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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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in Paris ausgeführt hat, da nicht anzunehmen ist, daß seine Schüler ihn auch
nach Paris begleitet haben. Man darf sich im Allgemeinen die Mithilfe der
Schüler nicht allzu umfassend vorstellen. Wir werden später sehen, daß Rubens
eine ungeheure Arbeitskraft besaß und in unglaublich kurzer Zeit unglaublich
viel leisten konnte.

Die Bilder für Maria von Medicis sind im Jahre 1818 auf Befehl
Ludwig's XVIII. ans dem Luxemburgpalast entfernt und in das Louvre über¬
führt worden. Bei dieser Gelegenheit sind sie leider einer Restauration unter¬
zogen worden. Wie weit dieselbe sich erstreckt hat, scheint sich nicht mehr
feststellen zu lassen. Die Einen sprechen von einer "schreienden" Restauration,
andere sagen, die Bilder seien nur zu scharf geputzt worden und hätten dadurch
ihren goldigen Ton verloren. Aber trotz ihres gegenwärtigen Zustandes ist
ihre Wirkung eine geradezu überwältigende. Wenn man von dem abenteuer¬
lichen Gemisch von realen und allegorischen Elementen absieht, welches dem
Geschmack und der Gelehrsamkeit des Zeitalters entsprach, und diese Bilder nur
auf ihren rein malerischen Werth, die dargestellten Szenen auf ihren dramatischen
Gehalt betrachtet, wird man ihnen schwerlich aus der Wirksamkeit eines andern
Künstlers gleichwertige Pendants in gleicher Zahl an die Seite stellen können.
Als Rubens die sechs großen Bilder mit Darstellungen aus der Geschichte
des Konsuls Decius Mus malte, die sich jetzt in der Galerie Liechtenstein in
Wien befinden, beseelte ihn dieselbe dramatische Kraft, dasselbe Feuer und das¬
selbe großartige Stilgefühl.

Am 17. Juni 1625 war Rubens wieder in Antwerpen. Das ersehen wir
aus dem sechsten, vom 3. Juli datirten Briefe in unserer Reihe, der an Herrn
von Valaves gerichtet ist und bittere Klagen über die Verzögerung der Zahlungen
aus Paris enthält. Ein Herr von Argouges war mit der Angelegenheit betraut
worden, und um ihn sich geneigt zu machen, hatte ihm Rubens, wie er in dem
Briefe hervorhebt, "ein großes und schönes Gemälde, ganz von seiner Hand"
geschenkt. Es ist charakteristisch für jene Zeitperiode, daß Rubens bereits die
Eigenhändigkeit einer Arbeit als besonders werthvoll hervorhebt. Das Datum
des 17. Juni als Tag seiner Ankunft ist übrigens nicht so genau zu nehmen.
Er sagt in dem Briefe, er sei nur zwanzig Tage hier, aber wir besitzen von
ihm noch einen zweiten, aus Antwerpen vom 12. Juni datirten Brief, in
welchem er sagt, er sei in der Nacht zum 11. Juni in Brüssel angelangt.

Der nächste Brief ist an Herrn von Peiresc gerichtet und aus Madrid
vom 2. Dezember 1628 datirt. "Unsere ganze Korrespondenz," schreibt Rubens,
"ist durch eine Reise nach Spanien unterbrochen worden, welche die erlauchteste
Infantin mir zu machen befohlen hat, und zwar so geheimnißvoll und so schnell,
daß sie mir nicht einmal erlaubt hat, einen einzigen Freund zu besuchen, nicht


in Paris ausgeführt hat, da nicht anzunehmen ist, daß seine Schüler ihn auch
nach Paris begleitet haben. Man darf sich im Allgemeinen die Mithilfe der
Schüler nicht allzu umfassend vorstellen. Wir werden später sehen, daß Rubens
eine ungeheure Arbeitskraft besaß und in unglaublich kurzer Zeit unglaublich
viel leisten konnte.

Die Bilder für Maria von Medicis sind im Jahre 1818 auf Befehl
Ludwig's XVIII. ans dem Luxemburgpalast entfernt und in das Louvre über¬
führt worden. Bei dieser Gelegenheit sind sie leider einer Restauration unter¬
zogen worden. Wie weit dieselbe sich erstreckt hat, scheint sich nicht mehr
feststellen zu lassen. Die Einen sprechen von einer „schreienden" Restauration,
andere sagen, die Bilder seien nur zu scharf geputzt worden und hätten dadurch
ihren goldigen Ton verloren. Aber trotz ihres gegenwärtigen Zustandes ist
ihre Wirkung eine geradezu überwältigende. Wenn man von dem abenteuer¬
lichen Gemisch von realen und allegorischen Elementen absieht, welches dem
Geschmack und der Gelehrsamkeit des Zeitalters entsprach, und diese Bilder nur
auf ihren rein malerischen Werth, die dargestellten Szenen auf ihren dramatischen
Gehalt betrachtet, wird man ihnen schwerlich aus der Wirksamkeit eines andern
Künstlers gleichwertige Pendants in gleicher Zahl an die Seite stellen können.
Als Rubens die sechs großen Bilder mit Darstellungen aus der Geschichte
des Konsuls Decius Mus malte, die sich jetzt in der Galerie Liechtenstein in
Wien befinden, beseelte ihn dieselbe dramatische Kraft, dasselbe Feuer und das¬
selbe großartige Stilgefühl.

Am 17. Juni 1625 war Rubens wieder in Antwerpen. Das ersehen wir
aus dem sechsten, vom 3. Juli datirten Briefe in unserer Reihe, der an Herrn
von Valaves gerichtet ist und bittere Klagen über die Verzögerung der Zahlungen
aus Paris enthält. Ein Herr von Argouges war mit der Angelegenheit betraut
worden, und um ihn sich geneigt zu machen, hatte ihm Rubens, wie er in dem
Briefe hervorhebt, „ein großes und schönes Gemälde, ganz von seiner Hand"
geschenkt. Es ist charakteristisch für jene Zeitperiode, daß Rubens bereits die
Eigenhändigkeit einer Arbeit als besonders werthvoll hervorhebt. Das Datum
des 17. Juni als Tag seiner Ankunft ist übrigens nicht so genau zu nehmen.
Er sagt in dem Briefe, er sei nur zwanzig Tage hier, aber wir besitzen von
ihm noch einen zweiten, aus Antwerpen vom 12. Juni datirten Brief, in
welchem er sagt, er sei in der Nacht zum 11. Juni in Brüssel angelangt.

Der nächste Brief ist an Herrn von Peiresc gerichtet und aus Madrid
vom 2. Dezember 1628 datirt. „Unsere ganze Korrespondenz," schreibt Rubens,
„ist durch eine Reise nach Spanien unterbrochen worden, welche die erlauchteste
Infantin mir zu machen befohlen hat, und zwar so geheimnißvoll und so schnell,
daß sie mir nicht einmal erlaubt hat, einen einzigen Freund zu besuchen, nicht


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[0157] in Paris ausgeführt hat, da nicht anzunehmen ist, daß seine Schüler ihn auch nach Paris begleitet haben. Man darf sich im Allgemeinen die Mithilfe der Schüler nicht allzu umfassend vorstellen. Wir werden später sehen, daß Rubens eine ungeheure Arbeitskraft besaß und in unglaublich kurzer Zeit unglaublich viel leisten konnte. Die Bilder für Maria von Medicis sind im Jahre 1818 auf Befehl Ludwig's XVIII. ans dem Luxemburgpalast entfernt und in das Louvre über¬ führt worden. Bei dieser Gelegenheit sind sie leider einer Restauration unter¬ zogen worden. Wie weit dieselbe sich erstreckt hat, scheint sich nicht mehr feststellen zu lassen. Die Einen sprechen von einer „schreienden" Restauration, andere sagen, die Bilder seien nur zu scharf geputzt worden und hätten dadurch ihren goldigen Ton verloren. Aber trotz ihres gegenwärtigen Zustandes ist ihre Wirkung eine geradezu überwältigende. Wenn man von dem abenteuer¬ lichen Gemisch von realen und allegorischen Elementen absieht, welches dem Geschmack und der Gelehrsamkeit des Zeitalters entsprach, und diese Bilder nur auf ihren rein malerischen Werth, die dargestellten Szenen auf ihren dramatischen Gehalt betrachtet, wird man ihnen schwerlich aus der Wirksamkeit eines andern Künstlers gleichwertige Pendants in gleicher Zahl an die Seite stellen können. Als Rubens die sechs großen Bilder mit Darstellungen aus der Geschichte des Konsuls Decius Mus malte, die sich jetzt in der Galerie Liechtenstein in Wien befinden, beseelte ihn dieselbe dramatische Kraft, dasselbe Feuer und das¬ selbe großartige Stilgefühl. Am 17. Juni 1625 war Rubens wieder in Antwerpen. Das ersehen wir aus dem sechsten, vom 3. Juli datirten Briefe in unserer Reihe, der an Herrn von Valaves gerichtet ist und bittere Klagen über die Verzögerung der Zahlungen aus Paris enthält. Ein Herr von Argouges war mit der Angelegenheit betraut worden, und um ihn sich geneigt zu machen, hatte ihm Rubens, wie er in dem Briefe hervorhebt, „ein großes und schönes Gemälde, ganz von seiner Hand" geschenkt. Es ist charakteristisch für jene Zeitperiode, daß Rubens bereits die Eigenhändigkeit einer Arbeit als besonders werthvoll hervorhebt. Das Datum des 17. Juni als Tag seiner Ankunft ist übrigens nicht so genau zu nehmen. Er sagt in dem Briefe, er sei nur zwanzig Tage hier, aber wir besitzen von ihm noch einen zweiten, aus Antwerpen vom 12. Juni datirten Brief, in welchem er sagt, er sei in der Nacht zum 11. Juni in Brüssel angelangt. Der nächste Brief ist an Herrn von Peiresc gerichtet und aus Madrid vom 2. Dezember 1628 datirt. „Unsere ganze Korrespondenz," schreibt Rubens, „ist durch eine Reise nach Spanien unterbrochen worden, welche die erlauchteste Infantin mir zu machen befohlen hat, und zwar so geheimnißvoll und so schnell, daß sie mir nicht einmal erlaubt hat, einen einzigen Freund zu besuchen, nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/157>, abgerufen am 23.07.2024.