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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Kardinal Richelieu, obwohl ich ihm ein kurzgefaßtes Prugramm schriftlich über¬
reicht habe, ist mit der Staatsregierung so beschäftigt, daß er nicht die Zeit
gehabt hat, es ein einziges Mal anzusehen. Ich bin also entschlossen, wenn
ich meine Abfertigung erhalten kann, sofort abzureisen und ihm und dem Abt
von Se. Ambroise die Sorge zu überlassen, mir zu erkennen zu geben, was
man beschließen wird. Im Ganzen habe ich diesen Hof satt, und wenn man
mich nicht mit einer Schnelligkeit befriedigt, welche der Pünktlichkeit gleich¬
kommt, deren ich mich im Dienste der Königin-Mutter bedient habe, kann es
geschehen -- ich sage es Ihnen im Vertrauen --, daß ich so leicht nicht wieder
hierher zurückkomme, obgleich ich, um die Wahrheit zu sagen, mich bis jetzt
nicht über das Benehmen Sr. Majestät beklagen kann; denn die Verzöge¬
rungen sind begründet und entschuldbar. Aber währenddem vergeht die Zeit,
und ich bin fern von Hause, was mir großen Schaden verursacht."

Dieser auch in kulturgeschichtlicher Beziehung interessante Brief gibt uns
bezeichnende Aufklärungen über die damalige Stimmung am französischen Hofe,
über die Aufnahme der Epopöe, wie man den Bilderzyklus genannt hat, und
zugleich authentische Mittheilung zur Geschichte desselben und zu dem sich
daranschließenden zweiten Auftrag. Diese zweite Galerie, von welcher am
Schlüsse des Briefes die Rede ist, sollte in ähnlicher Weise die Thaten und
die Regierung Heinrich's IV. verherrlichen. Doch gelangte dieser Zyklus nicht
zur Ausführung. Sechs unvollendete große Gemälde befanden sich in Rubens'
Nachlaß. Zwei derselben sind jetzt in den Uffizien in Florenz. Auch sind noch
zwei Skizzen vorhanden, eine im Berliner Museum und eine in der Samm¬
lung des Sir Robert Wallace in London. Der Grund, weshalb dieser Zyklus
nicht zur Ausführung kam, ist die im Jahre 1631 erfolgte Verbannung der
Maria von Medicis aus Frankreich. Es ist für den großen Meister im hohen
Grade charakteristisch, daß er, obgleich ihm für den ersten Zyklus keine Be¬
zahlung zu Theil geworden, doch an den zweiten heranging. Im Jahre 1631
kam Maria von allen Mitteln entblößt in Antwerpen an. Der Maler nahm
die Vertriebene gastfreundlich in seinem Hause auf, und wenn er schließlich,
als sie bei ihm noch eine Geldanleihe machte, ihre Juwelen als Pfand be¬
hielt, so darf man ihn deshalb nicht des Geizes oder der Habsucht zeihen.
Er hatte die Arbeit von vier Jahren umsonst gemacht. Wir wissen, daß
während dieser Zeit ihm viele Schüler zur Seite standen, welche ohne Zweifel
mehr oder minder bedeutende Partieen auf diesen kolossalen, bis zu 12 Fuß hohen
und bis 22 Fuß breiten Gemälden ausführten. Man war bisher über ihren
Antheil zweifelhaft. Die beste Kontrole bietet uns das in dem obigen Briefe
genannte Bild, "Glück der Regentschaft" (Louvre Ur. 448), welches Rubens
in verhältnißmäßig kurzer Zeit -- in höchstens acht Wochen -- eigenhändig


Kardinal Richelieu, obwohl ich ihm ein kurzgefaßtes Prugramm schriftlich über¬
reicht habe, ist mit der Staatsregierung so beschäftigt, daß er nicht die Zeit
gehabt hat, es ein einziges Mal anzusehen. Ich bin also entschlossen, wenn
ich meine Abfertigung erhalten kann, sofort abzureisen und ihm und dem Abt
von Se. Ambroise die Sorge zu überlassen, mir zu erkennen zu geben, was
man beschließen wird. Im Ganzen habe ich diesen Hof satt, und wenn man
mich nicht mit einer Schnelligkeit befriedigt, welche der Pünktlichkeit gleich¬
kommt, deren ich mich im Dienste der Königin-Mutter bedient habe, kann es
geschehen — ich sage es Ihnen im Vertrauen —, daß ich so leicht nicht wieder
hierher zurückkomme, obgleich ich, um die Wahrheit zu sagen, mich bis jetzt
nicht über das Benehmen Sr. Majestät beklagen kann; denn die Verzöge¬
rungen sind begründet und entschuldbar. Aber währenddem vergeht die Zeit,
und ich bin fern von Hause, was mir großen Schaden verursacht."

Dieser auch in kulturgeschichtlicher Beziehung interessante Brief gibt uns
bezeichnende Aufklärungen über die damalige Stimmung am französischen Hofe,
über die Aufnahme der Epopöe, wie man den Bilderzyklus genannt hat, und
zugleich authentische Mittheilung zur Geschichte desselben und zu dem sich
daranschließenden zweiten Auftrag. Diese zweite Galerie, von welcher am
Schlüsse des Briefes die Rede ist, sollte in ähnlicher Weise die Thaten und
die Regierung Heinrich's IV. verherrlichen. Doch gelangte dieser Zyklus nicht
zur Ausführung. Sechs unvollendete große Gemälde befanden sich in Rubens'
Nachlaß. Zwei derselben sind jetzt in den Uffizien in Florenz. Auch sind noch
zwei Skizzen vorhanden, eine im Berliner Museum und eine in der Samm¬
lung des Sir Robert Wallace in London. Der Grund, weshalb dieser Zyklus
nicht zur Ausführung kam, ist die im Jahre 1631 erfolgte Verbannung der
Maria von Medicis aus Frankreich. Es ist für den großen Meister im hohen
Grade charakteristisch, daß er, obgleich ihm für den ersten Zyklus keine Be¬
zahlung zu Theil geworden, doch an den zweiten heranging. Im Jahre 1631
kam Maria von allen Mitteln entblößt in Antwerpen an. Der Maler nahm
die Vertriebene gastfreundlich in seinem Hause auf, und wenn er schließlich,
als sie bei ihm noch eine Geldanleihe machte, ihre Juwelen als Pfand be¬
hielt, so darf man ihn deshalb nicht des Geizes oder der Habsucht zeihen.
Er hatte die Arbeit von vier Jahren umsonst gemacht. Wir wissen, daß
während dieser Zeit ihm viele Schüler zur Seite standen, welche ohne Zweifel
mehr oder minder bedeutende Partieen auf diesen kolossalen, bis zu 12 Fuß hohen
und bis 22 Fuß breiten Gemälden ausführten. Man war bisher über ihren
Antheil zweifelhaft. Die beste Kontrole bietet uns das in dem obigen Briefe
genannte Bild, „Glück der Regentschaft" (Louvre Ur. 448), welches Rubens
in verhältnißmäßig kurzer Zeit — in höchstens acht Wochen — eigenhändig


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[0156] Kardinal Richelieu, obwohl ich ihm ein kurzgefaßtes Prugramm schriftlich über¬ reicht habe, ist mit der Staatsregierung so beschäftigt, daß er nicht die Zeit gehabt hat, es ein einziges Mal anzusehen. Ich bin also entschlossen, wenn ich meine Abfertigung erhalten kann, sofort abzureisen und ihm und dem Abt von Se. Ambroise die Sorge zu überlassen, mir zu erkennen zu geben, was man beschließen wird. Im Ganzen habe ich diesen Hof satt, und wenn man mich nicht mit einer Schnelligkeit befriedigt, welche der Pünktlichkeit gleich¬ kommt, deren ich mich im Dienste der Königin-Mutter bedient habe, kann es geschehen — ich sage es Ihnen im Vertrauen —, daß ich so leicht nicht wieder hierher zurückkomme, obgleich ich, um die Wahrheit zu sagen, mich bis jetzt nicht über das Benehmen Sr. Majestät beklagen kann; denn die Verzöge¬ rungen sind begründet und entschuldbar. Aber währenddem vergeht die Zeit, und ich bin fern von Hause, was mir großen Schaden verursacht." Dieser auch in kulturgeschichtlicher Beziehung interessante Brief gibt uns bezeichnende Aufklärungen über die damalige Stimmung am französischen Hofe, über die Aufnahme der Epopöe, wie man den Bilderzyklus genannt hat, und zugleich authentische Mittheilung zur Geschichte desselben und zu dem sich daranschließenden zweiten Auftrag. Diese zweite Galerie, von welcher am Schlüsse des Briefes die Rede ist, sollte in ähnlicher Weise die Thaten und die Regierung Heinrich's IV. verherrlichen. Doch gelangte dieser Zyklus nicht zur Ausführung. Sechs unvollendete große Gemälde befanden sich in Rubens' Nachlaß. Zwei derselben sind jetzt in den Uffizien in Florenz. Auch sind noch zwei Skizzen vorhanden, eine im Berliner Museum und eine in der Samm¬ lung des Sir Robert Wallace in London. Der Grund, weshalb dieser Zyklus nicht zur Ausführung kam, ist die im Jahre 1631 erfolgte Verbannung der Maria von Medicis aus Frankreich. Es ist für den großen Meister im hohen Grade charakteristisch, daß er, obgleich ihm für den ersten Zyklus keine Be¬ zahlung zu Theil geworden, doch an den zweiten heranging. Im Jahre 1631 kam Maria von allen Mitteln entblößt in Antwerpen an. Der Maler nahm die Vertriebene gastfreundlich in seinem Hause auf, und wenn er schließlich, als sie bei ihm noch eine Geldanleihe machte, ihre Juwelen als Pfand be¬ hielt, so darf man ihn deshalb nicht des Geizes oder der Habsucht zeihen. Er hatte die Arbeit von vier Jahren umsonst gemacht. Wir wissen, daß während dieser Zeit ihm viele Schüler zur Seite standen, welche ohne Zweifel mehr oder minder bedeutende Partieen auf diesen kolossalen, bis zu 12 Fuß hohen und bis 22 Fuß breiten Gemälden ausführten. Man war bisher über ihren Antheil zweifelhaft. Die beste Kontrole bietet uns das in dem obigen Briefe genannte Bild, „Glück der Regentschaft" (Louvre Ur. 448), welches Rubens in verhältnißmäßig kurzer Zeit — in höchstens acht Wochen — eigenhändig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/156>, abgerufen am 23.07.2024.