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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Interessen, Die presbyterianische Religion erschien ihm durch die Vermählung
seiner Schwester mit Daruley im höchsten Grade bedroht. Murray's Unglück
war, daß er diese Erkenntniß der Masse der Bevölkerung in Folge der klugen
Maßregeln Maria Stuart's uicht beibringen konnte. Er sah klar voraus, was
kommen würde. Ein völliger Umschlag in der Politik seiner Schwester schien
ihm nur eine Frage der Zeit. Daher sein Hilferuf an Cecil und die englischen
Glaubensgenossen: "Der Satan habe seine Heerschaaren gegen die Kinder
Gottes losgelassen." Unmittelbar nach der Hochzeit erfolgten Darnley's Ueber¬
tritt zur katholischen Kirche, jene Umwandlung des Geheimen Raths und end¬
lich unter Riccio's Einfluß die Verbindung Maria Stuart's mit Philipp II.
von Spanien. Wie alle Konvertiten bemühte sich Darnley sogar katholischer
zu sein, als seine Gemahlin. Er hat bekanntlich später Maria Stuart beim
Papste verklagt, die Interessen ihrer katholischen Unterthanen vernachlässigt zu
haben.

Ganthier stellt Murray, den er sehr unterschätzt, ganz als Werkzeug
Cecil's dar. Murray handelte im Gegentheil auf eigene Verantwortung und
scheiterte mit seiner Erhebung, weil die Königin, seine Schwester, sich im Lande
beliebt gemacht hatte und durch ihre geschickte Haltung den Presbyterianern
gegenüber die alten Bundesgenossen ihres Bruders für sich zu gewinnen ver¬
stand. Murray wurde zudem in ganz ungenügender Weise von England aus
unterstützt. Die Berichte Randolph's aus dieser Zeit sind einseitig und haßge¬
tränkt. Wie er selbst eingesteht, hatte er jeden Einfluß am schottischen Hofe
verloren und war daher geneigt, selbst die unwahrscheinlichsten Gerüchte weiter
zu verbreiten. Er stand mit den Aufständischen in engster Verbindung und
schrieb seine Berichte in Murray's Sinne. Ganz haltlos und wunderlich ist
Raumer's Annahme, daß die Königin damals zu ihrem Halbbruder eine ver¬
brecherische Leidenschaft gefaßt habe, und tödtlich verletzt worden sei, als Murray
ihre Liebesanträge entrüstet zurückgewiesen. Es findet sich keine Spur davon,
und Randolph's perfide Berichte lassen allerdings eine jede Auslegung zu.
Aber auch die Behauptung Fronde's, daß die Aeußerungen von Haß, welche
Maria Stuart damals gegen ihren Bruder ausstieß, auf die Kenntniß, welche
dieser von ihrem intimen Verhältnisse zu Riccio gehabt, zurückzuführen seien,
ist nichts als eine haltlose Vermuthung.

Daß Elisabeth die aufstäudischen Lords, wenn auch in ungenügender
Weise unterstützt hat, ist jetzt unzweifelhaft erwiesen. Robert Melon, der Agent
der Rebellen, erhielt 2000 Pfund,*) und die Königin autorisirte Bedford, Murray
mit 1000 Pfund und 300 Soldaten zu unterstützen, aber er solle dieses thun,



Bericht de Foix, v. 11. Okt. Taint, II. 239.

Interessen, Die presbyterianische Religion erschien ihm durch die Vermählung
seiner Schwester mit Daruley im höchsten Grade bedroht. Murray's Unglück
war, daß er diese Erkenntniß der Masse der Bevölkerung in Folge der klugen
Maßregeln Maria Stuart's uicht beibringen konnte. Er sah klar voraus, was
kommen würde. Ein völliger Umschlag in der Politik seiner Schwester schien
ihm nur eine Frage der Zeit. Daher sein Hilferuf an Cecil und die englischen
Glaubensgenossen: „Der Satan habe seine Heerschaaren gegen die Kinder
Gottes losgelassen." Unmittelbar nach der Hochzeit erfolgten Darnley's Ueber¬
tritt zur katholischen Kirche, jene Umwandlung des Geheimen Raths und end¬
lich unter Riccio's Einfluß die Verbindung Maria Stuart's mit Philipp II.
von Spanien. Wie alle Konvertiten bemühte sich Darnley sogar katholischer
zu sein, als seine Gemahlin. Er hat bekanntlich später Maria Stuart beim
Papste verklagt, die Interessen ihrer katholischen Unterthanen vernachlässigt zu
haben.

Ganthier stellt Murray, den er sehr unterschätzt, ganz als Werkzeug
Cecil's dar. Murray handelte im Gegentheil auf eigene Verantwortung und
scheiterte mit seiner Erhebung, weil die Königin, seine Schwester, sich im Lande
beliebt gemacht hatte und durch ihre geschickte Haltung den Presbyterianern
gegenüber die alten Bundesgenossen ihres Bruders für sich zu gewinnen ver¬
stand. Murray wurde zudem in ganz ungenügender Weise von England aus
unterstützt. Die Berichte Randolph's aus dieser Zeit sind einseitig und haßge¬
tränkt. Wie er selbst eingesteht, hatte er jeden Einfluß am schottischen Hofe
verloren und war daher geneigt, selbst die unwahrscheinlichsten Gerüchte weiter
zu verbreiten. Er stand mit den Aufständischen in engster Verbindung und
schrieb seine Berichte in Murray's Sinne. Ganz haltlos und wunderlich ist
Raumer's Annahme, daß die Königin damals zu ihrem Halbbruder eine ver¬
brecherische Leidenschaft gefaßt habe, und tödtlich verletzt worden sei, als Murray
ihre Liebesanträge entrüstet zurückgewiesen. Es findet sich keine Spur davon,
und Randolph's perfide Berichte lassen allerdings eine jede Auslegung zu.
Aber auch die Behauptung Fronde's, daß die Aeußerungen von Haß, welche
Maria Stuart damals gegen ihren Bruder ausstieß, auf die Kenntniß, welche
dieser von ihrem intimen Verhältnisse zu Riccio gehabt, zurückzuführen seien,
ist nichts als eine haltlose Vermuthung.

Daß Elisabeth die aufstäudischen Lords, wenn auch in ungenügender
Weise unterstützt hat, ist jetzt unzweifelhaft erwiesen. Robert Melon, der Agent
der Rebellen, erhielt 2000 Pfund,*) und die Königin autorisirte Bedford, Murray
mit 1000 Pfund und 300 Soldaten zu unterstützen, aber er solle dieses thun,



Bericht de Foix, v. 11. Okt. Taint, II. 239.
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[0375] Interessen, Die presbyterianische Religion erschien ihm durch die Vermählung seiner Schwester mit Daruley im höchsten Grade bedroht. Murray's Unglück war, daß er diese Erkenntniß der Masse der Bevölkerung in Folge der klugen Maßregeln Maria Stuart's uicht beibringen konnte. Er sah klar voraus, was kommen würde. Ein völliger Umschlag in der Politik seiner Schwester schien ihm nur eine Frage der Zeit. Daher sein Hilferuf an Cecil und die englischen Glaubensgenossen: „Der Satan habe seine Heerschaaren gegen die Kinder Gottes losgelassen." Unmittelbar nach der Hochzeit erfolgten Darnley's Ueber¬ tritt zur katholischen Kirche, jene Umwandlung des Geheimen Raths und end¬ lich unter Riccio's Einfluß die Verbindung Maria Stuart's mit Philipp II. von Spanien. Wie alle Konvertiten bemühte sich Darnley sogar katholischer zu sein, als seine Gemahlin. Er hat bekanntlich später Maria Stuart beim Papste verklagt, die Interessen ihrer katholischen Unterthanen vernachlässigt zu haben. Ganthier stellt Murray, den er sehr unterschätzt, ganz als Werkzeug Cecil's dar. Murray handelte im Gegentheil auf eigene Verantwortung und scheiterte mit seiner Erhebung, weil die Königin, seine Schwester, sich im Lande beliebt gemacht hatte und durch ihre geschickte Haltung den Presbyterianern gegenüber die alten Bundesgenossen ihres Bruders für sich zu gewinnen ver¬ stand. Murray wurde zudem in ganz ungenügender Weise von England aus unterstützt. Die Berichte Randolph's aus dieser Zeit sind einseitig und haßge¬ tränkt. Wie er selbst eingesteht, hatte er jeden Einfluß am schottischen Hofe verloren und war daher geneigt, selbst die unwahrscheinlichsten Gerüchte weiter zu verbreiten. Er stand mit den Aufständischen in engster Verbindung und schrieb seine Berichte in Murray's Sinne. Ganz haltlos und wunderlich ist Raumer's Annahme, daß die Königin damals zu ihrem Halbbruder eine ver¬ brecherische Leidenschaft gefaßt habe, und tödtlich verletzt worden sei, als Murray ihre Liebesanträge entrüstet zurückgewiesen. Es findet sich keine Spur davon, und Randolph's perfide Berichte lassen allerdings eine jede Auslegung zu. Aber auch die Behauptung Fronde's, daß die Aeußerungen von Haß, welche Maria Stuart damals gegen ihren Bruder ausstieß, auf die Kenntniß, welche dieser von ihrem intimen Verhältnisse zu Riccio gehabt, zurückzuführen seien, ist nichts als eine haltlose Vermuthung. Daß Elisabeth die aufstäudischen Lords, wenn auch in ungenügender Weise unterstützt hat, ist jetzt unzweifelhaft erwiesen. Robert Melon, der Agent der Rebellen, erhielt 2000 Pfund,*) und die Königin autorisirte Bedford, Murray mit 1000 Pfund und 300 Soldaten zu unterstützen, aber er solle dieses thun, Bericht de Foix, v. 11. Okt. Taint, II. 239.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/375>, abgerufen am 05.02.2025.