Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.fraglos weit minder auf die Fabrikanten als auf die Eltern) fällt, und die Der Kampf zwischen Großindustrie und Handwerk ist in Nordamerika schon Charakteristisch für die Menschen und Dinge der Union ist es, daß dort Auch das Genossenschaftswesen findet drüben keinen rechten Boden. Erstens *) Richt der Engländer ist, beiläufig bemerkt, heutzutage der Tourist Numero Eins,
sondern der Nordamerikaner, besonders der Neuengländer. Mögen dabei geheimnißvolle klimatisch-tellurische Einflüsse mitwirken, welche zu beständiger Ortsveränderung drängen, oder nicht, jedenfalls scheint, ohne daß eine bemerkbare Blntsvermischung stattgefunden hätte, von dein rastlosen Wandertriebe der rothhäutigen Jägerstämmc, welche diese weiten Gebiete innehalten, viel auf die eingewandert,- englisch-schottische Race übergegangen und den ihr angeborenen Hang noch gesteigert zu haben. Nur ist ihre Jagd nicht mehr auf Büffel und Hirsche gerichtet, sondern auf Gelderwerb. fraglos weit minder auf die Fabrikanten als auf die Eltern) fällt, und die Der Kampf zwischen Großindustrie und Handwerk ist in Nordamerika schon Charakteristisch für die Menschen und Dinge der Union ist es, daß dort Auch das Genossenschaftswesen findet drüben keinen rechten Boden. Erstens *) Richt der Engländer ist, beiläufig bemerkt, heutzutage der Tourist Numero Eins,
sondern der Nordamerikaner, besonders der Neuengländer. Mögen dabei geheimnißvolle klimatisch-tellurische Einflüsse mitwirken, welche zu beständiger Ortsveränderung drängen, oder nicht, jedenfalls scheint, ohne daß eine bemerkbare Blntsvermischung stattgefunden hätte, von dein rastlosen Wandertriebe der rothhäutigen Jägerstämmc, welche diese weiten Gebiete innehalten, viel auf die eingewandert,- englisch-schottische Race übergegangen und den ihr angeborenen Hang noch gesteigert zu haben. Nur ist ihre Jagd nicht mehr auf Büffel und Hirsche gerichtet, sondern auf Gelderwerb. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141610"/> <p xml:id="ID_594" prev="#ID_593"> fraglos weit minder auf die Fabrikanten als auf die Eltern) fällt, und die<lb/> Legislative beginnt, ihr Augenmerk auf das schimpfliche Unwesen zu richten.</p><lb/> <p xml:id="ID_595"> Der Kampf zwischen Großindustrie und Handwerk ist in Nordamerika schon<lb/> viel weiter vorgeschritten, als bei uns, mit ihm die Arbeitstheilung. Wer in<lb/> irgend einer, sei es auch ganz untergeordneten und beschränkten Spezialität<lb/> höhere Fertigkeit erlangt hat, gilt als „gelernter" Arbeiter, mag er sonst auch<lb/> noch so roh und ungeschickt sein. Wie dabei das Lehrlingswesen sich gestalten<lb/> muß, leuchtet ein. Uebrigens bemerkt der Verfasser und wohl mit Recht: viele<lb/> Handwerke verfallen nicht, weil es an Lehrlingen dafür fehlt, sondern umge¬<lb/> kehrt fehlen diese, weil die betreffenden Gewerbszweige verfallen. Die erstere<lb/> Meinung wird auch unseres Wissens nur von Meistern vertreten, die — keine<lb/> Meister sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_596"> Charakteristisch für die Menschen und Dinge der Union ist es, daß dort<lb/> Wohlfahrtseinrichtungen für Arbeiter von Seiten der Unternehmer fast ganz<lb/> fehlen, dafür auch weniger Bedürfniß und Antrieb vorhanden ist, als in Deutsch¬<lb/> land. Theils rührt das her aus der großen Unstätigkeit der Bevölkerung*),<lb/> theils aus dem gegenseitigen Verhältniß von Arbeiter und Arbeitgeber, welches<lb/> rein geschäftlicher Art und allem Patronatswesen entgegen ist. Vielleicht sind<lb/> auch die Arbeiter den wenigen bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen besonders<lb/> deshalb abgeneigt, weil diese meistens darauf zielen, den Arbeitern den Aus-<lb/> enthaltswechsel, mit anderen Worten: die rasche Wahrnehmung besserer Lohu-<lb/> chancen, zu erschweren. Diese Freiheit hat nun allerdings ihre guten Seiten,<lb/> aber auch ihre üblen, gibt u. a. der Ablohnung mit Lebensmitteln und Waaren<lb/> (Trucksystem) weiten Spielraum. Hier und da freilich ist das System von der<lb/> Nothwendigkeit diktirt, z. B. dann, wenn an einem von allem Verkehr weit<lb/> entlegenen Punkte eine Fabrik angelegt wird. Natürlich muß der Unternehmer<lb/> daselbst für Wohnung und Unterhalt der Leute sorgen, zieht dabei meist un-<lb/> verhältnißmüßig hohen Nutzen und übt nicht selten außerdem noch Eigenmäch¬<lb/> tigkeiten und Bedrückungen. Es ereignet sich u. a. wohl, daß der Fabrikherr<lb/> einen umherziehenden Händler, der sich da niederläßt, austreibt, um dessen<lb/> Konkurrenz los zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_597" next="#ID_598"> Auch das Genossenschaftswesen findet drüben keinen rechten Boden. Erstens<lb/> erklärt sich das wieder aus der mangelnden Seßhaftigkeit der Bewohner und</p><lb/> <note xml:id="FID_45" place="foot"> *) Richt der Engländer ist, beiläufig bemerkt, heutzutage der Tourist Numero Eins,<lb/> sondern der Nordamerikaner, besonders der Neuengländer. Mögen dabei geheimnißvolle<lb/> klimatisch-tellurische Einflüsse mitwirken, welche zu beständiger Ortsveränderung drängen,<lb/> oder nicht, jedenfalls scheint, ohne daß eine bemerkbare Blntsvermischung stattgefunden hätte,<lb/> von dein rastlosen Wandertriebe der rothhäutigen Jägerstämmc, welche diese weiten Gebiete<lb/> innehalten, viel auf die eingewandert,- englisch-schottische Race übergegangen und den ihr<lb/> angeborenen Hang noch gesteigert zu haben. Nur ist ihre Jagd nicht mehr auf Büffel und<lb/> Hirsche gerichtet, sondern auf Gelderwerb.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
fraglos weit minder auf die Fabrikanten als auf die Eltern) fällt, und die
Legislative beginnt, ihr Augenmerk auf das schimpfliche Unwesen zu richten.
Der Kampf zwischen Großindustrie und Handwerk ist in Nordamerika schon
viel weiter vorgeschritten, als bei uns, mit ihm die Arbeitstheilung. Wer in
irgend einer, sei es auch ganz untergeordneten und beschränkten Spezialität
höhere Fertigkeit erlangt hat, gilt als „gelernter" Arbeiter, mag er sonst auch
noch so roh und ungeschickt sein. Wie dabei das Lehrlingswesen sich gestalten
muß, leuchtet ein. Uebrigens bemerkt der Verfasser und wohl mit Recht: viele
Handwerke verfallen nicht, weil es an Lehrlingen dafür fehlt, sondern umge¬
kehrt fehlen diese, weil die betreffenden Gewerbszweige verfallen. Die erstere
Meinung wird auch unseres Wissens nur von Meistern vertreten, die — keine
Meister sind.
Charakteristisch für die Menschen und Dinge der Union ist es, daß dort
Wohlfahrtseinrichtungen für Arbeiter von Seiten der Unternehmer fast ganz
fehlen, dafür auch weniger Bedürfniß und Antrieb vorhanden ist, als in Deutsch¬
land. Theils rührt das her aus der großen Unstätigkeit der Bevölkerung*),
theils aus dem gegenseitigen Verhältniß von Arbeiter und Arbeitgeber, welches
rein geschäftlicher Art und allem Patronatswesen entgegen ist. Vielleicht sind
auch die Arbeiter den wenigen bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen besonders
deshalb abgeneigt, weil diese meistens darauf zielen, den Arbeitern den Aus-
enthaltswechsel, mit anderen Worten: die rasche Wahrnehmung besserer Lohu-
chancen, zu erschweren. Diese Freiheit hat nun allerdings ihre guten Seiten,
aber auch ihre üblen, gibt u. a. der Ablohnung mit Lebensmitteln und Waaren
(Trucksystem) weiten Spielraum. Hier und da freilich ist das System von der
Nothwendigkeit diktirt, z. B. dann, wenn an einem von allem Verkehr weit
entlegenen Punkte eine Fabrik angelegt wird. Natürlich muß der Unternehmer
daselbst für Wohnung und Unterhalt der Leute sorgen, zieht dabei meist un-
verhältnißmüßig hohen Nutzen und übt nicht selten außerdem noch Eigenmäch¬
tigkeiten und Bedrückungen. Es ereignet sich u. a. wohl, daß der Fabrikherr
einen umherziehenden Händler, der sich da niederläßt, austreibt, um dessen
Konkurrenz los zu sein.
Auch das Genossenschaftswesen findet drüben keinen rechten Boden. Erstens
erklärt sich das wieder aus der mangelnden Seßhaftigkeit der Bewohner und
*) Richt der Engländer ist, beiläufig bemerkt, heutzutage der Tourist Numero Eins,
sondern der Nordamerikaner, besonders der Neuengländer. Mögen dabei geheimnißvolle
klimatisch-tellurische Einflüsse mitwirken, welche zu beständiger Ortsveränderung drängen,
oder nicht, jedenfalls scheint, ohne daß eine bemerkbare Blntsvermischung stattgefunden hätte,
von dein rastlosen Wandertriebe der rothhäutigen Jägerstämmc, welche diese weiten Gebiete
innehalten, viel auf die eingewandert,- englisch-schottische Race übergegangen und den ihr
angeborenen Hang noch gesteigert zu haben. Nur ist ihre Jagd nicht mehr auf Büffel und
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