hatte, die jedenfalls unerquickliche Verhandlung
zu führen, so übertrug er sie Rottwitz und dem Kommandanten der Besatzung,
Hauptmann Duckart. Auf ihr Begehren wurde sofort durch den Richter Jo¬
hannes Bocatius der gesammte Rath auf das Rathhaus entboten, eben als die
Nachricht einlief, daß die Insurgenten schon die Theiß überschritten hätten und
bei Szanto (etwa zwei Tagemarsche südlich von Kaschau) stünden. Der schle¬
sische Oberst schilderte nun zunächst den Ausbruch der Empörung und die Größe
der Gefahr, kündigte darauf die Absicht seines Chefs an, „er wolle sich sambt
seinem Kriegsvolk daselbst hinbegeben, die Spanschasten ufmahnen und allen
Fleiß fürwenden, damit dies Feuer je bälder je besser gedempft werde" und
forderte die Stadt zur Treue auf. Was nun der Rath auf dies Ansinnen
antwortete, das konnte sür Rottwitz schwerlich unerwartet kommen. Er wei¬
gerte sich rundweg, die kaiserlichen Truppen aufzunehmen. Es mangle an
Proviant, da Belgiojoso ja alle städtischen Landgüter, Mühlen und Vorräthe


Schreibung aller Kriegsempörungen n, s. w. in Ober- und Unter-Ungarn, Nürnberg 1607,
neu herausgegeben und weiter geführt bis 1665 von M- Mayer, Nürnberg 166S) und
Melchior von Rottwitz, kaiserl. Oberst der schlesischen Reiter, in einer Relation an den
Kaiser, dat. Prag 24. Februar 1606, Original im k, Sachs, Hauptstaatsarchiv (Rottwitz wurde
damals persönlich nach Dresden geschickt, um über den ungarischen Aufstand zu referiren).
Beider Berichte stammen also von Augenzeugen, die an hervorragender Stelle thätig waren,
beide übrigens der katholischen Partei angehören. Beide melden wesentlich nur das, was
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Vorgänge bis zum 27. Oktober, Lassota die des ganzen Zeitraums und zwar in genauer
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[0228] Belgiojoso verkannte diese Sachlage keineswegs. Wenn er Kaschau nicht zu behaupten vermochte, so war Ober-Ungarn kaum zu halten, und er ver¬ mochte es nur mit dem guten Willen der Bevölkerung. Von Tokaj aus, wo er am 24. Oktober angekommen war, sandte er deshalb eiligst den Obersten Melchior von Rottwitz, der das bei Adorian schwer mitgenommene schlesische Reiterregiment kommandirte, nach Kaschau voraus, um in Gemeinschaft mit dem daselbst stationirten kaiserlichen Mustermeister Erich Lassota dem Rathe anzukündigen, der General wolle mit seinen Truppen, nämlich 13 walloni¬ schen Kompagnien unter Graf Thomas Capreola, den vier Arkebusiergeschwadern, dem Reste des schlesischen Regiments und seiner eignen wallonischen Kompagnie sich in die Stadt werfen und dort den Feind erwarten. Aber in richtiger Beur¬ theilung der daselbst herrschenden Stimmung war Rottwitz mit Vollmacht versehen, dem Rathe eventuell die Einräumung der kleinen (ungarischen) und wenn nöthig selbst der großen Kirche sowie die Rückgabe der konfiszirtem Stadt¬ güter zuzusichern. Erst am Morgen des 26. Oktober in die Stadt eingelassen setzte sich Rottwitz zunächst mit Lassota in Verbindung, und da dieser krank war, wohl auch wenig Neigung hatte, die jedenfalls unerquickliche Verhandlung zu führen, so übertrug er sie Rottwitz und dem Kommandanten der Besatzung, Hauptmann Duckart. Auf ihr Begehren wurde sofort durch den Richter Jo¬ hannes Bocatius der gesammte Rath auf das Rathhaus entboten, eben als die Nachricht einlief, daß die Insurgenten schon die Theiß überschritten hätten und bei Szanto (etwa zwei Tagemarsche südlich von Kaschau) stünden. Der schle¬ sische Oberst schilderte nun zunächst den Ausbruch der Empörung und die Größe der Gefahr, kündigte darauf die Absicht seines Chefs an, „er wolle sich sambt seinem Kriegsvolk daselbst hinbegeben, die Spanschasten ufmahnen und allen Fleiß fürwenden, damit dies Feuer je bälder je besser gedempft werde" und forderte die Stadt zur Treue auf. Was nun der Rath auf dies Ansinnen antwortete, das konnte sür Rottwitz schwerlich unerwartet kommen. Er wei¬ gerte sich rundweg, die kaiserlichen Truppen aufzunehmen. Es mangle an Proviant, da Belgiojoso ja alle städtischen Landgüter, Mühlen und Vorräthe Schreibung aller Kriegsempörungen n, s. w. in Ober- und Unter-Ungarn, Nürnberg 1607, neu herausgegeben und weiter geführt bis 1665 von M- Mayer, Nürnberg 166S) und Melchior von Rottwitz, kaiserl. Oberst der schlesischen Reiter, in einer Relation an den Kaiser, dat. Prag 24. Februar 1606, Original im k, Sachs, Hauptstaatsarchiv (Rottwitz wurde damals persönlich nach Dresden geschickt, um über den ungarischen Aufstand zu referiren). Beider Berichte stammen also von Augenzeugen, die an hervorragender Stelle thätig waren, beide übrigens der katholischen Partei angehören. Beide melden wesentlich nur das, was sie selbst angeht, so daß ihre Erzählungen sich ergänzen, aber Rottwitz schildert nur die Vorgänge bis zum 27. Oktober, Lassota die des ganzen Zeitraums und zwar in genauer chronologischer Ordnung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/228>, abgerufen am 24.07.2024.