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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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rieselnngsgesellschaft" zu lesen. Dieselbe wollte von der französischen Regierung
ein Stück Land bei Oran ans 99 Jahre erwerben, hauptsächlich für King
Cotton. "Die französische Regierung hat," so berichtet Bucher, "bis zum Jahre 1871
eine Prämie für jedes Pfund Baumwolle zugesagt, das die Gesellschaft ver¬
schicken wird. Diese Prämie soll zehn Tage nach der Verschiffung von dem
Präfekten in Algier gezahlt werden und wird, wie Herr Cobden rechnet, binnen
Kurzem das ganze Anlagekapital ersetzen. Die Gesellschaft zahlt zehn Jahre
lang keine Steuern und führt ihre Maschinen zollfrei ein. Sie zahlt ihren
Aktionären sofort Zinsen. Einen Theil des Landes will sie selbst bewirth-
schaften, den Rest verpachten unter der Bedingung, daß die Pächter nur Baum¬
wolle bauen.-- Wahrlich, King Cotton ist ein sehr mächtiger König!" bemerkt
Bucher hierzu. "Was hat er aus Ihnen gemacht, Mr. Cobden? Er hat Sie,
den Apostel des Freihandels, bekehrt -- ja zu was denn? Ob Sie das wohl
selbst zu sagen wissen? Also Prämien, Steuerfreiheit und Zollbegünstigungen
wollen Sie nehmen, ein Gewerbe -- haben Sie es nicht so ausgedrückt? --
,aus den Steuern, die Alle zahlen, sütterw? Dem Pächter, dem einsichts¬
vollen Farmer, wie Sie ihn zu nennen liebten, wollen Sie vorschreiben, was
er bauen soll? Und, Mr. Cobden, Zinsen wollen Sie ans dem Kapital zahlen?
Machen Sie es nicht mit der Baumwolle, wie die englische Regierung es sonst
mit dem Korne gemacht? Und könnte man Ihnen jetzt nicht allen den Spott
zurückgeben, den Sie einst für ,das Elend der Gutsbesitzer^ hatten? 'Aoncls?--
tut! wohl voväsrflil!"

Am deutlichsten tritt jene Tendenz zu Tage in der Behandlung, welche
England seinen Kolonien angedeihen ließ. Dieselben wurden einem förmlichen
Ausbeutuugs- und Raubbausystem unterworfen und dadurch langsam der
Schwächung und Verarmung entgegengeführt.*) Länder nämlich, die lediglich
oder doch vorwiegend Rohstoffe erzeugen und nach fernen Märkten exportiren,
müssen allmählich verarmen, da sie der Erde die Anleihen nicht zurückerstatten,
die sie ihnen gewährt; denn es ist nicht so sehr die Ertragsfähigkeit des Bodens,
welche dem Lande Werth verleiht, als die Nähe des Absatzmarktes. Ein reines
Agrikulturland, welches seine Rohprodukte gegen Manufakte austauscht, muß in
dem Gewinne, den das Exportgeschäft ergibt, nicht nur die Verzinsung seiner
Leistungen, sondern zugleich Ersatz für die Verminderung des heimischen Güter-
reichthnms, durch Aussaugung des Ackerlandes, Abnahme des Viehbestandes,



*) Irland wurde bis zum Zustandekommen der Union ebenso behandelt wie die
Kolonien. Englische Schriftsteller erkennen an, daß die Aufstände, die dort in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts stattfanden, hauptsächlich dnrch das Bestreben hervorge¬
rufen und genährt wurden, das englische Monopolsystem loszuwerden. Die Kanonen der
Dubliner Bttrgerartillerie trugen 1732 die Divise: trse ri^cle or "xssü> rsvolution,"

rieselnngsgesellschaft" zu lesen. Dieselbe wollte von der französischen Regierung
ein Stück Land bei Oran ans 99 Jahre erwerben, hauptsächlich für King
Cotton. „Die französische Regierung hat," so berichtet Bucher, „bis zum Jahre 1871
eine Prämie für jedes Pfund Baumwolle zugesagt, das die Gesellschaft ver¬
schicken wird. Diese Prämie soll zehn Tage nach der Verschiffung von dem
Präfekten in Algier gezahlt werden und wird, wie Herr Cobden rechnet, binnen
Kurzem das ganze Anlagekapital ersetzen. Die Gesellschaft zahlt zehn Jahre
lang keine Steuern und führt ihre Maschinen zollfrei ein. Sie zahlt ihren
Aktionären sofort Zinsen. Einen Theil des Landes will sie selbst bewirth-
schaften, den Rest verpachten unter der Bedingung, daß die Pächter nur Baum¬
wolle bauen.— Wahrlich, King Cotton ist ein sehr mächtiger König!" bemerkt
Bucher hierzu. „Was hat er aus Ihnen gemacht, Mr. Cobden? Er hat Sie,
den Apostel des Freihandels, bekehrt — ja zu was denn? Ob Sie das wohl
selbst zu sagen wissen? Also Prämien, Steuerfreiheit und Zollbegünstigungen
wollen Sie nehmen, ein Gewerbe — haben Sie es nicht so ausgedrückt? —
,aus den Steuern, die Alle zahlen, sütterw? Dem Pächter, dem einsichts¬
vollen Farmer, wie Sie ihn zu nennen liebten, wollen Sie vorschreiben, was
er bauen soll? Und, Mr. Cobden, Zinsen wollen Sie ans dem Kapital zahlen?
Machen Sie es nicht mit der Baumwolle, wie die englische Regierung es sonst
mit dem Korne gemacht? Und könnte man Ihnen jetzt nicht allen den Spott
zurückgeben, den Sie einst für ,das Elend der Gutsbesitzer^ hatten? 'Aoncls?--
tut! wohl voväsrflil!"

Am deutlichsten tritt jene Tendenz zu Tage in der Behandlung, welche
England seinen Kolonien angedeihen ließ. Dieselben wurden einem förmlichen
Ausbeutuugs- und Raubbausystem unterworfen und dadurch langsam der
Schwächung und Verarmung entgegengeführt.*) Länder nämlich, die lediglich
oder doch vorwiegend Rohstoffe erzeugen und nach fernen Märkten exportiren,
müssen allmählich verarmen, da sie der Erde die Anleihen nicht zurückerstatten,
die sie ihnen gewährt; denn es ist nicht so sehr die Ertragsfähigkeit des Bodens,
welche dem Lande Werth verleiht, als die Nähe des Absatzmarktes. Ein reines
Agrikulturland, welches seine Rohprodukte gegen Manufakte austauscht, muß in
dem Gewinne, den das Exportgeschäft ergibt, nicht nur die Verzinsung seiner
Leistungen, sondern zugleich Ersatz für die Verminderung des heimischen Güter-
reichthnms, durch Aussaugung des Ackerlandes, Abnahme des Viehbestandes,



*) Irland wurde bis zum Zustandekommen der Union ebenso behandelt wie die
Kolonien. Englische Schriftsteller erkennen an, daß die Aufstände, die dort in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts stattfanden, hauptsächlich dnrch das Bestreben hervorge¬
rufen und genährt wurden, das englische Monopolsystem loszuwerden. Die Kanonen der
Dubliner Bttrgerartillerie trugen 1732 die Divise: trse ri^cle or »xssü> rsvolution,"
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/20>, abgerufen am 29.09.2024.