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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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halb um Verzeihung. Sicherlich kann ich ihnen versprechen Gewissenhaftigkeit
in der Arbeit, Redlichkeit in den Urtheilen, ununterbrochene Rücksicht gegen die
Wahrheit. Das ist es, was mir erlaubt, mit vollem Vertrauen an die Arbeit
zu gehen und die Leser einzuladen, mit mir diese wohlthätige Erde zu studiren,
sie, die uns alle trägt, und auf der es so schön wäre, als Brüder zu leben."




Aus der Türken-
und Zesuitenzeit einer deutsch-ungarischen Stadt.
Otto Kaemmel. Von II.

Was Kaschau bis dahin nicht durch Verhandlungen erlangt hatte und
schwerlich jemals erlangt haben würde, das sollte es noch vor Ende des Jahres
1604 durch den Aufstand Stephan Bocskay's erringen, freilich um hohen
Preis.

Am 15. Oktober war in blutigem Kampfe, wie schon erwühut, ein deutsches
Reiterregiment unter Oberst Petz bei Adorian von den Aufständischen fast auf¬
gerieben und damit die Erhebung glücklich begonnen worden. Wie ein reißender
Strom fortwährend anschwellend wälzte sich die Empörung der oberen Theiß
zu. Außer Stande sie aufzuhalten wich Belgivjoso mit seinen Truppen nord¬
wärts zurück und erreichte glücklich den Flnßübergang bei Tokaj. Aber er
vermochte sich nnr zu behaupten, wenn Kaschau ihm einen Halt gewährte.
Vor den festen Mauern der Stadt würden wahrscheinlich die nur locker
gefügten Haufen Bocskay's zerstoben sein. An Kaschau also hing das Geschick
des Aufstandes.

Aber über Kaschau verfügte in diesem Momente nicht der Wille Belgio-
joso's, der sich vom Ausbruche der Insurrektion so vollständig hatte überraschen
lassen, daß in der Stadt nur die gewöhnliche schwache Besatzung lag, sondern
der freie Entschluß der Bürgerschaft, die der kaiserliche General Monate lang
beraubt, bedroht und mißhandelt hatte.*)



*) Ueber das Folgende berichten: Erich Lassota in einer ausführlichen Denkschrift:
Glaubwürdiger Bericht, was sich mit Herrn Erleben Lassota, Rom, Keys. Majest, Rath, ge-
wesnen Mustermeister zu Caschaw in Ober-Ungarn, vom 24. October a. 1604 biß auf den
11. Novembris daselbst zugetragen (gedruckt bei Ortelius, Chronoivgia oder histor. Be-

halb um Verzeihung. Sicherlich kann ich ihnen versprechen Gewissenhaftigkeit
in der Arbeit, Redlichkeit in den Urtheilen, ununterbrochene Rücksicht gegen die
Wahrheit. Das ist es, was mir erlaubt, mit vollem Vertrauen an die Arbeit
zu gehen und die Leser einzuladen, mit mir diese wohlthätige Erde zu studiren,
sie, die uns alle trägt, und auf der es so schön wäre, als Brüder zu leben."




Aus der Türken-
und Zesuitenzeit einer deutsch-ungarischen Stadt.
Otto Kaemmel. Von II.

Was Kaschau bis dahin nicht durch Verhandlungen erlangt hatte und
schwerlich jemals erlangt haben würde, das sollte es noch vor Ende des Jahres
1604 durch den Aufstand Stephan Bocskay's erringen, freilich um hohen
Preis.

Am 15. Oktober war in blutigem Kampfe, wie schon erwühut, ein deutsches
Reiterregiment unter Oberst Petz bei Adorian von den Aufständischen fast auf¬
gerieben und damit die Erhebung glücklich begonnen worden. Wie ein reißender
Strom fortwährend anschwellend wälzte sich die Empörung der oberen Theiß
zu. Außer Stande sie aufzuhalten wich Belgivjoso mit seinen Truppen nord¬
wärts zurück und erreichte glücklich den Flnßübergang bei Tokaj. Aber er
vermochte sich nnr zu behaupten, wenn Kaschau ihm einen Halt gewährte.
Vor den festen Mauern der Stadt würden wahrscheinlich die nur locker
gefügten Haufen Bocskay's zerstoben sein. An Kaschau also hing das Geschick
des Aufstandes.

Aber über Kaschau verfügte in diesem Momente nicht der Wille Belgio-
joso's, der sich vom Ausbruche der Insurrektion so vollständig hatte überraschen
lassen, daß in der Stadt nur die gewöhnliche schwache Besatzung lag, sondern
der freie Entschluß der Bürgerschaft, die der kaiserliche General Monate lang
beraubt, bedroht und mißhandelt hatte.*)



*) Ueber das Folgende berichten: Erich Lassota in einer ausführlichen Denkschrift:
Glaubwürdiger Bericht, was sich mit Herrn Erleben Lassota, Rom, Keys. Majest, Rath, ge-
wesnen Mustermeister zu Caschaw in Ober-Ungarn, vom 24. October a. 1604 biß auf den
11. Novembris daselbst zugetragen (gedruckt bei Ortelius, Chronoivgia oder histor. Be-
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[0227] halb um Verzeihung. Sicherlich kann ich ihnen versprechen Gewissenhaftigkeit in der Arbeit, Redlichkeit in den Urtheilen, ununterbrochene Rücksicht gegen die Wahrheit. Das ist es, was mir erlaubt, mit vollem Vertrauen an die Arbeit zu gehen und die Leser einzuladen, mit mir diese wohlthätige Erde zu studiren, sie, die uns alle trägt, und auf der es so schön wäre, als Brüder zu leben." Aus der Türken- und Zesuitenzeit einer deutsch-ungarischen Stadt. Otto Kaemmel. Von II. Was Kaschau bis dahin nicht durch Verhandlungen erlangt hatte und schwerlich jemals erlangt haben würde, das sollte es noch vor Ende des Jahres 1604 durch den Aufstand Stephan Bocskay's erringen, freilich um hohen Preis. Am 15. Oktober war in blutigem Kampfe, wie schon erwühut, ein deutsches Reiterregiment unter Oberst Petz bei Adorian von den Aufständischen fast auf¬ gerieben und damit die Erhebung glücklich begonnen worden. Wie ein reißender Strom fortwährend anschwellend wälzte sich die Empörung der oberen Theiß zu. Außer Stande sie aufzuhalten wich Belgivjoso mit seinen Truppen nord¬ wärts zurück und erreichte glücklich den Flnßübergang bei Tokaj. Aber er vermochte sich nnr zu behaupten, wenn Kaschau ihm einen Halt gewährte. Vor den festen Mauern der Stadt würden wahrscheinlich die nur locker gefügten Haufen Bocskay's zerstoben sein. An Kaschau also hing das Geschick des Aufstandes. Aber über Kaschau verfügte in diesem Momente nicht der Wille Belgio- joso's, der sich vom Ausbruche der Insurrektion so vollständig hatte überraschen lassen, daß in der Stadt nur die gewöhnliche schwache Besatzung lag, sondern der freie Entschluß der Bürgerschaft, die der kaiserliche General Monate lang beraubt, bedroht und mißhandelt hatte.*) *) Ueber das Folgende berichten: Erich Lassota in einer ausführlichen Denkschrift: Glaubwürdiger Bericht, was sich mit Herrn Erleben Lassota, Rom, Keys. Majest, Rath, ge- wesnen Mustermeister zu Caschaw in Ober-Ungarn, vom 24. October a. 1604 biß auf den 11. Novembris daselbst zugetragen (gedruckt bei Ortelius, Chronoivgia oder histor. Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/227>, abgerufen am 24.07.2024.