Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.im Freihandel haben noch manches zu lernen, aber das ist jetzt schon klar, Nach den neuesten Mittheilungen aus Paris werden dort Maßregeln in Wir schalten ein, wie das zuging; denn das Handelsgeschäft, das die im Freihandel haben noch manches zu lernen, aber das ist jetzt schon klar, Nach den neuesten Mittheilungen aus Paris werden dort Maßregeln in Wir schalten ein, wie das zuging; denn das Handelsgeschäft, das die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141585"/> <p xml:id="ID_515" prev="#ID_514"> im Freihandel haben noch manches zu lernen, aber das ist jetzt schon klar,<lb/> daß die Freihandelstheorieen in der Praxis gänzlich Fiasko gemacht haben."<lb/> Endlich liest man im „Mining Journal": „Als die Freihandelspolitik, welche<lb/> die Handelsinteressen unseres Landes nahezu ruinirt hat, nur erst sehr theil¬<lb/> weise adoptirt war, wurde Seitens der Konservativen und ganz besonders von<lb/> Herrn Disraeli darauf hingewiesen, daß, wenngleich an dem Freihandel als<lb/> abstraktem Begriff nichts auszusetzen, derselbe doch den Ruin unseres einheimischen<lb/> Handels unvermeidlich herbeiführen müsse, es sei denn, daß wir darauf be¬<lb/> dacht wären, daß für jeden englischen Markt, den wir den ausländischen Pro¬<lb/> duzenten öffneten, uns ein Markt in dem Lande, welchem solche ausländische<lb/> Produzenten angehörten, für ein annähernd gleiches Quantum unserer Fabri¬<lb/> kate geöffnet werde."</p><lb/> <p xml:id="ID_516"> Nach den neuesten Mittheilungen aus Paris werden dort Maßregeln in<lb/> Betreff der Handelsverträge mit England und Belgien vorbereitet, aus denen<lb/> wir ersehen, daß das Jahr 1879 nicht blos für Deutschland sehr bedeutungs¬<lb/> volle Veränderungen in den Handelsbeziehungen zu fremden Staaten zu bringen<lb/> bestimmt ist. Frankreich hat nicht nur jene Verträge gekündigt, sondern ist<lb/> auch zur Kündigung anderer, die am 1. Juli ablaufen, entschlossen, sodaß es<lb/> von Anfang des nächsten Jahres an zu einer neuen Regelung aller dieser<lb/> Verhältnisse vollkommen freie Hand haben wird. Und das kann nicht über¬<lb/> raschen ; denn es ist bekannt, daß die Franzosen schon längst, d. h. schon unter<lb/> der Präsidentschaft Thiers', von der Verehrung der Freihandelsprinzipien zu¬<lb/> rückgekommen sind, die Napoleon III. einst durch den mit England abgeschlossenen<lb/> Handelsvertrag in Frankreich zur Geltung gebracht hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_517" next="#ID_518"> Wir schalten ein, wie das zuging; denn das Handelsgeschäft, das die<lb/> Engländer hierbei mit dem Kaiser abschlossen, ist äußerst bezeichnend für das<lb/> Wesen der englischen Politik. Im August 1859 wurde der Premierminister<lb/> Lord John Russell im Parlament interpellirt, ob die Regierung damit umgehe,<lb/> einen Handelsvertrag mit Frankreich abzuschließen. Der Lord erwiderte:<lb/> nein, er wisse von nichts der Art. Einige Wochen darauf ging Cobden in aller<lb/> Stille nach Paris und redigirte hier mit dem bekannten Nationalökonomen<lb/> Michel Chevalier und Louis Napoleon den Handelsvertrag, der am 24. Januar<lb/> 1860 unterzeichnet wurde und u. a. den Eingangszoll auf französische Weine<lb/> von 150 auf 18«/g herabsetzte. Am 1. März des letztgenannten Jahres aber<lb/> erklärte der Kaiser, daß er Nizza und Savoyen revindiziren wolle, und am<lb/> 24. März wurde in Turin der Vertrag abgeschlossen, durch den Viktor Ema-<lb/> nuel diese beiden Provinzen an Frankreich abtrat. Vor und nach diesem letzten<lb/> Datum fanden im englischen Unterhause ungewöhnlich heftige Debatten über<lb/> diesen Austausch von Gefälligkeiten statt, und die Regierung mußte hören, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0174]
im Freihandel haben noch manches zu lernen, aber das ist jetzt schon klar,
daß die Freihandelstheorieen in der Praxis gänzlich Fiasko gemacht haben."
Endlich liest man im „Mining Journal": „Als die Freihandelspolitik, welche
die Handelsinteressen unseres Landes nahezu ruinirt hat, nur erst sehr theil¬
weise adoptirt war, wurde Seitens der Konservativen und ganz besonders von
Herrn Disraeli darauf hingewiesen, daß, wenngleich an dem Freihandel als
abstraktem Begriff nichts auszusetzen, derselbe doch den Ruin unseres einheimischen
Handels unvermeidlich herbeiführen müsse, es sei denn, daß wir darauf be¬
dacht wären, daß für jeden englischen Markt, den wir den ausländischen Pro¬
duzenten öffneten, uns ein Markt in dem Lande, welchem solche ausländische
Produzenten angehörten, für ein annähernd gleiches Quantum unserer Fabri¬
kate geöffnet werde."
Nach den neuesten Mittheilungen aus Paris werden dort Maßregeln in
Betreff der Handelsverträge mit England und Belgien vorbereitet, aus denen
wir ersehen, daß das Jahr 1879 nicht blos für Deutschland sehr bedeutungs¬
volle Veränderungen in den Handelsbeziehungen zu fremden Staaten zu bringen
bestimmt ist. Frankreich hat nicht nur jene Verträge gekündigt, sondern ist
auch zur Kündigung anderer, die am 1. Juli ablaufen, entschlossen, sodaß es
von Anfang des nächsten Jahres an zu einer neuen Regelung aller dieser
Verhältnisse vollkommen freie Hand haben wird. Und das kann nicht über¬
raschen ; denn es ist bekannt, daß die Franzosen schon längst, d. h. schon unter
der Präsidentschaft Thiers', von der Verehrung der Freihandelsprinzipien zu¬
rückgekommen sind, die Napoleon III. einst durch den mit England abgeschlossenen
Handelsvertrag in Frankreich zur Geltung gebracht hatte.
Wir schalten ein, wie das zuging; denn das Handelsgeschäft, das die
Engländer hierbei mit dem Kaiser abschlossen, ist äußerst bezeichnend für das
Wesen der englischen Politik. Im August 1859 wurde der Premierminister
Lord John Russell im Parlament interpellirt, ob die Regierung damit umgehe,
einen Handelsvertrag mit Frankreich abzuschließen. Der Lord erwiderte:
nein, er wisse von nichts der Art. Einige Wochen darauf ging Cobden in aller
Stille nach Paris und redigirte hier mit dem bekannten Nationalökonomen
Michel Chevalier und Louis Napoleon den Handelsvertrag, der am 24. Januar
1860 unterzeichnet wurde und u. a. den Eingangszoll auf französische Weine
von 150 auf 18«/g herabsetzte. Am 1. März des letztgenannten Jahres aber
erklärte der Kaiser, daß er Nizza und Savoyen revindiziren wolle, und am
24. März wurde in Turin der Vertrag abgeschlossen, durch den Viktor Ema-
nuel diese beiden Provinzen an Frankreich abtrat. Vor und nach diesem letzten
Datum fanden im englischen Unterhause ungewöhnlich heftige Debatten über
diesen Austausch von Gefälligkeiten statt, und die Regierung mußte hören, daß
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