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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Erlauer Kapitel unter Gesang und Trompetenschall in die Elisabethkirche ein
und weihte auf's neue die durch ketzerische Greuel besudelte Stätte.

Um aber auch nach seinem Abzüge die römische Geistlichkeit im Genuß
ihres Eigenthums zu sichern, erzwang Belgiojoso vom Rathe die Ausstellung
eines Reverses unter städtischem Siegel, der ihn verpflichtete, gegen die Kirche
nichts vorzunehmen. Erst als er das Aktenstück in den Händen hatte, räumte
seine Reiterei die Vorstadt.

Die tief erbitterte Bürgerschaft mochte glauben, nunmehr des Drängers
ledig zu sein. Doch sie stand erst am Anfange ihrer Leidenszeit und sollte
bald erkennen, daß es sich nicht um Besitz und Verlust einer Kirche, sondern
um die Behauptung ihres evangelischen Glaubens selber handle.

Als nämlich am nächsten Sonntage (11. Januar) Georg Zabo, ein be¬
güterter Bürger und Kaufmann magyarischer Nationalität, auf dringendes Bitten
einiger Evangelischen in seinem Hause lutherischen Gottesdienst veranstaltete,
da forderte, als der Prediger noch kaum begonnen, Belgiojoso unter den schärf¬
sten Drohungen die sofortige Einstellung der heiligen Handlung, und obwohl
nun Zabo auf der Stelle diesem Befehle nachkam, so entging er doch nicht
schwerster Bestrafung, vielmehr wurden am nächsten Tage durch den Haupt¬
mann von Kaschau Gustav Duckart alle Räume seines Hauses unter Siegel gelegt,
er selbst in Arrest genommen und überdem seine Landgüter konfiszirt. Alle Bitten
seiner Frau und der städtischen Behörden blieben fruchtlos; erst auf die Ver¬
wendung eines benachbarten Edelmanns entließ ihn Belgiojofo gegen Zahlung
von 1500 Dukaten, Lieferung beträchtlicher Naturalien und Herausgabe von
vier gefangenen Türken, von denen schweres Lösegeld zu erwarten stand.

Nicht besser erging es dem Apotheker Michael Lippardt, dessen ganzes
Vergehen darin bestand, daß er vom Hauslehrer seiner Kinder für sich und
sein Gesinde eine Predigt hatte lesen lassen. Dafür büßte er mit der Sperrung
seiner Apotheke, die er nur durch Zahlung von 100 Dukaten und große Ge¬
schenke rückgängig zu machen vermochte.

Hatten diese harten Maßregeln nur einzelne getroffen, so bewies die
nächste, daß es wirklich um die Katholisirung der ganzen Gemeinde sich handle.
Der kaiserliche Feldherr forderte die Prediger deutscher, ungarischer und slova-
kischer ("windischer") Nation ans, binnen drei Tagen die Stadt zu räumen.
Erst auf die dringende Verwendung von Rath und Bürgerschaft gestattete er
ihnen gegen Erlegung von 300 Dukaten eine Frist von sechs Wochen, doch
mußten sie durch Revers geloben, bei Verlust von Hab und Gut, Leib und
Leben sich während dieser Zeit aller Amtshandlungen gänzlich zu enthalten.

Damit mußte jeder Zweifel an den Absichten Belgivjoso's und seiner
Auftraggeber schwinden. Waren doch in jener Zeit bei gewaltsamer Gegen-


Grenzbvten I, 1879. 24

Erlauer Kapitel unter Gesang und Trompetenschall in die Elisabethkirche ein
und weihte auf's neue die durch ketzerische Greuel besudelte Stätte.

Um aber auch nach seinem Abzüge die römische Geistlichkeit im Genuß
ihres Eigenthums zu sichern, erzwang Belgiojoso vom Rathe die Ausstellung
eines Reverses unter städtischem Siegel, der ihn verpflichtete, gegen die Kirche
nichts vorzunehmen. Erst als er das Aktenstück in den Händen hatte, räumte
seine Reiterei die Vorstadt.

Die tief erbitterte Bürgerschaft mochte glauben, nunmehr des Drängers
ledig zu sein. Doch sie stand erst am Anfange ihrer Leidenszeit und sollte
bald erkennen, daß es sich nicht um Besitz und Verlust einer Kirche, sondern
um die Behauptung ihres evangelischen Glaubens selber handle.

Als nämlich am nächsten Sonntage (11. Januar) Georg Zabo, ein be¬
güterter Bürger und Kaufmann magyarischer Nationalität, auf dringendes Bitten
einiger Evangelischen in seinem Hause lutherischen Gottesdienst veranstaltete,
da forderte, als der Prediger noch kaum begonnen, Belgiojoso unter den schärf¬
sten Drohungen die sofortige Einstellung der heiligen Handlung, und obwohl
nun Zabo auf der Stelle diesem Befehle nachkam, so entging er doch nicht
schwerster Bestrafung, vielmehr wurden am nächsten Tage durch den Haupt¬
mann von Kaschau Gustav Duckart alle Räume seines Hauses unter Siegel gelegt,
er selbst in Arrest genommen und überdem seine Landgüter konfiszirt. Alle Bitten
seiner Frau und der städtischen Behörden blieben fruchtlos; erst auf die Ver¬
wendung eines benachbarten Edelmanns entließ ihn Belgiojofo gegen Zahlung
von 1500 Dukaten, Lieferung beträchtlicher Naturalien und Herausgabe von
vier gefangenen Türken, von denen schweres Lösegeld zu erwarten stand.

Nicht besser erging es dem Apotheker Michael Lippardt, dessen ganzes
Vergehen darin bestand, daß er vom Hauslehrer seiner Kinder für sich und
sein Gesinde eine Predigt hatte lesen lassen. Dafür büßte er mit der Sperrung
seiner Apotheke, die er nur durch Zahlung von 100 Dukaten und große Ge¬
schenke rückgängig zu machen vermochte.

Hatten diese harten Maßregeln nur einzelne getroffen, so bewies die
nächste, daß es wirklich um die Katholisirung der ganzen Gemeinde sich handle.
Der kaiserliche Feldherr forderte die Prediger deutscher, ungarischer und slova-
kischer („windischer") Nation ans, binnen drei Tagen die Stadt zu räumen.
Erst auf die dringende Verwendung von Rath und Bürgerschaft gestattete er
ihnen gegen Erlegung von 300 Dukaten eine Frist von sechs Wochen, doch
mußten sie durch Revers geloben, bei Verlust von Hab und Gut, Leib und
Leben sich während dieser Zeit aller Amtshandlungen gänzlich zu enthalten.

Damit mußte jeder Zweifel an den Absichten Belgivjoso's und seiner
Auftraggeber schwinden. Waren doch in jener Zeit bei gewaltsamer Gegen-


Grenzbvten I, 1879. 24
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[0193] Erlauer Kapitel unter Gesang und Trompetenschall in die Elisabethkirche ein und weihte auf's neue die durch ketzerische Greuel besudelte Stätte. Um aber auch nach seinem Abzüge die römische Geistlichkeit im Genuß ihres Eigenthums zu sichern, erzwang Belgiojoso vom Rathe die Ausstellung eines Reverses unter städtischem Siegel, der ihn verpflichtete, gegen die Kirche nichts vorzunehmen. Erst als er das Aktenstück in den Händen hatte, räumte seine Reiterei die Vorstadt. Die tief erbitterte Bürgerschaft mochte glauben, nunmehr des Drängers ledig zu sein. Doch sie stand erst am Anfange ihrer Leidenszeit und sollte bald erkennen, daß es sich nicht um Besitz und Verlust einer Kirche, sondern um die Behauptung ihres evangelischen Glaubens selber handle. Als nämlich am nächsten Sonntage (11. Januar) Georg Zabo, ein be¬ güterter Bürger und Kaufmann magyarischer Nationalität, auf dringendes Bitten einiger Evangelischen in seinem Hause lutherischen Gottesdienst veranstaltete, da forderte, als der Prediger noch kaum begonnen, Belgiojoso unter den schärf¬ sten Drohungen die sofortige Einstellung der heiligen Handlung, und obwohl nun Zabo auf der Stelle diesem Befehle nachkam, so entging er doch nicht schwerster Bestrafung, vielmehr wurden am nächsten Tage durch den Haupt¬ mann von Kaschau Gustav Duckart alle Räume seines Hauses unter Siegel gelegt, er selbst in Arrest genommen und überdem seine Landgüter konfiszirt. Alle Bitten seiner Frau und der städtischen Behörden blieben fruchtlos; erst auf die Ver¬ wendung eines benachbarten Edelmanns entließ ihn Belgiojofo gegen Zahlung von 1500 Dukaten, Lieferung beträchtlicher Naturalien und Herausgabe von vier gefangenen Türken, von denen schweres Lösegeld zu erwarten stand. Nicht besser erging es dem Apotheker Michael Lippardt, dessen ganzes Vergehen darin bestand, daß er vom Hauslehrer seiner Kinder für sich und sein Gesinde eine Predigt hatte lesen lassen. Dafür büßte er mit der Sperrung seiner Apotheke, die er nur durch Zahlung von 100 Dukaten und große Ge¬ schenke rückgängig zu machen vermochte. Hatten diese harten Maßregeln nur einzelne getroffen, so bewies die nächste, daß es wirklich um die Katholisirung der ganzen Gemeinde sich handle. Der kaiserliche Feldherr forderte die Prediger deutscher, ungarischer und slova- kischer („windischer") Nation ans, binnen drei Tagen die Stadt zu räumen. Erst auf die dringende Verwendung von Rath und Bürgerschaft gestattete er ihnen gegen Erlegung von 300 Dukaten eine Frist von sechs Wochen, doch mußten sie durch Revers geloben, bei Verlust von Hab und Gut, Leib und Leben sich während dieser Zeit aller Amtshandlungen gänzlich zu enthalten. Damit mußte jeder Zweifel an den Absichten Belgivjoso's und seiner Auftraggeber schwinden. Waren doch in jener Zeit bei gewaltsamer Gegen- Grenzbvten I, 1879. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/193>, abgerufen am 06.02.2025.