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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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der Münzsammlung, die er in wildem Durcheinander übernommen hatte, ver¬
wendete er eine erstaunliche Ausdauer. Als er sich 1861 vom Pädagogium
zurückgezogen hatte, in der Hoffnung, sich nun wenigstens einer größeren Muße
zu erfreuen, wurde ihm bald darauf die Leitung des Baseler Erziehungswesens
übertragen, und auch dieser Aufgabe, die wieder ein volles Einstehen der ganzen
Persönlichkeit erforderte, entzog er sich nicht.

Kann es Wunder nehmen, daß Bischer bei dem lebhaften Eifer, mit dein
er sich allen diesen mit seiner amtlichen Stellung verbundenen Arbeiten hin¬
gab, und bei der Wirksamkeit, die er daneben in den politischen Behörden seiner
Vaterstadt entfaltete, zu umfänglicheren schriftstellerischen Arbeiten keine Muße
fand? Er ist -- man muß sagen: leider, so segensreich auch seine praktische
Thätigkeit war -- nie dazu gekommen, den Schwerpunkt seiner Arbeit in
schriftstellerischen Leistungen zu suchen. Immer blieb es bei -- "kleinen Schriften".

Bischer war Philolog nicht im Sinne der kleinlichen Kvnjekturalkritik, die
vor noch gar nicht langer Zeit die Herrschaft in der deutschen Philologie hatte,
und der nicht minder kleinlichen Sprachstatistik, die heute das Szepter führt,
sondern in dem hohen und umfassenden Sinne, den Boeckh mit dem Worte
verband. Seit seiner Studienzeit hatte sich seil, Eifer in erster Linie geschicht¬
lichen und archäologischen Fragen zugewendet. Ihren Ausgang nahmen seine
historischen Arbeiten von der Erforschung der Geschichte Athen's, zunächst im
Zeitraume des peloponnesischen Krieges. Nach und nach kam er dazu, auch die
übrigen Perioden und auch die Verfassungsgeschichte der übrigen griechischen
Staaten in den Kreis seiner Studien hereinzuziehen. Aber damit sind auch
schon die Grenzen derselben nach dieser Seite hin gezogen. Wenn er aus¬
nahmsweise einigemal Themata aus der geschichtlichen Vergangenheit seiner
Heimat zur Bearbeitung herausgriff, so waren es solche, die mit seiner Wissen¬
schaft in so fern in engster Beziehung standen, als sie sich auf die Pflege der¬
selben in seiner Vaterstadt bezogen. Nur seine "Geschichte der Universität
Basel von der Gründung 1460 bis zur Reformation 1529", die er, halb dazu
gedrängt, 1860 zum 400 jährigen Jubiläum der Universität schrieb, greift über
diesen Rahmen hinaus. In derselben Doppelrichtung bewegen sich seine Arbeiten
ans dem Gebiete der Archäologie und der Inschriftenkunde. Sie hängen ent¬
weder zusammen mit seinen Forschungen in der griechischen Geschichte oder sie
beziehen sich auf die aus dem heimatlichen Boden stammenden antiken Ueberreste.
Mit Arbeiten der letzteren Art, mit der Beschreibung keltischer und römi¬
scher Alterthümer begann er. Die Beschäftigung mit den griechischen Denkmälern
trat erst in den Vordergrund, nachdem er 1852 bis 1853 auf einer längeren
Reise Italien, Sicilien und Griechenland -- in Rom traf er mit Welcker zu¬
sammen -- kennen gelernt hatte. Vor allem hat die Inschriftenkunde von dieser


der Münzsammlung, die er in wildem Durcheinander übernommen hatte, ver¬
wendete er eine erstaunliche Ausdauer. Als er sich 1861 vom Pädagogium
zurückgezogen hatte, in der Hoffnung, sich nun wenigstens einer größeren Muße
zu erfreuen, wurde ihm bald darauf die Leitung des Baseler Erziehungswesens
übertragen, und auch dieser Aufgabe, die wieder ein volles Einstehen der ganzen
Persönlichkeit erforderte, entzog er sich nicht.

Kann es Wunder nehmen, daß Bischer bei dem lebhaften Eifer, mit dein
er sich allen diesen mit seiner amtlichen Stellung verbundenen Arbeiten hin¬
gab, und bei der Wirksamkeit, die er daneben in den politischen Behörden seiner
Vaterstadt entfaltete, zu umfänglicheren schriftstellerischen Arbeiten keine Muße
fand? Er ist — man muß sagen: leider, so segensreich auch seine praktische
Thätigkeit war — nie dazu gekommen, den Schwerpunkt seiner Arbeit in
schriftstellerischen Leistungen zu suchen. Immer blieb es bei — „kleinen Schriften".

Bischer war Philolog nicht im Sinne der kleinlichen Kvnjekturalkritik, die
vor noch gar nicht langer Zeit die Herrschaft in der deutschen Philologie hatte,
und der nicht minder kleinlichen Sprachstatistik, die heute das Szepter führt,
sondern in dem hohen und umfassenden Sinne, den Boeckh mit dem Worte
verband. Seit seiner Studienzeit hatte sich seil, Eifer in erster Linie geschicht¬
lichen und archäologischen Fragen zugewendet. Ihren Ausgang nahmen seine
historischen Arbeiten von der Erforschung der Geschichte Athen's, zunächst im
Zeitraume des peloponnesischen Krieges. Nach und nach kam er dazu, auch die
übrigen Perioden und auch die Verfassungsgeschichte der übrigen griechischen
Staaten in den Kreis seiner Studien hereinzuziehen. Aber damit sind auch
schon die Grenzen derselben nach dieser Seite hin gezogen. Wenn er aus¬
nahmsweise einigemal Themata aus der geschichtlichen Vergangenheit seiner
Heimat zur Bearbeitung herausgriff, so waren es solche, die mit seiner Wissen¬
schaft in so fern in engster Beziehung standen, als sie sich auf die Pflege der¬
selben in seiner Vaterstadt bezogen. Nur seine „Geschichte der Universität
Basel von der Gründung 1460 bis zur Reformation 1529", die er, halb dazu
gedrängt, 1860 zum 400 jährigen Jubiläum der Universität schrieb, greift über
diesen Rahmen hinaus. In derselben Doppelrichtung bewegen sich seine Arbeiten
ans dem Gebiete der Archäologie und der Inschriftenkunde. Sie hängen ent¬
weder zusammen mit seinen Forschungen in der griechischen Geschichte oder sie
beziehen sich auf die aus dem heimatlichen Boden stammenden antiken Ueberreste.
Mit Arbeiten der letzteren Art, mit der Beschreibung keltischer und römi¬
scher Alterthümer begann er. Die Beschäftigung mit den griechischen Denkmälern
trat erst in den Vordergrund, nachdem er 1852 bis 1853 auf einer längeren
Reise Italien, Sicilien und Griechenland — in Rom traf er mit Welcker zu¬
sammen — kennen gelernt hatte. Vor allem hat die Inschriftenkunde von dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/181>, abgerufen am 01.10.2024.