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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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dessen Gunsten er sich flugs des eigenen wieder entledigte. Die Vorschläge
wurden abgelehnt, bleibend aber ist der Eindruck dieser fortschrittlichen Selbst¬
beleuchtung. Daran ändert auch die Darstellung nichts, welche Hänel in der
"Kieler Zeitung" vom 27. September gab.

Weit mehr Glück auf dem praktischen Felde hatte Laster, welcher seinem
Schweigen im Plenum die Wortftthrung der Nationalliberalen in der Kommis¬
sion folgen ließ, wie wenn er beweisen wollte, daß des Kanzlers abfälliger
Ausspruch über seine parlamentarische Wirksamkeit unbegründet wäre. Gleich
die Begriffsbestimmung der zu verbietenden Vereine wurde nach Laster's Vor¬
schlag genehmigt. Daß die gewühlte Bezeichnung der fraglichen Vereine als
solche, welche den "Umsturz" der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung
bezwecken, der Bezeichnung "Untergrabung" vorzuziehen sei, will uns nicht ein¬
leuchten. Der größte Theil der fraglichen Agitation ist weit mehr, ja ganz
wesentlich auf die mittelbare, allmählige, heimliche, unausgesetzte und vielge¬
staltige Thätigkeit des Untergrabens gerichtet; ein direktes und offenes Vor¬
gehen lassen Klugheit und Taktik den Agitatoren als unthunlich erscheinen;
freilich ist der Umsturz das Ziel auch des Untergrabens, allein deshalb hätte
man lieber beide Ausdrücke verbinden, statt sich gegenüber stellen sollen.

Die beschlossenen Aenderungen des Entwurfs laufen zum größten Theile
auf präzisere Fassungen und die Anbringung von Sicherheiten gegen etwaigen
Mißbrauch der den Behörden verliehenen besonderen Befugnisse hinaus. Beides
gilt namentlich von den ferneren die Vereine und Versammlungen sowie von
den die Druckschriften der fraglichen Art betreffenden Paragraphen. Der Bnn-
desrathsbevollmächtigte Graf Eulenburg hat einige dieser Aenderungen, nament¬
lich soweit sie eine genauere Fassung betreffen, ausdrücklich als Verbesserungen
anerkannt, andere offenbar nur als unschädliche vorläufig passiren lassen. Zu
letzteren gehört uuter Anderen die Ersetzung des Ausdrucks "Bereine (Druck¬
schriften), welche u. f. w. Bestrebungen dienen," durch den Ausdruck "in welchen
u. s. w. Bestrebungen zu Tage treten". Diese Aenderung ist gewiß sehr gut
gemeint und scheint im ersten Augenblicke zu bestechen, allein wir fragen: werden
dadurch uicht die Verwaltungsbeamten gehindert, umstürzenden Bestrebungen,
von deren Wirksamkeit hinter den Konlissen sie überzeugt, die aber nicht in
greifbarer Form an die Oberflüche oder "an den Tag" getreten sind, entgegen¬
zutreten? Es läßt sich noch gar nicht voraussehen, in welch' vielfältig neuen
Formen die sozialdemokratische Agitation nach Erlaß des Gesetzes versuchen
wird sich breit zu machen. Wie fatal, wenn man denselben mit Novellen
nachhinken müßte! Wie wäre es, wenn man sagte: "Bestrebungen, welche
zu Tage treten oder sonst erkennbar sind?" In einem anderen Falle, bei
§ 12, hat man, auf einen Hinweis Graf Eulenburg's, in der That von einem


dessen Gunsten er sich flugs des eigenen wieder entledigte. Die Vorschläge
wurden abgelehnt, bleibend aber ist der Eindruck dieser fortschrittlichen Selbst¬
beleuchtung. Daran ändert auch die Darstellung nichts, welche Hänel in der
„Kieler Zeitung" vom 27. September gab.

Weit mehr Glück auf dem praktischen Felde hatte Laster, welcher seinem
Schweigen im Plenum die Wortftthrung der Nationalliberalen in der Kommis¬
sion folgen ließ, wie wenn er beweisen wollte, daß des Kanzlers abfälliger
Ausspruch über seine parlamentarische Wirksamkeit unbegründet wäre. Gleich
die Begriffsbestimmung der zu verbietenden Vereine wurde nach Laster's Vor¬
schlag genehmigt. Daß die gewühlte Bezeichnung der fraglichen Vereine als
solche, welche den „Umsturz" der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung
bezwecken, der Bezeichnung „Untergrabung" vorzuziehen sei, will uns nicht ein¬
leuchten. Der größte Theil der fraglichen Agitation ist weit mehr, ja ganz
wesentlich auf die mittelbare, allmählige, heimliche, unausgesetzte und vielge¬
staltige Thätigkeit des Untergrabens gerichtet; ein direktes und offenes Vor¬
gehen lassen Klugheit und Taktik den Agitatoren als unthunlich erscheinen;
freilich ist der Umsturz das Ziel auch des Untergrabens, allein deshalb hätte
man lieber beide Ausdrücke verbinden, statt sich gegenüber stellen sollen.

Die beschlossenen Aenderungen des Entwurfs laufen zum größten Theile
auf präzisere Fassungen und die Anbringung von Sicherheiten gegen etwaigen
Mißbrauch der den Behörden verliehenen besonderen Befugnisse hinaus. Beides
gilt namentlich von den ferneren die Vereine und Versammlungen sowie von
den die Druckschriften der fraglichen Art betreffenden Paragraphen. Der Bnn-
desrathsbevollmächtigte Graf Eulenburg hat einige dieser Aenderungen, nament¬
lich soweit sie eine genauere Fassung betreffen, ausdrücklich als Verbesserungen
anerkannt, andere offenbar nur als unschädliche vorläufig passiren lassen. Zu
letzteren gehört uuter Anderen die Ersetzung des Ausdrucks „Bereine (Druck¬
schriften), welche u. f. w. Bestrebungen dienen," durch den Ausdruck „in welchen
u. s. w. Bestrebungen zu Tage treten". Diese Aenderung ist gewiß sehr gut
gemeint und scheint im ersten Augenblicke zu bestechen, allein wir fragen: werden
dadurch uicht die Verwaltungsbeamten gehindert, umstürzenden Bestrebungen,
von deren Wirksamkeit hinter den Konlissen sie überzeugt, die aber nicht in
greifbarer Form an die Oberflüche oder „an den Tag" getreten sind, entgegen¬
zutreten? Es läßt sich noch gar nicht voraussehen, in welch' vielfältig neuen
Formen die sozialdemokratische Agitation nach Erlaß des Gesetzes versuchen
wird sich breit zu machen. Wie fatal, wenn man denselben mit Novellen
nachhinken müßte! Wie wäre es, wenn man sagte: „Bestrebungen, welche
zu Tage treten oder sonst erkennbar sind?" In einem anderen Falle, bei
§ 12, hat man, auf einen Hinweis Graf Eulenburg's, in der That von einem


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[0038] dessen Gunsten er sich flugs des eigenen wieder entledigte. Die Vorschläge wurden abgelehnt, bleibend aber ist der Eindruck dieser fortschrittlichen Selbst¬ beleuchtung. Daran ändert auch die Darstellung nichts, welche Hänel in der „Kieler Zeitung" vom 27. September gab. Weit mehr Glück auf dem praktischen Felde hatte Laster, welcher seinem Schweigen im Plenum die Wortftthrung der Nationalliberalen in der Kommis¬ sion folgen ließ, wie wenn er beweisen wollte, daß des Kanzlers abfälliger Ausspruch über seine parlamentarische Wirksamkeit unbegründet wäre. Gleich die Begriffsbestimmung der zu verbietenden Vereine wurde nach Laster's Vor¬ schlag genehmigt. Daß die gewühlte Bezeichnung der fraglichen Vereine als solche, welche den „Umsturz" der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung bezwecken, der Bezeichnung „Untergrabung" vorzuziehen sei, will uns nicht ein¬ leuchten. Der größte Theil der fraglichen Agitation ist weit mehr, ja ganz wesentlich auf die mittelbare, allmählige, heimliche, unausgesetzte und vielge¬ staltige Thätigkeit des Untergrabens gerichtet; ein direktes und offenes Vor¬ gehen lassen Klugheit und Taktik den Agitatoren als unthunlich erscheinen; freilich ist der Umsturz das Ziel auch des Untergrabens, allein deshalb hätte man lieber beide Ausdrücke verbinden, statt sich gegenüber stellen sollen. Die beschlossenen Aenderungen des Entwurfs laufen zum größten Theile auf präzisere Fassungen und die Anbringung von Sicherheiten gegen etwaigen Mißbrauch der den Behörden verliehenen besonderen Befugnisse hinaus. Beides gilt namentlich von den ferneren die Vereine und Versammlungen sowie von den die Druckschriften der fraglichen Art betreffenden Paragraphen. Der Bnn- desrathsbevollmächtigte Graf Eulenburg hat einige dieser Aenderungen, nament¬ lich soweit sie eine genauere Fassung betreffen, ausdrücklich als Verbesserungen anerkannt, andere offenbar nur als unschädliche vorläufig passiren lassen. Zu letzteren gehört uuter Anderen die Ersetzung des Ausdrucks „Bereine (Druck¬ schriften), welche u. f. w. Bestrebungen dienen," durch den Ausdruck „in welchen u. s. w. Bestrebungen zu Tage treten". Diese Aenderung ist gewiß sehr gut gemeint und scheint im ersten Augenblicke zu bestechen, allein wir fragen: werden dadurch uicht die Verwaltungsbeamten gehindert, umstürzenden Bestrebungen, von deren Wirksamkeit hinter den Konlissen sie überzeugt, die aber nicht in greifbarer Form an die Oberflüche oder „an den Tag" getreten sind, entgegen¬ zutreten? Es läßt sich noch gar nicht voraussehen, in welch' vielfältig neuen Formen die sozialdemokratische Agitation nach Erlaß des Gesetzes versuchen wird sich breit zu machen. Wie fatal, wenn man denselben mit Novellen nachhinken müßte! Wie wäre es, wenn man sagte: „Bestrebungen, welche zu Tage treten oder sonst erkennbar sind?" In einem anderen Falle, bei § 12, hat man, auf einen Hinweis Graf Eulenburg's, in der That von einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/38>, abgerufen am 05.02.2025.