Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.nur sorgsam darauf zu achten haben, daß die nährende Halmfrncht nicht durch Zunächst mag eine Schrift genannt werden, welche über das ganze Kampf¬ Grenzboten IV. 1878. 68
nur sorgsam darauf zu achten haben, daß die nährende Halmfrncht nicht durch Zunächst mag eine Schrift genannt werden, welche über das ganze Kampf¬ Grenzboten IV. 1878. 68
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141380"/> <p xml:id="ID_1623" prev="#ID_1622"> nur sorgsam darauf zu achten haben, daß die nährende Halmfrncht nicht durch<lb/> die Unmenge wuchernden Unkrauts erstickt wird. Nach Art und Form äußerst<lb/> verschieden, haben die Werke, welche in den nachfolgenden Zeilen besprochen<lb/> werden sollen, durchweg gerechten Anspruch darauf, als ernsthafte und wirkliche<lb/> Beiträge zur Hebung und Lösung unserer sozialen Wirren, zur Anbahnung<lb/> und Förderung der sozialen Reform betrachtet zu werden. Dieser Grundzug<lb/> kennzeichnet sie alle, wenn auch natürlich die einen in schwächerer und die<lb/> andern in stärkerer Färbung; sonst lassen sie sich freilich unter keinerlei einheit¬<lb/> lichem Gesichtspunkte rubriziren. Sie erstrecken sich über alle möglichen Rich¬<lb/> tungen des weiten Gebiets, das man mit dem Schlagworte der sozialen Frage<lb/> zu bezeichnen gewohnt ist; die Ordnung und Reihenfolge, in welcher sie an<lb/> dieser Stelle vorgeführt werden sollen, muß daher mehr oder weniger will-<lb/> kührlich sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1624"> Zunächst mag eine Schrift genannt werden, welche über das ganze Kampf¬<lb/> feld, um das es sich handelt. Heerschau abhält, unsere sozialpolitischen Parteien<lb/> auf geschichtlichem Hintergrunde gleichmäßig beleuchtet und dadurch eine fühl¬<lb/> bare Lücke in der deutschen Sozialwissenschaftlichen Literatur auszufüllen sucht<lb/> und in der That auch ausfüllt. Sie trägt den Titel: „Unsere sozialpolitischen<lb/> Parteien" (Leipzig, Brockhaus), und ihr Verfasser ist Hans von Scheel, früher<lb/> Professor an der Universität zu Bern, seit kurzem Mitglied des statistischen<lb/> Amts des deutschen Reichs. Er hat in seinem geistigen Wesen etwas Feines,<lb/> Vornehmes, Zurückhaltendes und versteht es in geradezu merkwürdiger Weise,<lb/> in seinen Schriften, deren geistige Bedeutung zu ihrer spärlichen Zahl und<lb/> ihrem geringen Umfange im umgekehrten Verhältnisse steht, seine eigenen, vom<lb/> freihändlerischen Standpunkte ans ziemlich ketzerischen Ansichten eben nur durch¬<lb/> scheinen zu lassen, ohne daß seine Darlegungen dadurch irgendwie unwahr<lb/> werden. Er ist kein lauter Rufer im Streit, sondern ein denkender und sin¬<lb/> nender Kopf, der häufig im Schweigen mehr sagt, als im Sprechen. Hier¬<lb/> durch unterscheidet er sich namentlich von Adolf Wagner, mit dem er sonst<lb/> wohl, Alles in Allem, etwa auf gleichem Standpunkte steht. Das heißt, auf<lb/> einem Staudpunkte, der sich nur durch leichte Farbentöne von dem wissen¬<lb/> schaftlichen Sozialismus der Rodbertus, Schäffle, Lange abhebt. Diese Partei-<lb/> stelluug hindert Scheel indessen nicht, in seiner neuesten Publikation mit fast<lb/> durchweg anerkennenswerther Objektivität rein nach historischen Maßen zu<lb/> messen, und wenn er die Hoffnung ausspricht, daß seine Schrift dem großen<lb/> gebildeten Publikum ein willkommenes Orientirungsmittel sein werde, so kann<lb/> man ihm durchaus beistimmen, da seine Erörterungen ohne soziale und poli¬<lb/> tische Voreingenommenheiten geschrieben sind, ferner eine Sammlung der Pro¬<lb/> gramme und endlich die nothwendigen Literaturhiuweise bieten.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1878. 68</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
nur sorgsam darauf zu achten haben, daß die nährende Halmfrncht nicht durch
die Unmenge wuchernden Unkrauts erstickt wird. Nach Art und Form äußerst
verschieden, haben die Werke, welche in den nachfolgenden Zeilen besprochen
werden sollen, durchweg gerechten Anspruch darauf, als ernsthafte und wirkliche
Beiträge zur Hebung und Lösung unserer sozialen Wirren, zur Anbahnung
und Förderung der sozialen Reform betrachtet zu werden. Dieser Grundzug
kennzeichnet sie alle, wenn auch natürlich die einen in schwächerer und die
andern in stärkerer Färbung; sonst lassen sie sich freilich unter keinerlei einheit¬
lichem Gesichtspunkte rubriziren. Sie erstrecken sich über alle möglichen Rich¬
tungen des weiten Gebiets, das man mit dem Schlagworte der sozialen Frage
zu bezeichnen gewohnt ist; die Ordnung und Reihenfolge, in welcher sie an
dieser Stelle vorgeführt werden sollen, muß daher mehr oder weniger will-
kührlich sein.
Zunächst mag eine Schrift genannt werden, welche über das ganze Kampf¬
feld, um das es sich handelt. Heerschau abhält, unsere sozialpolitischen Parteien
auf geschichtlichem Hintergrunde gleichmäßig beleuchtet und dadurch eine fühl¬
bare Lücke in der deutschen Sozialwissenschaftlichen Literatur auszufüllen sucht
und in der That auch ausfüllt. Sie trägt den Titel: „Unsere sozialpolitischen
Parteien" (Leipzig, Brockhaus), und ihr Verfasser ist Hans von Scheel, früher
Professor an der Universität zu Bern, seit kurzem Mitglied des statistischen
Amts des deutschen Reichs. Er hat in seinem geistigen Wesen etwas Feines,
Vornehmes, Zurückhaltendes und versteht es in geradezu merkwürdiger Weise,
in seinen Schriften, deren geistige Bedeutung zu ihrer spärlichen Zahl und
ihrem geringen Umfange im umgekehrten Verhältnisse steht, seine eigenen, vom
freihändlerischen Standpunkte ans ziemlich ketzerischen Ansichten eben nur durch¬
scheinen zu lassen, ohne daß seine Darlegungen dadurch irgendwie unwahr
werden. Er ist kein lauter Rufer im Streit, sondern ein denkender und sin¬
nender Kopf, der häufig im Schweigen mehr sagt, als im Sprechen. Hier¬
durch unterscheidet er sich namentlich von Adolf Wagner, mit dem er sonst
wohl, Alles in Allem, etwa auf gleichem Standpunkte steht. Das heißt, auf
einem Staudpunkte, der sich nur durch leichte Farbentöne von dem wissen¬
schaftlichen Sozialismus der Rodbertus, Schäffle, Lange abhebt. Diese Partei-
stelluug hindert Scheel indessen nicht, in seiner neuesten Publikation mit fast
durchweg anerkennenswerther Objektivität rein nach historischen Maßen zu
messen, und wenn er die Hoffnung ausspricht, daß seine Schrift dem großen
gebildeten Publikum ein willkommenes Orientirungsmittel sein werde, so kann
man ihm durchaus beistimmen, da seine Erörterungen ohne soziale und poli¬
tische Voreingenommenheiten geschrieben sind, ferner eine Sammlung der Pro¬
gramme und endlich die nothwendigen Literaturhiuweise bieten.
Grenzboten IV. 1878. 68
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