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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Verschwinden der Wälder und Erschöpfung der Miueralschätze haben. Nun
zeigt aber ein Blick auf das Tauschgeschäft, das diese Gegenden mit Fabrik¬
ländern betreiben, daß jene ihre Erzeugnisse zu niedrigen, diese dagegen die
ihrigen zu hohen Preisen hergeben. Anfänglich ist dieser Verkehr für die
Agrikulturländer trotzdem nützlich, weil durch ihn der latente Reichthum der¬
selben erst zu Kapital wird. Später aber sührt er unausbleiblich zur Er¬
schöpfung. Die wirthschaftliche Berechtigung dieses Verkehrs erstreckt sich also
nur so weit, als dnrch ihn nicht die natürliche Entwickelung zur Produktion
von Manufakturwaaren unterdrückt wird.

Es ist aber nicht so sehr der unmittelbare Verlust, der dem Boden des
Landes aus dem Export der Rohprodukte nach entlegenen Märkten erwächst;
denn dieser macht sich, wie bemerkt, erst spät fühlbar. Wesentlicher ist der
mittelbare Verlust, welcher durch Verminderung der Wechselwirkung zwischen
Produzenten und Konsumenten, durch Hinderung des Anwachsens der Bevöl¬
kerung und durch Unterdrückung des rationellen Entwickelungsganges der
Volkswirthschaft entstehen muß. Der Landwirth bedarf für seine Erzeugnisse
nahe Käufer und Verbraucher -- je näher sie ihm wohnen, desto mehr ist
sein Gut werth -- und für seine Bedürfnisse nahe Erzeuger, und ähnlich
verhält es sich mit dem Handwerker und Fabrikanten. Alles, was diese
Solidarität der Interessen mittelbar oder unmittelbar stört, ist einer gesunden
Entwickelung feindlich. Nichts aber kann derselben feindlicher sein, als die
englische Politik, das Ausland auf die Rohproduktion zu beschränken, den
natürlichen Fortschritt erstarkter Agrikulturläuder zur Manufaktur durch die
Ausbreitung des Manchesterthums zu hemmen und diese Länder mit der Ueber¬
macht der hochentwickelten englischen Manufakturkraft in wirthschaftlicher Tribut¬
pflichtigkeit zu erhalten.

Daß dies die Tendenz der englischen Politik schon lange vor dem Ent¬
stehen der Manchesterpartei gewesen, beweist der Verfasser unserer Schrift durch
die Aeußerungen hervorragender englischer Staatsmänner, die an Deutlichkeit
wenig zu wünschen übrig lassen.

So sagt Joshua Gee schou 1750: "Die Manufakturen in den nordame¬
rikanischen Kolonien sollten entmuthigt und verboten werden. Wir sollten über¬
haupt stets ein wachsames Auge ans unsere Kolonien haben, um sie zu verhindern,
solche Manufakturen einzurichten, welche in Großbritannien betrieben werden.
Derartige Versuche sollte man von vornherein niederschlagen; denn wenn man
sie erst zur Reife kommen läßt, wird es äußerst schwierig -sein, sie zu unterdrücken.
Ich halte es daher für der Aufmerksamkeit der Regierung durchaus werth, die
Kolonien mit allen nur möglichen Mitteln darauf hinzuleiten, daß sie Seide,
Hanf, Flachs, Eisen (aber nur Roheisen), Pvwsche u. drgl, erzeugen, ihnen auch


Verschwinden der Wälder und Erschöpfung der Miueralschätze haben. Nun
zeigt aber ein Blick auf das Tauschgeschäft, das diese Gegenden mit Fabrik¬
ländern betreiben, daß jene ihre Erzeugnisse zu niedrigen, diese dagegen die
ihrigen zu hohen Preisen hergeben. Anfänglich ist dieser Verkehr für die
Agrikulturländer trotzdem nützlich, weil durch ihn der latente Reichthum der¬
selben erst zu Kapital wird. Später aber sührt er unausbleiblich zur Er¬
schöpfung. Die wirthschaftliche Berechtigung dieses Verkehrs erstreckt sich also
nur so weit, als dnrch ihn nicht die natürliche Entwickelung zur Produktion
von Manufakturwaaren unterdrückt wird.

Es ist aber nicht so sehr der unmittelbare Verlust, der dem Boden des
Landes aus dem Export der Rohprodukte nach entlegenen Märkten erwächst;
denn dieser macht sich, wie bemerkt, erst spät fühlbar. Wesentlicher ist der
mittelbare Verlust, welcher durch Verminderung der Wechselwirkung zwischen
Produzenten und Konsumenten, durch Hinderung des Anwachsens der Bevöl¬
kerung und durch Unterdrückung des rationellen Entwickelungsganges der
Volkswirthschaft entstehen muß. Der Landwirth bedarf für seine Erzeugnisse
nahe Käufer und Verbraucher — je näher sie ihm wohnen, desto mehr ist
sein Gut werth — und für seine Bedürfnisse nahe Erzeuger, und ähnlich
verhält es sich mit dem Handwerker und Fabrikanten. Alles, was diese
Solidarität der Interessen mittelbar oder unmittelbar stört, ist einer gesunden
Entwickelung feindlich. Nichts aber kann derselben feindlicher sein, als die
englische Politik, das Ausland auf die Rohproduktion zu beschränken, den
natürlichen Fortschritt erstarkter Agrikulturläuder zur Manufaktur durch die
Ausbreitung des Manchesterthums zu hemmen und diese Länder mit der Ueber¬
macht der hochentwickelten englischen Manufakturkraft in wirthschaftlicher Tribut¬
pflichtigkeit zu erhalten.

Daß dies die Tendenz der englischen Politik schon lange vor dem Ent¬
stehen der Manchesterpartei gewesen, beweist der Verfasser unserer Schrift durch
die Aeußerungen hervorragender englischer Staatsmänner, die an Deutlichkeit
wenig zu wünschen übrig lassen.

So sagt Joshua Gee schou 1750: „Die Manufakturen in den nordame¬
rikanischen Kolonien sollten entmuthigt und verboten werden. Wir sollten über¬
haupt stets ein wachsames Auge ans unsere Kolonien haben, um sie zu verhindern,
solche Manufakturen einzurichten, welche in Großbritannien betrieben werden.
Derartige Versuche sollte man von vornherein niederschlagen; denn wenn man
sie erst zur Reife kommen läßt, wird es äußerst schwierig -sein, sie zu unterdrücken.
Ich halte es daher für der Aufmerksamkeit der Regierung durchaus werth, die
Kolonien mit allen nur möglichen Mitteln darauf hinzuleiten, daß sie Seide,
Hanf, Flachs, Eisen (aber nur Roheisen), Pvwsche u. drgl, erzeugen, ihnen auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/21>, abgerufen am 29.09.2024.