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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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nur mit medizinischen und chirurgischen Instrumenten zu versehen, sondern auch
physikalische, meteorologische und astronomische Bücher und Apparate mitzu¬
nehmen.

Es ist zweifellos, daß der Aufenthalt in Paris und die Reise in die
Tropenwelt auf die Entwickelung Mayer's den größten Einfluß ausgeübt
haben. Zwar haben wir von ihm keine Aeußerungen darüber -- wenigstens
find bis jetzt keine veröffentlicht --, aber wir dürfen annehmen, daß er in der
Pariser wissenschaftlichen Luft mit denjenigen Experimental-Untersuchungen be¬
kannt wurde, die er später für seine Entdeckung mit so ungemeinem Scharfsinn
zu benutzen wußte. Auch regte seinen Geist ja jene Beobachtung an, die er
nur in den Tropen macheu konnte, und die wir bereits im vorigen Artikel mit¬
getheilt haben. Auf der Seereise hatte er gleichfalls eine für feine Entdeckung
wichtige Thatsache kennen gelernt. Der Steuermann seines Schiffes hatte ihm
erzählt, daß das Meerwasser nach einem Sturme wärmer sei, als vor demselben.
Die landläufige Erklärung, daß durch Reibung eben Wärme entstehe, befriedigte
ihn ebenso wenig, wie die Erklärung, welche die deutschen Aerzte zu Batavia
für den geringen Farbenunterschied des venösen und arteriellen Blutes gaben:
es sei die Hitze, welche dies bewirke. Mayer wollte einen bestimmten Zusammen¬
hang zwischen den Erscheinungen kennen lernen, und indem er unermüdlich
danach suchte, fand er die Aequivalenz zwischen Bewegung und Wärme. Zu
Surabciya im Jahre 1840 machte er seine große Entdeckung. Er selbst gibt
diesen Ort und diese Zeit an in einem Briefe an die Pariser Akademie vom
Jahre 1848 (0oraxt68 rsn<w8 vom 16. Oktober 1848).

Es war Mayer's Absicht gewesen, auf längere Jahre von der Heimat
fern zu bleiben. Aber fein neuer Gedanke ließ ihm keine Ruhe. Unerwartet
schnell, im Februar 1841, kam er in Europa wieder an und kehrte ungesäumt
nach Heilbronn in seine ärztliche Praxis zurück. Sofort ging er hier an die
Arbeit, seine Ideen zu verfolgen und sie durch Experimente zu bekräftigen.
Sein Bruder Fritz, jetzt Inhaber der väterlichen Apotheke, war sein erster An¬
hänger und -- sein einziger. Allen trug Mayer seinen Gedanken vor, von
denen er glaubte, Unterstützung und Förderung erwarten zu dürfen: den Kol¬
legen und den Professoren zu Heilbronn, zu Stuttgart, zu Tübingen, zu
Heidelberg. Ueberall begegnete ihm dasselbe bedenkliche Kopfschütteln, dasselbe
überlegene Achselzucken. Man fragte, ob er dies und jenes Buch auch studirt
habe, ob er den und jenen Abschnitt, der wichtig sei, auch kenne. Man rieth
ihm, zu lesen und noch einmal zu prüfen. Sogar eine Hegel'sche Logik steckte
man ihm in die Hand und die Hegel'sche Naturphilosophie. Aber Mayer trug
sie dem glücklichen Besitzer nach wenigen Tagen wieder hin und bemerkte, daß
er keine Silbe davon verstanden habe und nichts davon verstehen würde, auch


nur mit medizinischen und chirurgischen Instrumenten zu versehen, sondern auch
physikalische, meteorologische und astronomische Bücher und Apparate mitzu¬
nehmen.

Es ist zweifellos, daß der Aufenthalt in Paris und die Reise in die
Tropenwelt auf die Entwickelung Mayer's den größten Einfluß ausgeübt
haben. Zwar haben wir von ihm keine Aeußerungen darüber — wenigstens
find bis jetzt keine veröffentlicht —, aber wir dürfen annehmen, daß er in der
Pariser wissenschaftlichen Luft mit denjenigen Experimental-Untersuchungen be¬
kannt wurde, die er später für seine Entdeckung mit so ungemeinem Scharfsinn
zu benutzen wußte. Auch regte seinen Geist ja jene Beobachtung an, die er
nur in den Tropen macheu konnte, und die wir bereits im vorigen Artikel mit¬
getheilt haben. Auf der Seereise hatte er gleichfalls eine für feine Entdeckung
wichtige Thatsache kennen gelernt. Der Steuermann seines Schiffes hatte ihm
erzählt, daß das Meerwasser nach einem Sturme wärmer sei, als vor demselben.
Die landläufige Erklärung, daß durch Reibung eben Wärme entstehe, befriedigte
ihn ebenso wenig, wie die Erklärung, welche die deutschen Aerzte zu Batavia
für den geringen Farbenunterschied des venösen und arteriellen Blutes gaben:
es sei die Hitze, welche dies bewirke. Mayer wollte einen bestimmten Zusammen¬
hang zwischen den Erscheinungen kennen lernen, und indem er unermüdlich
danach suchte, fand er die Aequivalenz zwischen Bewegung und Wärme. Zu
Surabciya im Jahre 1840 machte er seine große Entdeckung. Er selbst gibt
diesen Ort und diese Zeit an in einem Briefe an die Pariser Akademie vom
Jahre 1848 (0oraxt68 rsn<w8 vom 16. Oktober 1848).

Es war Mayer's Absicht gewesen, auf längere Jahre von der Heimat
fern zu bleiben. Aber fein neuer Gedanke ließ ihm keine Ruhe. Unerwartet
schnell, im Februar 1841, kam er in Europa wieder an und kehrte ungesäumt
nach Heilbronn in seine ärztliche Praxis zurück. Sofort ging er hier an die
Arbeit, seine Ideen zu verfolgen und sie durch Experimente zu bekräftigen.
Sein Bruder Fritz, jetzt Inhaber der väterlichen Apotheke, war sein erster An¬
hänger und — sein einziger. Allen trug Mayer seinen Gedanken vor, von
denen er glaubte, Unterstützung und Förderung erwarten zu dürfen: den Kol¬
legen und den Professoren zu Heilbronn, zu Stuttgart, zu Tübingen, zu
Heidelberg. Ueberall begegnete ihm dasselbe bedenkliche Kopfschütteln, dasselbe
überlegene Achselzucken. Man fragte, ob er dies und jenes Buch auch studirt
habe, ob er den und jenen Abschnitt, der wichtig sei, auch kenne. Man rieth
ihm, zu lesen und noch einmal zu prüfen. Sogar eine Hegel'sche Logik steckte
man ihm in die Hand und die Hegel'sche Naturphilosophie. Aber Mayer trug
sie dem glücklichen Besitzer nach wenigen Tagen wieder hin und bemerkte, daß
er keine Silbe davon verstanden habe und nichts davon verstehen würde, auch


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[0106] nur mit medizinischen und chirurgischen Instrumenten zu versehen, sondern auch physikalische, meteorologische und astronomische Bücher und Apparate mitzu¬ nehmen. Es ist zweifellos, daß der Aufenthalt in Paris und die Reise in die Tropenwelt auf die Entwickelung Mayer's den größten Einfluß ausgeübt haben. Zwar haben wir von ihm keine Aeußerungen darüber — wenigstens find bis jetzt keine veröffentlicht —, aber wir dürfen annehmen, daß er in der Pariser wissenschaftlichen Luft mit denjenigen Experimental-Untersuchungen be¬ kannt wurde, die er später für seine Entdeckung mit so ungemeinem Scharfsinn zu benutzen wußte. Auch regte seinen Geist ja jene Beobachtung an, die er nur in den Tropen macheu konnte, und die wir bereits im vorigen Artikel mit¬ getheilt haben. Auf der Seereise hatte er gleichfalls eine für feine Entdeckung wichtige Thatsache kennen gelernt. Der Steuermann seines Schiffes hatte ihm erzählt, daß das Meerwasser nach einem Sturme wärmer sei, als vor demselben. Die landläufige Erklärung, daß durch Reibung eben Wärme entstehe, befriedigte ihn ebenso wenig, wie die Erklärung, welche die deutschen Aerzte zu Batavia für den geringen Farbenunterschied des venösen und arteriellen Blutes gaben: es sei die Hitze, welche dies bewirke. Mayer wollte einen bestimmten Zusammen¬ hang zwischen den Erscheinungen kennen lernen, und indem er unermüdlich danach suchte, fand er die Aequivalenz zwischen Bewegung und Wärme. Zu Surabciya im Jahre 1840 machte er seine große Entdeckung. Er selbst gibt diesen Ort und diese Zeit an in einem Briefe an die Pariser Akademie vom Jahre 1848 (0oraxt68 rsn<w8 vom 16. Oktober 1848). Es war Mayer's Absicht gewesen, auf längere Jahre von der Heimat fern zu bleiben. Aber fein neuer Gedanke ließ ihm keine Ruhe. Unerwartet schnell, im Februar 1841, kam er in Europa wieder an und kehrte ungesäumt nach Heilbronn in seine ärztliche Praxis zurück. Sofort ging er hier an die Arbeit, seine Ideen zu verfolgen und sie durch Experimente zu bekräftigen. Sein Bruder Fritz, jetzt Inhaber der väterlichen Apotheke, war sein erster An¬ hänger und — sein einziger. Allen trug Mayer seinen Gedanken vor, von denen er glaubte, Unterstützung und Förderung erwarten zu dürfen: den Kol¬ legen und den Professoren zu Heilbronn, zu Stuttgart, zu Tübingen, zu Heidelberg. Ueberall begegnete ihm dasselbe bedenkliche Kopfschütteln, dasselbe überlegene Achselzucken. Man fragte, ob er dies und jenes Buch auch studirt habe, ob er den und jenen Abschnitt, der wichtig sei, auch kenne. Man rieth ihm, zu lesen und noch einmal zu prüfen. Sogar eine Hegel'sche Logik steckte man ihm in die Hand und die Hegel'sche Naturphilosophie. Aber Mayer trug sie dem glücklichen Besitzer nach wenigen Tagen wieder hin und bemerkte, daß er keine Silbe davon verstanden habe und nichts davon verstehen würde, auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/106>, abgerufen am 24.07.2024.