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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Im Uebrigen wurde die Etatsberathung am 6. Dezember in zwei Punkten
recht lebhaft: bei den Ansätzen für den Staatsanzeiger und bei denen für das
Bureau des Staatsministeriunis. Die Klagen bei beiden sind alle Jahr so
ziemlich dieselben. Was beim Staatsanzeiger immer wieder Anstoß erregt, ist
die Art, wie er die Parlamentsberichte bringt. Der den Etat im Hause ver¬
tretende Leiter des Blattes behauptet jetzt, wegen der vorjährigen Klagen sich
größerer Objektivität befleißigt zu haben. Nun hat Richter ermittelt, daß die
Reden der Minister immer noch besser behandelt werden als die der Abgeord¬
neten, als namentlich seine eigenen, und wurde in Entrüstung darüber recht
derb gegen den Kommissar. Windthorst ist mit dem Vorschlage bei der Hand,
die stenographischen Berichte beizulegen, bedenkt aber nicht die Kosten, die
geringe Lust an so umfangreicher Lektüre und die Verspätung solcher Ver¬
öffentlichung.

Die halbamtliche Provinzialkvrrefpondenz wurde wegen polemischer, nament¬
lich zur Zeit des letzten Wahlkampfs erschienener Artikel von fortschrittlicher,
nationalliberaler und ultrcunontaner Seite zum Theil heftig getadelt, und ein
konservativer Redner schien auch nicht, ganz mit dem Blatte einverstanden z"
sein. Wenn der Minister Graf Eulenburg einige Wendungen des Blattes des-
avonirte und Aenderung zuzusagen schien, so that er dasselbe, was sein Vor¬
gänger 1877 bei gleicher Gelegenheit that. Es ist ja keine Frage, daß ein
solches Blatt nicht ebenso wie ein Parteiblatt Polemik führen kann und darf,
aber es will doch auch beachtet sein, daß einige der Opponenten Inhaber von
periodisch erscheinenden Korrespondenzen oder Inspiratoren von Blättern sind,
z. B. der heftig auftretende Richter Inhaber der fortschrittlichen Korrespondenz,
welche dnrch ihre hämische Dialektik selbst seinen Parteigenossen unheimlich ge¬
worden war, und Rickert, der seit Wehrenpfennig's Ernennung die zur letzten
Wahlzeit ans das ordinärste fortschrittliche Niveau gesunken gewesene "Rat.-
Lid. Korr." leitet und jetzt sehr empfindlich that. Unbefangene werden sich
sagen müssen, daß die Haltung eines Blattes wie das angegriffene sehr schwierig
sein muß, denn einerseits herrscht Einmüthigkeit darüber, daß es befugt sein
soll, die Ansichten der Regierung in einzelnen Fällen zu bezeichnen, andererseits
aber soll es sich anch aller Angriffe enthalten. Die Männer sollen aber noch
zu finden sein, welchen diese Quadratur des Kreises gelingt. Gibt man da¬
gegen zu, daß von der Belehrung des Blattes Angriffe unzertrennlich sind, so
wird über die Einhaltung des zulässigen Maßes derselben in letzter Hand
immer der Minister des Innern entscheiden müssen, d. h. es werden Beschwerden
wie jene bei jeglicher Etatsberathung vorkommen. Die Abgeordneten Schröder,
Schorlemer und Windthorst wiederholten die täglich in der Presse vorkommenden
Behauptungen von einem offiziösen Schreiberheere. Es scheint, daß man der


Grcnzbow, 1-V, 1878. 5S

Im Uebrigen wurde die Etatsberathung am 6. Dezember in zwei Punkten
recht lebhaft: bei den Ansätzen für den Staatsanzeiger und bei denen für das
Bureau des Staatsministeriunis. Die Klagen bei beiden sind alle Jahr so
ziemlich dieselben. Was beim Staatsanzeiger immer wieder Anstoß erregt, ist
die Art, wie er die Parlamentsberichte bringt. Der den Etat im Hause ver¬
tretende Leiter des Blattes behauptet jetzt, wegen der vorjährigen Klagen sich
größerer Objektivität befleißigt zu haben. Nun hat Richter ermittelt, daß die
Reden der Minister immer noch besser behandelt werden als die der Abgeord¬
neten, als namentlich seine eigenen, und wurde in Entrüstung darüber recht
derb gegen den Kommissar. Windthorst ist mit dem Vorschlage bei der Hand,
die stenographischen Berichte beizulegen, bedenkt aber nicht die Kosten, die
geringe Lust an so umfangreicher Lektüre und die Verspätung solcher Ver¬
öffentlichung.

Die halbamtliche Provinzialkvrrefpondenz wurde wegen polemischer, nament¬
lich zur Zeit des letzten Wahlkampfs erschienener Artikel von fortschrittlicher,
nationalliberaler und ultrcunontaner Seite zum Theil heftig getadelt, und ein
konservativer Redner schien auch nicht, ganz mit dem Blatte einverstanden z»
sein. Wenn der Minister Graf Eulenburg einige Wendungen des Blattes des-
avonirte und Aenderung zuzusagen schien, so that er dasselbe, was sein Vor¬
gänger 1877 bei gleicher Gelegenheit that. Es ist ja keine Frage, daß ein
solches Blatt nicht ebenso wie ein Parteiblatt Polemik führen kann und darf,
aber es will doch auch beachtet sein, daß einige der Opponenten Inhaber von
periodisch erscheinenden Korrespondenzen oder Inspiratoren von Blättern sind,
z. B. der heftig auftretende Richter Inhaber der fortschrittlichen Korrespondenz,
welche dnrch ihre hämische Dialektik selbst seinen Parteigenossen unheimlich ge¬
worden war, und Rickert, der seit Wehrenpfennig's Ernennung die zur letzten
Wahlzeit ans das ordinärste fortschrittliche Niveau gesunken gewesene „Rat.-
Lid. Korr." leitet und jetzt sehr empfindlich that. Unbefangene werden sich
sagen müssen, daß die Haltung eines Blattes wie das angegriffene sehr schwierig
sein muß, denn einerseits herrscht Einmüthigkeit darüber, daß es befugt sein
soll, die Ansichten der Regierung in einzelnen Fällen zu bezeichnen, andererseits
aber soll es sich anch aller Angriffe enthalten. Die Männer sollen aber noch
zu finden sein, welchen diese Quadratur des Kreises gelingt. Gibt man da¬
gegen zu, daß von der Belehrung des Blattes Angriffe unzertrennlich sind, so
wird über die Einhaltung des zulässigen Maßes derselben in letzter Hand
immer der Minister des Innern entscheiden müssen, d. h. es werden Beschwerden
wie jene bei jeglicher Etatsberathung vorkommen. Die Abgeordneten Schröder,
Schorlemer und Windthorst wiederholten die täglich in der Presse vorkommenden
Behauptungen von einem offiziösen Schreiberheere. Es scheint, daß man der


Grcnzbow, 1-V, 1878. 5S
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[0437] Im Uebrigen wurde die Etatsberathung am 6. Dezember in zwei Punkten recht lebhaft: bei den Ansätzen für den Staatsanzeiger und bei denen für das Bureau des Staatsministeriunis. Die Klagen bei beiden sind alle Jahr so ziemlich dieselben. Was beim Staatsanzeiger immer wieder Anstoß erregt, ist die Art, wie er die Parlamentsberichte bringt. Der den Etat im Hause ver¬ tretende Leiter des Blattes behauptet jetzt, wegen der vorjährigen Klagen sich größerer Objektivität befleißigt zu haben. Nun hat Richter ermittelt, daß die Reden der Minister immer noch besser behandelt werden als die der Abgeord¬ neten, als namentlich seine eigenen, und wurde in Entrüstung darüber recht derb gegen den Kommissar. Windthorst ist mit dem Vorschlage bei der Hand, die stenographischen Berichte beizulegen, bedenkt aber nicht die Kosten, die geringe Lust an so umfangreicher Lektüre und die Verspätung solcher Ver¬ öffentlichung. Die halbamtliche Provinzialkvrrefpondenz wurde wegen polemischer, nament¬ lich zur Zeit des letzten Wahlkampfs erschienener Artikel von fortschrittlicher, nationalliberaler und ultrcunontaner Seite zum Theil heftig getadelt, und ein konservativer Redner schien auch nicht, ganz mit dem Blatte einverstanden z» sein. Wenn der Minister Graf Eulenburg einige Wendungen des Blattes des- avonirte und Aenderung zuzusagen schien, so that er dasselbe, was sein Vor¬ gänger 1877 bei gleicher Gelegenheit that. Es ist ja keine Frage, daß ein solches Blatt nicht ebenso wie ein Parteiblatt Polemik führen kann und darf, aber es will doch auch beachtet sein, daß einige der Opponenten Inhaber von periodisch erscheinenden Korrespondenzen oder Inspiratoren von Blättern sind, z. B. der heftig auftretende Richter Inhaber der fortschrittlichen Korrespondenz, welche dnrch ihre hämische Dialektik selbst seinen Parteigenossen unheimlich ge¬ worden war, und Rickert, der seit Wehrenpfennig's Ernennung die zur letzten Wahlzeit ans das ordinärste fortschrittliche Niveau gesunken gewesene „Rat.- Lid. Korr." leitet und jetzt sehr empfindlich that. Unbefangene werden sich sagen müssen, daß die Haltung eines Blattes wie das angegriffene sehr schwierig sein muß, denn einerseits herrscht Einmüthigkeit darüber, daß es befugt sein soll, die Ansichten der Regierung in einzelnen Fällen zu bezeichnen, andererseits aber soll es sich anch aller Angriffe enthalten. Die Männer sollen aber noch zu finden sein, welchen diese Quadratur des Kreises gelingt. Gibt man da¬ gegen zu, daß von der Belehrung des Blattes Angriffe unzertrennlich sind, so wird über die Einhaltung des zulässigen Maßes derselben in letzter Hand immer der Minister des Innern entscheiden müssen, d. h. es werden Beschwerden wie jene bei jeglicher Etatsberathung vorkommen. Die Abgeordneten Schröder, Schorlemer und Windthorst wiederholten die täglich in der Presse vorkommenden Behauptungen von einem offiziösen Schreiberheere. Es scheint, daß man der Grcnzbow, 1-V, 1878. 5S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/437>, abgerufen am 05.02.2025.