Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.Und der Prozentsatz der Handarveitenden Besitzer, deren Häuser mit Hypotheken Die Jahresausgabe einer Arbeiterfamilie, zu 5,14 Gliedern angenommen, Auffällig ist das Ergebniß der Statistik von Massachusetts in Bezug auf Kinderarbeit spielt durchweg, wenigstens im Osten, leider eine große Rolle, Und der Prozentsatz der Handarveitenden Besitzer, deren Häuser mit Hypotheken Die Jahresausgabe einer Arbeiterfamilie, zu 5,14 Gliedern angenommen, Auffällig ist das Ergebniß der Statistik von Massachusetts in Bezug auf Kinderarbeit spielt durchweg, wenigstens im Osten, leider eine große Rolle, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141609"/> <p xml:id="ID_590" prev="#ID_589"> Und der Prozentsatz der Handarveitenden Besitzer, deren Häuser mit Hypotheken<lb/> belastet sind, kleiner ist, als der der anderen Kategorie. Die vielgescholtene<lb/> „Grundlage des jetzigen Gesellschaftssystems" muß also doch wohl nicht ganz<lb/> so sein, wie die kühnen Architekten des rothen Zukunftsstaatsgebäudes behaup¬<lb/> ten, welche dem Weltverkehr ihre Hirngespinnste als Basis unterschieben möchten.</p><lb/> <p xml:id="ID_591"> Die Jahresausgabe einer Arbeiterfamilie, zu 5,14 Gliedern angenommen,<lb/> wird vom statistischen Bureau in Boston auf 422 Dollar (1 Dollar — 4 Mark<lb/> 28 Pf.) berechnet, wovon 311 auf Brod, Gemüse, Kolonialwaaren kommen,<lb/> 81'/-- ans Fleisch, 20 auf Milch, 10 auf Fische. Auf Nahrungsmittel ver¬<lb/> wendet durchschnittlich ein Werkführer 469 Dollar, ein „gelernter" Hand¬<lb/> arbeiter 427, ein ungelernter 415. Der Unterschied ist also gering. Unter<lb/> 400 befragten Familien kam nur in dreien Fleisch seltener als einmal täglich<lb/> auf den Tisch, in 223 Fällen zweimal. Die Heizung kostet durchschnittlich der<lb/> Familie des Handarbeiters 40, des gelernten 44, des Aufsehers 53'/z Dollar. Die<lb/> durchschnittliche Arbeitszeit beträgt im Osten 60 bis 66 Stunden wöchentlich.<lb/> Seit dem Gesetze von 1868 wird in den Regierungswerkstätten nur 8 Stunden<lb/> täglich gearbeitet. Neuerdings kommt mehr und mehr Stnndenlöhnung auf,<lb/> um Streitigkeiten zu vermeiden, auch scheint Stücklohn beliebt zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_592"> Auffällig ist das Ergebniß der Statistik von Massachusetts in Bezug auf<lb/> Frauenarbeit. Der Durchschnitt dieser beträgt 259 Tage, derjenige der Männer¬<lb/> arbeit nur 242 Tage, die Weiber arbeiten also 19 Tage mehr. Gesetzliche<lb/> Arbeitstage bestehen 303.</p><lb/> <p xml:id="ID_593" next="#ID_594"> Kinderarbeit spielt durchweg, wenigstens im Osten, leider eine große Rolle,<lb/> mehr noch als in Europa, und zwar geht sie bis zu 11 Stunden täglich. Mit<lb/> Kindern gesegnete Eheleute sind in den Fabriken am liebsten gesehen; es kommt<lb/> sogar vor, daß gewandte, zuverlässige einzelne Arbeiter gelegentlich vom Prin¬<lb/> zipal mit der brutalen Erklärung entlassen werden, daß er „Leute mit heran¬<lb/> wachsender Familie brauche". Wie das Schulwesen sich dabei steht, läßt sich<lb/> errathen. 60000 Kinder in Massachusetts lernen nicht lesen. Die unglücklichen<lb/> kleinen Wesen besuchen nur die Schule des mort^in^iriK. Jene Klassen be¬<lb/> denken also nicht, daß sie im sozialen Gebiete das treiben, was der Landwirth<lb/> „Raubbau" nennt. Solche Kinder helfen dann dereinst als Erwachsene Gesetze<lb/> geben und den Staat regieren! Bekanntlich gedeiht ohnehin schon die weiße<lb/> Race auf transatlantischen Boden nicht sonderlich, die Gestalten und Gesichter<lb/> werden immer länger und fleischloser, die Fruchtbarkeit nimmt ab, die Kurz¬<lb/> lebigkeit zu. Nicht lauter günstige Sterne sind es fürwahr, die über dem<lb/> Alvrioris Qvuntr^ des Sternenbanners leuchten. Ganz neuerdings wird übri¬<lb/> gens lebhaft agitirt gegen die erbarmungslose Kinderausbeutuug, deren Schuld</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
Und der Prozentsatz der Handarveitenden Besitzer, deren Häuser mit Hypotheken
belastet sind, kleiner ist, als der der anderen Kategorie. Die vielgescholtene
„Grundlage des jetzigen Gesellschaftssystems" muß also doch wohl nicht ganz
so sein, wie die kühnen Architekten des rothen Zukunftsstaatsgebäudes behaup¬
ten, welche dem Weltverkehr ihre Hirngespinnste als Basis unterschieben möchten.
Die Jahresausgabe einer Arbeiterfamilie, zu 5,14 Gliedern angenommen,
wird vom statistischen Bureau in Boston auf 422 Dollar (1 Dollar — 4 Mark
28 Pf.) berechnet, wovon 311 auf Brod, Gemüse, Kolonialwaaren kommen,
81'/-- ans Fleisch, 20 auf Milch, 10 auf Fische. Auf Nahrungsmittel ver¬
wendet durchschnittlich ein Werkführer 469 Dollar, ein „gelernter" Hand¬
arbeiter 427, ein ungelernter 415. Der Unterschied ist also gering. Unter
400 befragten Familien kam nur in dreien Fleisch seltener als einmal täglich
auf den Tisch, in 223 Fällen zweimal. Die Heizung kostet durchschnittlich der
Familie des Handarbeiters 40, des gelernten 44, des Aufsehers 53'/z Dollar. Die
durchschnittliche Arbeitszeit beträgt im Osten 60 bis 66 Stunden wöchentlich.
Seit dem Gesetze von 1868 wird in den Regierungswerkstätten nur 8 Stunden
täglich gearbeitet. Neuerdings kommt mehr und mehr Stnndenlöhnung auf,
um Streitigkeiten zu vermeiden, auch scheint Stücklohn beliebt zu sein.
Auffällig ist das Ergebniß der Statistik von Massachusetts in Bezug auf
Frauenarbeit. Der Durchschnitt dieser beträgt 259 Tage, derjenige der Männer¬
arbeit nur 242 Tage, die Weiber arbeiten also 19 Tage mehr. Gesetzliche
Arbeitstage bestehen 303.
Kinderarbeit spielt durchweg, wenigstens im Osten, leider eine große Rolle,
mehr noch als in Europa, und zwar geht sie bis zu 11 Stunden täglich. Mit
Kindern gesegnete Eheleute sind in den Fabriken am liebsten gesehen; es kommt
sogar vor, daß gewandte, zuverlässige einzelne Arbeiter gelegentlich vom Prin¬
zipal mit der brutalen Erklärung entlassen werden, daß er „Leute mit heran¬
wachsender Familie brauche". Wie das Schulwesen sich dabei steht, läßt sich
errathen. 60000 Kinder in Massachusetts lernen nicht lesen. Die unglücklichen
kleinen Wesen besuchen nur die Schule des mort^in^iriK. Jene Klassen be¬
denken also nicht, daß sie im sozialen Gebiete das treiben, was der Landwirth
„Raubbau" nennt. Solche Kinder helfen dann dereinst als Erwachsene Gesetze
geben und den Staat regieren! Bekanntlich gedeiht ohnehin schon die weiße
Race auf transatlantischen Boden nicht sonderlich, die Gestalten und Gesichter
werden immer länger und fleischloser, die Fruchtbarkeit nimmt ab, die Kurz¬
lebigkeit zu. Nicht lauter günstige Sterne sind es fürwahr, die über dem
Alvrioris Qvuntr^ des Sternenbanners leuchten. Ganz neuerdings wird übri¬
gens lebhaft agitirt gegen die erbarmungslose Kinderausbeutuug, deren Schuld
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