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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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ligionen wohl zur Weltherrschaft bestimmt sei. Ja es will fast den Anschein
gewinnen, als ob der Sinn der berüchtigten Schmähschrift of tribus imxosto-
ribiiL in das Gewand der italienischen Relationen gehüllt wäre. Bekanntlich
schiebt der offene Brief Gregor's IX. dieses Machwerk Friedrich II. unter.
Wenn aber auch der Kaiser die Autorschaft entschieden in Abrede stellte, so hat
doch der Papst den Gedanken auch nicht erfunden, er lag eben im Zeitbewußt¬
sein. Klar und offen liegt der Zweifel über das Verhältniß der drei Reli¬
gionen zu einander in einem Gedichte Walther's von der Vogelweide vor, welcher,
wie bekannt, Friedrich II. 1228 auf seinem Zuge nach Palästina begleitete.
Die betreffende Stelle lautet:


Juden, cristen unde Heiden
jehent, daz diz ir erde si:
got müez ez ze reste scheiden
dur die sine namen dri.
al diu Welt diu stritet her:
wir sin an der rester ger,
reht ist daz er uns gewer.

Ganz ähnlich äußert sich auch Freidank in einem Gedichte:


Wer kan den fern gescheiten
under cristen juten Heiden,
wan got, der si geschaffen du-t
und allein dire im jemens M?

Insbesondere mag der Tempelritterorden dieser freieren Ansicht gehuldigt haben.
Nach Einerlei's Weltbuch (1190--1251) war selbst Saladin von religiösen
Zweifeln uicht frei. Er soll sich, wie die Sage berichtet, als er sein Ende
fühlte, und die Aerzte erkannten, daß er nicht genesen könne, zur Sicherung
seines Seelenheils ans dreifache Weise vor seinem Tode assekurirt haben. Er
zerlegte ein kostbares Erbstück, einen Tisch aus Saphir, in drei Theile, gab
dem Machmet, dem Christengott und dem Judengott jedem ein Theil und
sagte: "Wer nun der stärkste von allen dreien ist, der mag mir helfen." Da¬
mit schied feine Seele von hinnen. In der jüdischen Relation findet sich noch
keine Spur von diesem Umschwunge der religiösen Anschauungsweise. Weder
wird die eine der beiden Religionen für die echte erklärt, noch alle beide für
gleich falsch und irrig. Judenthum und Christenthum sind vielmehr zwei von
Gott stammende wahre Religionen, denen nicht der geringste Betrug anhaftet.

Lassen schon die angeführten Indizien die Ursprünglichkeit der Erzählung
in der jüdischen Quelle nicht verkennen, so wird dieselbe noch erhöht, wenn
wir auf die Art der Lösung des Problems sehen. Nach dem Schedels
Jehuda gibt der Jude auf die Frage des Königs, deren große Tragweite und
schwerwiegende Bedeutung ihm sofort vor der Seele steht, zuerst eine auswei¬
chende Autwort. Man merkt die Vorsicht und Berechnung, welche sich in


ligionen wohl zur Weltherrschaft bestimmt sei. Ja es will fast den Anschein
gewinnen, als ob der Sinn der berüchtigten Schmähschrift of tribus imxosto-
ribiiL in das Gewand der italienischen Relationen gehüllt wäre. Bekanntlich
schiebt der offene Brief Gregor's IX. dieses Machwerk Friedrich II. unter.
Wenn aber auch der Kaiser die Autorschaft entschieden in Abrede stellte, so hat
doch der Papst den Gedanken auch nicht erfunden, er lag eben im Zeitbewußt¬
sein. Klar und offen liegt der Zweifel über das Verhältniß der drei Reli¬
gionen zu einander in einem Gedichte Walther's von der Vogelweide vor, welcher,
wie bekannt, Friedrich II. 1228 auf seinem Zuge nach Palästina begleitete.
Die betreffende Stelle lautet:


Juden, cristen unde Heiden
jehent, daz diz ir erde si:
got müez ez ze reste scheiden
dur die sine namen dri.
al diu Welt diu stritet her:
wir sin an der rester ger,
reht ist daz er uns gewer.

Ganz ähnlich äußert sich auch Freidank in einem Gedichte:


Wer kan den fern gescheiten
under cristen juten Heiden,
wan got, der si geschaffen du-t
und allein dire im jemens M?

Insbesondere mag der Tempelritterorden dieser freieren Ansicht gehuldigt haben.
Nach Einerlei's Weltbuch (1190—1251) war selbst Saladin von religiösen
Zweifeln uicht frei. Er soll sich, wie die Sage berichtet, als er sein Ende
fühlte, und die Aerzte erkannten, daß er nicht genesen könne, zur Sicherung
seines Seelenheils ans dreifache Weise vor seinem Tode assekurirt haben. Er
zerlegte ein kostbares Erbstück, einen Tisch aus Saphir, in drei Theile, gab
dem Machmet, dem Christengott und dem Judengott jedem ein Theil und
sagte: „Wer nun der stärkste von allen dreien ist, der mag mir helfen." Da¬
mit schied feine Seele von hinnen. In der jüdischen Relation findet sich noch
keine Spur von diesem Umschwunge der religiösen Anschauungsweise. Weder
wird die eine der beiden Religionen für die echte erklärt, noch alle beide für
gleich falsch und irrig. Judenthum und Christenthum sind vielmehr zwei von
Gott stammende wahre Religionen, denen nicht der geringste Betrug anhaftet.

Lassen schon die angeführten Indizien die Ursprünglichkeit der Erzählung
in der jüdischen Quelle nicht verkennen, so wird dieselbe noch erhöht, wenn
wir auf die Art der Lösung des Problems sehen. Nach dem Schedels
Jehuda gibt der Jude auf die Frage des Königs, deren große Tragweite und
schwerwiegende Bedeutung ihm sofort vor der Seele steht, zuerst eine auswei¬
chende Autwort. Man merkt die Vorsicht und Berechnung, welche sich in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/142>, abgerufen am 23.07.2024.