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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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regungeu wurde. Wir sehen, wie der Graf Franz sich allmählich entwickelte,
und wir begleiten ihn auf seinen Reisen, die ihn mit den interessantesten und be¬
deutendsten Männern und Frauen in Berührung bringen. In Lausanne besuchen
wir eine Adelsakademie der damaligen Zeit, von Genf aus machen wir mit
ihm einen Abstecher zu dem "Philosophen von Ferney", dessen geistreiche Causerie
uns vielfach vergnügt, dann durchziehen wir mit ihm die Schweiz, um dann in
Lyon Rousseau einen Besuch abzustatten. Später begeben wir uns mit ihm
nach Paris und an den Hof Ludwig's XV., wo wir ihm in Verkehr mit allerlei
interessanten Persönlichkeiten, mit dem König selbst, mit dem Dauphin, mit
Madame Geoffrin, deren Salons die Schöngeister der französischen Metropole
in sich versammelten, u. a. sehen und mit ihm dem berüchtigten Scheidungsprozesse
des Vicomte de Bombelles und einer Abendandacht zu Ehren der "heiligen"
Frau v. Maintenon beiwohnen. Andere Abschnitte führen uns uach London;
an den Hof Friedrich's des Großen; nach Wien zu Kaiser Joseph dem Zweiten,
zu Gluck und Metastasio; nach Italien, wo sich bei dem jungen Reisenden die
Neigung ausbildete, der Erbach seine berühmten Sammlungen verdankt; nach
Venedig, wo wir mit ihm die Bekanntschaft des wunderlichen Halborientalen
de Montague machen; nach Rom, wo wir mit ihm dem Papst Clemens dem
vierzehnten (Ganganelli) vorgestellt werden; nach Neapel und Florenz. Allent¬
halben haben wir mit ihm Gelegenheit, lehrreiche Blicke in das Leben der vor¬
nehmen Welt und in die Sitten des Volkes zu thun. Die Schilderung des
Festes z. B., bei dem in Neapel das Blut des heiligen Januarius fließt,
S. 75 ff., ist vielleicht die beste, die existirt. Auch die ferneren Kapitel,
welche uns von den Regiernngsjahren des Grafen, von seinen Bauten, Aus¬
grabungen und Sammlungen, seiner zweiten italienischen Reise berichten, uns
die Mitarbeiter derselben porträtiren, uns die Rheinbundszeit und die Bestre¬
bungen der Mediatisirten auf dem Wiener Kongresse charakterisiren und schlie߬
lich die letzten Lebensjahre des Helden dieser Darstellung schildern, ent¬
halten eine Fülle interessanten Stoffes, und so bildet das Buch einen durchweg
lesenswerthen Beitrag zu unserer kulturhistorischen Literatur.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.

regungeu wurde. Wir sehen, wie der Graf Franz sich allmählich entwickelte,
und wir begleiten ihn auf seinen Reisen, die ihn mit den interessantesten und be¬
deutendsten Männern und Frauen in Berührung bringen. In Lausanne besuchen
wir eine Adelsakademie der damaligen Zeit, von Genf aus machen wir mit
ihm einen Abstecher zu dem „Philosophen von Ferney", dessen geistreiche Causerie
uns vielfach vergnügt, dann durchziehen wir mit ihm die Schweiz, um dann in
Lyon Rousseau einen Besuch abzustatten. Später begeben wir uns mit ihm
nach Paris und an den Hof Ludwig's XV., wo wir ihm in Verkehr mit allerlei
interessanten Persönlichkeiten, mit dem König selbst, mit dem Dauphin, mit
Madame Geoffrin, deren Salons die Schöngeister der französischen Metropole
in sich versammelten, u. a. sehen und mit ihm dem berüchtigten Scheidungsprozesse
des Vicomte de Bombelles und einer Abendandacht zu Ehren der „heiligen"
Frau v. Maintenon beiwohnen. Andere Abschnitte führen uns uach London;
an den Hof Friedrich's des Großen; nach Wien zu Kaiser Joseph dem Zweiten,
zu Gluck und Metastasio; nach Italien, wo sich bei dem jungen Reisenden die
Neigung ausbildete, der Erbach seine berühmten Sammlungen verdankt; nach
Venedig, wo wir mit ihm die Bekanntschaft des wunderlichen Halborientalen
de Montague machen; nach Rom, wo wir mit ihm dem Papst Clemens dem
vierzehnten (Ganganelli) vorgestellt werden; nach Neapel und Florenz. Allent¬
halben haben wir mit ihm Gelegenheit, lehrreiche Blicke in das Leben der vor¬
nehmen Welt und in die Sitten des Volkes zu thun. Die Schilderung des
Festes z. B., bei dem in Neapel das Blut des heiligen Januarius fließt,
S. 75 ff., ist vielleicht die beste, die existirt. Auch die ferneren Kapitel,
welche uns von den Regiernngsjahren des Grafen, von seinen Bauten, Aus¬
grabungen und Sammlungen, seiner zweiten italienischen Reise berichten, uns
die Mitarbeiter derselben porträtiren, uns die Rheinbundszeit und die Bestre¬
bungen der Mediatisirten auf dem Wiener Kongresse charakterisiren und schlie߬
lich die letzten Lebensjahre des Helden dieser Darstellung schildern, ent¬
halten eine Fülle interessanten Stoffes, und so bildet das Buch einen durchweg
lesenswerthen Beitrag zu unserer kulturhistorischen Literatur.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.
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[0168] regungeu wurde. Wir sehen, wie der Graf Franz sich allmählich entwickelte, und wir begleiten ihn auf seinen Reisen, die ihn mit den interessantesten und be¬ deutendsten Männern und Frauen in Berührung bringen. In Lausanne besuchen wir eine Adelsakademie der damaligen Zeit, von Genf aus machen wir mit ihm einen Abstecher zu dem „Philosophen von Ferney", dessen geistreiche Causerie uns vielfach vergnügt, dann durchziehen wir mit ihm die Schweiz, um dann in Lyon Rousseau einen Besuch abzustatten. Später begeben wir uns mit ihm nach Paris und an den Hof Ludwig's XV., wo wir ihm in Verkehr mit allerlei interessanten Persönlichkeiten, mit dem König selbst, mit dem Dauphin, mit Madame Geoffrin, deren Salons die Schöngeister der französischen Metropole in sich versammelten, u. a. sehen und mit ihm dem berüchtigten Scheidungsprozesse des Vicomte de Bombelles und einer Abendandacht zu Ehren der „heiligen" Frau v. Maintenon beiwohnen. Andere Abschnitte führen uns uach London; an den Hof Friedrich's des Großen; nach Wien zu Kaiser Joseph dem Zweiten, zu Gluck und Metastasio; nach Italien, wo sich bei dem jungen Reisenden die Neigung ausbildete, der Erbach seine berühmten Sammlungen verdankt; nach Venedig, wo wir mit ihm die Bekanntschaft des wunderlichen Halborientalen de Montague machen; nach Rom, wo wir mit ihm dem Papst Clemens dem vierzehnten (Ganganelli) vorgestellt werden; nach Neapel und Florenz. Allent¬ halben haben wir mit ihm Gelegenheit, lehrreiche Blicke in das Leben der vor¬ nehmen Welt und in die Sitten des Volkes zu thun. Die Schilderung des Festes z. B., bei dem in Neapel das Blut des heiligen Januarius fließt, S. 75 ff., ist vielleicht die beste, die existirt. Auch die ferneren Kapitel, welche uns von den Regiernngsjahren des Grafen, von seinen Bauten, Aus¬ grabungen und Sammlungen, seiner zweiten italienischen Reise berichten, uns die Mitarbeiter derselben porträtiren, uns die Rheinbundszeit und die Bestre¬ bungen der Mediatisirten auf dem Wiener Kongresse charakterisiren und schlie߬ lich die letzten Lebensjahre des Helden dieser Darstellung schildern, ent¬ halten eine Fülle interessanten Stoffes, und so bildet das Buch einen durchweg lesenswerthen Beitrag zu unserer kulturhistorischen Literatur. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/168>, abgerufen am 23.07.2024.