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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Sondirens halber den Antrag wegen des Ordensgesetzes voran. Hierbei ließ
sich der eigentliche Zweck vorerst noch verdecken durch den Schein, im Interesse
der Menschlichkeit aufzutreten und Mäßigung zu affektiren. Wollte man doch
nur, daß die Auflösbarkeit der am 1. dieses Monats noch bestehenden Ordens¬
niederlassungen, welche sich mit Unterricht und Erziehung der Jugend beschäf¬
tigen, sistirt werden solle. Das konnte so harmlos und wohlgemeint aussehen
und war doch so stark auf die angeblich an höchster Stelle herrschende Tendenz
berechnet. Bachem entwarf ein höchst trauriges Bild eines durch das Ordens¬
gesetz angeblich angerichteten Elends. Er suchte das Mitleid zu erregen sür
die armen "vertriebenen" Ordensfrauen und für die durch Beschaffung von
Ersatz für die Klosterschulen vorgeblich schwer geschädigten Gemeinden. Zur
Illustrirung mußte eine Anzahl unverbürgter großer Zahlen dienen und zur
Krönung der Diabolik wurde der Antrag gar als einer der ersten positiven
Schritte zur Heilung des sozialdemokratischen Uebels dargestellt.

Da ergriff Minister Falk mit völliger Ruhe und in sichtlichem Gefühle
größter Sicherheit das zum Sprung ansetzende Ungeheuer bei den Hörnern,
riß ihm unbarmherzig die heuchlerische Maske ab und warf es rücklings zu
Boden. Er zerriß den gegnerischen Kriegsplan, indem er den eigentlichen Zweck
des Zentrums in den Vordergrund stellte und die Feindseligkeit des Vorgehens
in ihrer ganzen Bedeutung scharf beleuchtete. Man glaubte den personifizirten
Staat zu vernehmen, als Falk unter dem Frohlocken der aufathmenden Freunde
der bisherigen Entwickelung und uuter den leidenschaftlichen Zwischenrufen der
grausam enttäuschten Angreifer die Unabänderlichkeit der staatlichen Stellung
betreffs des Prinzips, unter Anlehnung an das Schreiben des Kronprinzen
an den Papst, so bestimmt proklcimirte, daß man auch sür alle Zukunft scheint
beruhigt sein zu können. Nach Falk's Andeutungen scheint übrigens der Papst
bei aller Friedfertigkeit sich noch nicht entschließen zu können, dem staatlichen
Standpunkte Rechnung zu tragen. Nicht am geringsten wurde das Zentrum
auch durch die Erklärung frappirt, daß es auf dem Gebiete der Schule nichts
zu hoffen habe.

Hiermit war eigentlich der Antrag und der weitere klerikale Feldzug hin¬
fällig geworden. Unter dem tiefen Eindruck jener Rede verhallten treffliche
Ausführungen von Richter-Sangerhausen völlig und die Versuche Windthorst's,
durch neue Angriffe auf Falk, durch sophistische Auslegung jenes kronprinzlichen
Schreibens und durch unvorsichtig übertriebene Klagen über die Lage der
Katholiken das Gegengewicht zu halten, scheiterten völlig. Gegen das Gewicht
von Falk's Rede konnte nichts aufkommen und weitere Debatten wurden durch
die schroffe Form der einfachen Tagesordnung abgeschnitten. Die Fortsetzung
jener Etatsberathung brachte am 12. Dezember ein Nachspiel, indem Sybel


Sondirens halber den Antrag wegen des Ordensgesetzes voran. Hierbei ließ
sich der eigentliche Zweck vorerst noch verdecken durch den Schein, im Interesse
der Menschlichkeit aufzutreten und Mäßigung zu affektiren. Wollte man doch
nur, daß die Auflösbarkeit der am 1. dieses Monats noch bestehenden Ordens¬
niederlassungen, welche sich mit Unterricht und Erziehung der Jugend beschäf¬
tigen, sistirt werden solle. Das konnte so harmlos und wohlgemeint aussehen
und war doch so stark auf die angeblich an höchster Stelle herrschende Tendenz
berechnet. Bachem entwarf ein höchst trauriges Bild eines durch das Ordens¬
gesetz angeblich angerichteten Elends. Er suchte das Mitleid zu erregen sür
die armen „vertriebenen" Ordensfrauen und für die durch Beschaffung von
Ersatz für die Klosterschulen vorgeblich schwer geschädigten Gemeinden. Zur
Illustrirung mußte eine Anzahl unverbürgter großer Zahlen dienen und zur
Krönung der Diabolik wurde der Antrag gar als einer der ersten positiven
Schritte zur Heilung des sozialdemokratischen Uebels dargestellt.

Da ergriff Minister Falk mit völliger Ruhe und in sichtlichem Gefühle
größter Sicherheit das zum Sprung ansetzende Ungeheuer bei den Hörnern,
riß ihm unbarmherzig die heuchlerische Maske ab und warf es rücklings zu
Boden. Er zerriß den gegnerischen Kriegsplan, indem er den eigentlichen Zweck
des Zentrums in den Vordergrund stellte und die Feindseligkeit des Vorgehens
in ihrer ganzen Bedeutung scharf beleuchtete. Man glaubte den personifizirten
Staat zu vernehmen, als Falk unter dem Frohlocken der aufathmenden Freunde
der bisherigen Entwickelung und uuter den leidenschaftlichen Zwischenrufen der
grausam enttäuschten Angreifer die Unabänderlichkeit der staatlichen Stellung
betreffs des Prinzips, unter Anlehnung an das Schreiben des Kronprinzen
an den Papst, so bestimmt proklcimirte, daß man auch sür alle Zukunft scheint
beruhigt sein zu können. Nach Falk's Andeutungen scheint übrigens der Papst
bei aller Friedfertigkeit sich noch nicht entschließen zu können, dem staatlichen
Standpunkte Rechnung zu tragen. Nicht am geringsten wurde das Zentrum
auch durch die Erklärung frappirt, daß es auf dem Gebiete der Schule nichts
zu hoffen habe.

Hiermit war eigentlich der Antrag und der weitere klerikale Feldzug hin¬
fällig geworden. Unter dem tiefen Eindruck jener Rede verhallten treffliche
Ausführungen von Richter-Sangerhausen völlig und die Versuche Windthorst's,
durch neue Angriffe auf Falk, durch sophistische Auslegung jenes kronprinzlichen
Schreibens und durch unvorsichtig übertriebene Klagen über die Lage der
Katholiken das Gegengewicht zu halten, scheiterten völlig. Gegen das Gewicht
von Falk's Rede konnte nichts aufkommen und weitere Debatten wurden durch
die schroffe Form der einfachen Tagesordnung abgeschnitten. Die Fortsetzung
jener Etatsberathung brachte am 12. Dezember ein Nachspiel, indem Sybel


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[0481] Sondirens halber den Antrag wegen des Ordensgesetzes voran. Hierbei ließ sich der eigentliche Zweck vorerst noch verdecken durch den Schein, im Interesse der Menschlichkeit aufzutreten und Mäßigung zu affektiren. Wollte man doch nur, daß die Auflösbarkeit der am 1. dieses Monats noch bestehenden Ordens¬ niederlassungen, welche sich mit Unterricht und Erziehung der Jugend beschäf¬ tigen, sistirt werden solle. Das konnte so harmlos und wohlgemeint aussehen und war doch so stark auf die angeblich an höchster Stelle herrschende Tendenz berechnet. Bachem entwarf ein höchst trauriges Bild eines durch das Ordens¬ gesetz angeblich angerichteten Elends. Er suchte das Mitleid zu erregen sür die armen „vertriebenen" Ordensfrauen und für die durch Beschaffung von Ersatz für die Klosterschulen vorgeblich schwer geschädigten Gemeinden. Zur Illustrirung mußte eine Anzahl unverbürgter großer Zahlen dienen und zur Krönung der Diabolik wurde der Antrag gar als einer der ersten positiven Schritte zur Heilung des sozialdemokratischen Uebels dargestellt. Da ergriff Minister Falk mit völliger Ruhe und in sichtlichem Gefühle größter Sicherheit das zum Sprung ansetzende Ungeheuer bei den Hörnern, riß ihm unbarmherzig die heuchlerische Maske ab und warf es rücklings zu Boden. Er zerriß den gegnerischen Kriegsplan, indem er den eigentlichen Zweck des Zentrums in den Vordergrund stellte und die Feindseligkeit des Vorgehens in ihrer ganzen Bedeutung scharf beleuchtete. Man glaubte den personifizirten Staat zu vernehmen, als Falk unter dem Frohlocken der aufathmenden Freunde der bisherigen Entwickelung und uuter den leidenschaftlichen Zwischenrufen der grausam enttäuschten Angreifer die Unabänderlichkeit der staatlichen Stellung betreffs des Prinzips, unter Anlehnung an das Schreiben des Kronprinzen an den Papst, so bestimmt proklcimirte, daß man auch sür alle Zukunft scheint beruhigt sein zu können. Nach Falk's Andeutungen scheint übrigens der Papst bei aller Friedfertigkeit sich noch nicht entschließen zu können, dem staatlichen Standpunkte Rechnung zu tragen. Nicht am geringsten wurde das Zentrum auch durch die Erklärung frappirt, daß es auf dem Gebiete der Schule nichts zu hoffen habe. Hiermit war eigentlich der Antrag und der weitere klerikale Feldzug hin¬ fällig geworden. Unter dem tiefen Eindruck jener Rede verhallten treffliche Ausführungen von Richter-Sangerhausen völlig und die Versuche Windthorst's, durch neue Angriffe auf Falk, durch sophistische Auslegung jenes kronprinzlichen Schreibens und durch unvorsichtig übertriebene Klagen über die Lage der Katholiken das Gegengewicht zu halten, scheiterten völlig. Gegen das Gewicht von Falk's Rede konnte nichts aufkommen und weitere Debatten wurden durch die schroffe Form der einfachen Tagesordnung abgeschnitten. Die Fortsetzung jener Etatsberathung brachte am 12. Dezember ein Nachspiel, indem Sybel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/481>, abgerufen am 05.02.2025.