Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.lands" für ein besseres Zusammenhalten der evangelischen Reichsstände Sorge So mußte es ein Fremder sein, der an die Spitze Deutschland's zu treten Und doch fühlten die deutschen Fürsten, die sich mit ihm im Drange der lands" für ein besseres Zusammenhalten der evangelischen Reichsstände Sorge So mußte es ein Fremder sein, der an die Spitze Deutschland's zu treten Und doch fühlten die deutschen Fürsten, die sich mit ihm im Drange der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0008" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140887"/> <p xml:id="ID_7" prev="#ID_6"> lands" für ein besseres Zusammenhalten der evangelischen Reichsstände Sorge<lb/> zu tragen, auch sie litten unter dieser Enge der kleinstaatlichen Verhältnisse; sie<lb/> konnten wohl weitaussehende Pläne schmieden, aber ihnen fehlte ebenso sehr<lb/> die Macht sie durchzuführen, als selbst das rechte Urtheil über ihre Ausführ¬<lb/> barkeit, denn nie hatten sie in großen politischen Geschäften gelernt Maß und<lb/> Mittel sorglich zu erwägen. Deshalb sind sie im besten Falle diplomatische<lb/> Dilettanten, keine Staatsmänner.</p><lb/> <p xml:id="ID_8"> So mußte es ein Fremder sein, der an die Spitze Deutschland's zu treten<lb/> berufen ward; einem Fremden gehörte Jahre durch die wärmste Empfindung<lb/> deutscher Herzen, Jahrzehnte lang die wehmüthige Dankbarkeit eines verzwei¬<lb/> felnden Geschlechts, das seine Heldenkraft vom äußersten Verderben errettete.<lb/> Und ein Glück wenigstens, daß dieser fremde-König ein großer Held war und<lb/> ein liebenswerther Mensch, nicht bloß von genialen Umblick und Scharfblick<lb/> beim Entwerfen seiner Pläne, von sicherer Kraft in der Beherrschung der Ver¬<lb/> hältnisse und Personen, ein fester und einsichtiger Führer der wilden Krieger-<lb/> schaaren seiner Zeit, sondern auch ein frommer Herr, der selbst die Lieder<lb/> dichtete, unter deren Klänge seine Schweden angriffen, leutselig und human<lb/> auch dem Bürger und Bauern gegenüber, die dem gewöhnlichen Kriegsobersten<lb/> nur als die Lastthiere der Soldaten galten, ein guter Gesell beim Becher ohne<lb/> doch in die rohe Trunksucht der Zeit zu verfallen, ein Liebhaber kunstloser<lb/> Musik, der oft einmal einsam über seiner Laute träumte, von seiner Gemahlin<lb/> Eleonore von Brandenburg schwärmerisch verehrt. Und auch wer seine hohe<lb/> Gestalt musterte, das hellblonde Haar, die weiße Haut, die blauen, leuchtenden<lb/> Augen, der konnte den Fremden in ihm nicht erkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_9" next="#ID_10"> Und doch fühlten die deutschen Fürsten, die sich mit ihm im Drange der<lb/> Noth gegen den Kaiser verbanden, jeden Augenblick, daß er ein Fremder sei.<lb/> Er war gekommen nicht nur um sie und ihre Kirche wider nnheimische Ge¬<lb/> walt zu schützen, er begehrte auch deutsches Land sür Schweden zu erobern,<lb/> und als er dann in raschem Siegeszuge, in jähem Ansturm die Macht der<lb/> katholischen Liga zu Boden geworfen hatte, als seine Heersünlen am Fuße der<lb/> Alpen standen und an der oberen Donau, als er damit umging, das evange¬<lb/> lische Deutschland zum Oarxus övlMAÄIeorum, zu vereinigen und selbst als<lb/> Herr von Pommern an seine Spitze zu treten, es damit thatsächlich loszu¬<lb/> reißen vom Kaiser, da erschien der nordische Erretter ihnen nicht weniger<lb/> schreckhaft, als der Habsburger, und sie dachten an Abfall, an Versöhnung mit<lb/> dem heimischen Zwingherrn. Um Sachsen's Trennung vom schwedischen Bünd-<lb/> niß zu hindern schlug Gustav Adolf die Schlacht von Lützen; doch auch, wenn<lb/> er den Sieg überlebt hätte, er würde schwerlich lange mehr seine evangelischen<lb/> Bundesgenossen haben festhalten können, in fruchtlosem Ringen hätte er seine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
lands" für ein besseres Zusammenhalten der evangelischen Reichsstände Sorge
zu tragen, auch sie litten unter dieser Enge der kleinstaatlichen Verhältnisse; sie
konnten wohl weitaussehende Pläne schmieden, aber ihnen fehlte ebenso sehr
die Macht sie durchzuführen, als selbst das rechte Urtheil über ihre Ausführ¬
barkeit, denn nie hatten sie in großen politischen Geschäften gelernt Maß und
Mittel sorglich zu erwägen. Deshalb sind sie im besten Falle diplomatische
Dilettanten, keine Staatsmänner.
So mußte es ein Fremder sein, der an die Spitze Deutschland's zu treten
berufen ward; einem Fremden gehörte Jahre durch die wärmste Empfindung
deutscher Herzen, Jahrzehnte lang die wehmüthige Dankbarkeit eines verzwei¬
felnden Geschlechts, das seine Heldenkraft vom äußersten Verderben errettete.
Und ein Glück wenigstens, daß dieser fremde-König ein großer Held war und
ein liebenswerther Mensch, nicht bloß von genialen Umblick und Scharfblick
beim Entwerfen seiner Pläne, von sicherer Kraft in der Beherrschung der Ver¬
hältnisse und Personen, ein fester und einsichtiger Führer der wilden Krieger-
schaaren seiner Zeit, sondern auch ein frommer Herr, der selbst die Lieder
dichtete, unter deren Klänge seine Schweden angriffen, leutselig und human
auch dem Bürger und Bauern gegenüber, die dem gewöhnlichen Kriegsobersten
nur als die Lastthiere der Soldaten galten, ein guter Gesell beim Becher ohne
doch in die rohe Trunksucht der Zeit zu verfallen, ein Liebhaber kunstloser
Musik, der oft einmal einsam über seiner Laute träumte, von seiner Gemahlin
Eleonore von Brandenburg schwärmerisch verehrt. Und auch wer seine hohe
Gestalt musterte, das hellblonde Haar, die weiße Haut, die blauen, leuchtenden
Augen, der konnte den Fremden in ihm nicht erkennen.
Und doch fühlten die deutschen Fürsten, die sich mit ihm im Drange der
Noth gegen den Kaiser verbanden, jeden Augenblick, daß er ein Fremder sei.
Er war gekommen nicht nur um sie und ihre Kirche wider nnheimische Ge¬
walt zu schützen, er begehrte auch deutsches Land sür Schweden zu erobern,
und als er dann in raschem Siegeszuge, in jähem Ansturm die Macht der
katholischen Liga zu Boden geworfen hatte, als seine Heersünlen am Fuße der
Alpen standen und an der oberen Donau, als er damit umging, das evange¬
lische Deutschland zum Oarxus övlMAÄIeorum, zu vereinigen und selbst als
Herr von Pommern an seine Spitze zu treten, es damit thatsächlich loszu¬
reißen vom Kaiser, da erschien der nordische Erretter ihnen nicht weniger
schreckhaft, als der Habsburger, und sie dachten an Abfall, an Versöhnung mit
dem heimischen Zwingherrn. Um Sachsen's Trennung vom schwedischen Bünd-
niß zu hindern schlug Gustav Adolf die Schlacht von Lützen; doch auch, wenn
er den Sieg überlebt hätte, er würde schwerlich lange mehr seine evangelischen
Bundesgenossen haben festhalten können, in fruchtlosem Ringen hätte er seine
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