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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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"Gegen Lord Abingdon wurde 1795 auf Grund eiuer Schmähschrift ein
Strafverfahren eingeleitet. Er hatte in einer im Oberhause gehaltenen Rede
seinem Anwalt den Vorwurf unsauberen Benehmens gemacht und diese Rede
in verschiedenen Zeitungen abdrucken lassen. Der Lord vertheidigte sich vor
dem Gerichtshofe von Kings Beiles und behauptete, was er nach Parlaments¬
recht zu sprechen befugt sei, müsse er auch drucken zu lassen berechtigt sein.
Lord Kenyon aber erwiederte: "Unstreitig hat ein Parlamentsmitglied das
Recht, seine Rede zu veröffentlichen; das darf aber nicht ein Werkzeug abgeben,
andere Personen zu verunglimpfen, und ist das der Fall, so liegt eine Belei¬
digung vor." Der Gerichtshof verurtheilte darauf die Lordschaft zu drei
Monaten Gefängniß, hundert Pfund Geldbuße und Bürgschaft für weiteres
Wohlverhalten.

Der zweite und wichtigere Fall ereignete sich 1813. Das Unterhausmit¬
glied Creevey griff einen anderen Abgeordneten an, und in einigen Zeitungen
erschienen ungenaue Berichte über seine Rede. Mr. Creevey schickte dem Redak¬
teur des "Liverpool Paper" richtigere Mittheilungen mit dem Ersuchen, die¬
selben durch seiue Zeitung zu veröffentlichen. Nachdem eine Untersuchung wider
ihn eingeleitet worden war, erklärten die Geschworenen den Angeklagten für
schuldig der Beleidigung durch eine Schmähschrift. Der Gerichtshof von Kings
Beiles lehnte den Antrag auf abermalige Verhandlung der Sache ab, und Lord
Ellenborough ließ sich dabei folgendermaßen vernehmen: "Ein Abgeordneter
hat das gesagt, was er sür wesentlich hielt, und was er als Abgeordneter des
Hauses auszusprechen befugt war. Insoweit schützt ihn fein Privileg. Dabei
ist der Angeklagte aber nicht stehen geblieben. Ohne Ermächtigung des Hanfes
hat er sür gut befunden, einen Bericht über seine Rede zu veröffentlichen, den
er eine Berichtigung zu nennen beliebt. Diese Veröffentlichung aber enthält
Beleidigungen einer Person." Creevey wurde darauf zu eiuer Geldstrafe von
hundert Pfund verurtheilt. Er beschwerte sich bei dem Unterhause über dieses
Verfahren in Kings Beiles, das Haus aber erkannte die von ihm geltend ge¬
machte Ansicht, daß darin eine Privilegiumsverletzung liege, nicht an, und so
verblieb es bei der Strafe.

Auf die Gepflogenheiten des englischen Parlaments werden sich die Gegner
der Gedanken, welche dein Gesetzentwurfe des Reichskanzlers zu Grunde liegeu,
also nicht berufen können.




„Gegen Lord Abingdon wurde 1795 auf Grund eiuer Schmähschrift ein
Strafverfahren eingeleitet. Er hatte in einer im Oberhause gehaltenen Rede
seinem Anwalt den Vorwurf unsauberen Benehmens gemacht und diese Rede
in verschiedenen Zeitungen abdrucken lassen. Der Lord vertheidigte sich vor
dem Gerichtshofe von Kings Beiles und behauptete, was er nach Parlaments¬
recht zu sprechen befugt sei, müsse er auch drucken zu lassen berechtigt sein.
Lord Kenyon aber erwiederte: „Unstreitig hat ein Parlamentsmitglied das
Recht, seine Rede zu veröffentlichen; das darf aber nicht ein Werkzeug abgeben,
andere Personen zu verunglimpfen, und ist das der Fall, so liegt eine Belei¬
digung vor." Der Gerichtshof verurtheilte darauf die Lordschaft zu drei
Monaten Gefängniß, hundert Pfund Geldbuße und Bürgschaft für weiteres
Wohlverhalten.

Der zweite und wichtigere Fall ereignete sich 1813. Das Unterhausmit¬
glied Creevey griff einen anderen Abgeordneten an, und in einigen Zeitungen
erschienen ungenaue Berichte über seine Rede. Mr. Creevey schickte dem Redak¬
teur des „Liverpool Paper" richtigere Mittheilungen mit dem Ersuchen, die¬
selben durch seiue Zeitung zu veröffentlichen. Nachdem eine Untersuchung wider
ihn eingeleitet worden war, erklärten die Geschworenen den Angeklagten für
schuldig der Beleidigung durch eine Schmähschrift. Der Gerichtshof von Kings
Beiles lehnte den Antrag auf abermalige Verhandlung der Sache ab, und Lord
Ellenborough ließ sich dabei folgendermaßen vernehmen: „Ein Abgeordneter
hat das gesagt, was er sür wesentlich hielt, und was er als Abgeordneter des
Hauses auszusprechen befugt war. Insoweit schützt ihn fein Privileg. Dabei
ist der Angeklagte aber nicht stehen geblieben. Ohne Ermächtigung des Hanfes
hat er sür gut befunden, einen Bericht über seine Rede zu veröffentlichen, den
er eine Berichtigung zu nennen beliebt. Diese Veröffentlichung aber enthält
Beleidigungen einer Person." Creevey wurde darauf zu eiuer Geldstrafe von
hundert Pfund verurtheilt. Er beschwerte sich bei dem Unterhause über dieses
Verfahren in Kings Beiles, das Haus aber erkannte die von ihm geltend ge¬
machte Ansicht, daß darin eine Privilegiumsverletzung liege, nicht an, und so
verblieb es bei der Strafe.

Auf die Gepflogenheiten des englischen Parlaments werden sich die Gegner
der Gedanken, welche dein Gesetzentwurfe des Reichskanzlers zu Grunde liegeu,
also nicht berufen können.




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[0219] „Gegen Lord Abingdon wurde 1795 auf Grund eiuer Schmähschrift ein Strafverfahren eingeleitet. Er hatte in einer im Oberhause gehaltenen Rede seinem Anwalt den Vorwurf unsauberen Benehmens gemacht und diese Rede in verschiedenen Zeitungen abdrucken lassen. Der Lord vertheidigte sich vor dem Gerichtshofe von Kings Beiles und behauptete, was er nach Parlaments¬ recht zu sprechen befugt sei, müsse er auch drucken zu lassen berechtigt sein. Lord Kenyon aber erwiederte: „Unstreitig hat ein Parlamentsmitglied das Recht, seine Rede zu veröffentlichen; das darf aber nicht ein Werkzeug abgeben, andere Personen zu verunglimpfen, und ist das der Fall, so liegt eine Belei¬ digung vor." Der Gerichtshof verurtheilte darauf die Lordschaft zu drei Monaten Gefängniß, hundert Pfund Geldbuße und Bürgschaft für weiteres Wohlverhalten. Der zweite und wichtigere Fall ereignete sich 1813. Das Unterhausmit¬ glied Creevey griff einen anderen Abgeordneten an, und in einigen Zeitungen erschienen ungenaue Berichte über seine Rede. Mr. Creevey schickte dem Redak¬ teur des „Liverpool Paper" richtigere Mittheilungen mit dem Ersuchen, die¬ selben durch seiue Zeitung zu veröffentlichen. Nachdem eine Untersuchung wider ihn eingeleitet worden war, erklärten die Geschworenen den Angeklagten für schuldig der Beleidigung durch eine Schmähschrift. Der Gerichtshof von Kings Beiles lehnte den Antrag auf abermalige Verhandlung der Sache ab, und Lord Ellenborough ließ sich dabei folgendermaßen vernehmen: „Ein Abgeordneter hat das gesagt, was er sür wesentlich hielt, und was er als Abgeordneter des Hauses auszusprechen befugt war. Insoweit schützt ihn fein Privileg. Dabei ist der Angeklagte aber nicht stehen geblieben. Ohne Ermächtigung des Hanfes hat er sür gut befunden, einen Bericht über seine Rede zu veröffentlichen, den er eine Berichtigung zu nennen beliebt. Diese Veröffentlichung aber enthält Beleidigungen einer Person." Creevey wurde darauf zu eiuer Geldstrafe von hundert Pfund verurtheilt. Er beschwerte sich bei dem Unterhause über dieses Verfahren in Kings Beiles, das Haus aber erkannte die von ihm geltend ge¬ machte Ansicht, daß darin eine Privilegiumsverletzung liege, nicht an, und so verblieb es bei der Strafe. Auf die Gepflogenheiten des englischen Parlaments werden sich die Gegner der Gedanken, welche dein Gesetzentwurfe des Reichskanzlers zu Grunde liegeu, also nicht berufen können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/219>, abgerufen am 23.07.2024.