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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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gesucht und in das ihm passende Licht gestellt, was zweifelhaft und verdächtig
in den Ausführungen der Gegner Maria Stuart's erscheinen konnte, hat er die
wurden Punkte, die sich im Leben ihrer Ankläger und Feinde genug finden,
auszubeuten und zu benutzen verstanden. Es ist dieses bei weitem das gefähr¬
lichste Buch, welches bis jetzt über Maria Stuart geschrieben worden ist,
Hosack's Schlüsse sind scharf, sein Fleiß ein eminenter, dazu beherrscht er die
Literatur der Zeit in nicht gewöhnlichem Grade. Ihm fehlte jedoch die Vor¬
bildung und das Urtheil des Historikers, und dieses hat sich empfindlich gerächt.
Seine Quellenkritik ist eine ebenso willkührliche wie unvollkommene, sein Urtheil
ist nur das zersetzende eines praktischen Juristen. Es hat ihn in diesem Falle
weit über die Grenzen der Unparteilichkeit hinausgeführt. Wir verdanken
Hosack indessen die Kenntniß einiger werthvoller bisher unbekannter Aktenstücke;
und hier ist namentlich ein Brief Lord Ogilvie's an den Erzbischof von Glas¬
gow von größtem Interesse, der das Verhältniß des Regenten Morton zu
Maria Stuart behandelt.

John Hill Burton's Darstellung beruht auf einer durchaus verständigen,
ruhigen und unparteiischen Auffassung des Materials. Ohne gehässig gegen
Maria Stuart zu sein, läßt er doch Elisabeth volle Gerechtigkeit widerfahren.
Dabei ist er im Gegensatze zu Fronde weit entfernt davon, alle ihre Hand¬
lungen und die zuweilen hinterlistigen Wege ihrer Politik zu vertheidigen.
Dasselbe läßt sich von Gauthier's dreibändiger, sehr ausführlichen Biographie
Maria Stuart's nicht sagen. Dieselbe ist glatt und nicht ohne Feinheit ge¬
schrieben, seine Kritik aber ist stets parteiisch und läßt viel zu wünschen übrig.
Dieser sein Parteistandpnnkt hat ihn denn auch wiederholt zu willkührlicher Be¬
nutzung der Quellen, und oft sehr fragwürdiger Quellen veranlaßt. Was
endlich die beiden Aktenpublikationen betrifft, so sind die Ergebnisse derselben
doch nur sehr mäßige zu nennen. Das Tagebuch Bourgoing's enthält mehr
eine Bekräftigung bekannter Thatsachen, als daß es wesentlich unsere Kenntnisse
vermehrte. An seiner Echtheit wird nicht wohl gezweifelt werden können.
Für die letzten Lebenstage Maria Stuart's ist es immerhin eine gute Quelle.
Man wird gut thun, eine Menge unbeglaubigter Details, die namentlich über
die Hinrichtung verbreitet waren, nach dieser einfachen und kurzen Berichter¬
stattung zu beseitigen. Auch der Briefwechsel Sir Amias Poulet's -- wunder¬
licherweise von einem englischen Jesuiten herausgegeben bietet wenig, was
nicht schon bekannt und verwerthet worden wäre. Der verbindende Text macht
der Schule des Herausgebers alle Ehre. Mit einer seltenen Keckheit werden
hier Beschuldigungen auf die englischen Staatsmänner gehäuft, und die alten
Kombinationen Tytler's, deren Haltlosigkeit schon Mignet nachgewiesen hat,


gesucht und in das ihm passende Licht gestellt, was zweifelhaft und verdächtig
in den Ausführungen der Gegner Maria Stuart's erscheinen konnte, hat er die
wurden Punkte, die sich im Leben ihrer Ankläger und Feinde genug finden,
auszubeuten und zu benutzen verstanden. Es ist dieses bei weitem das gefähr¬
lichste Buch, welches bis jetzt über Maria Stuart geschrieben worden ist,
Hosack's Schlüsse sind scharf, sein Fleiß ein eminenter, dazu beherrscht er die
Literatur der Zeit in nicht gewöhnlichem Grade. Ihm fehlte jedoch die Vor¬
bildung und das Urtheil des Historikers, und dieses hat sich empfindlich gerächt.
Seine Quellenkritik ist eine ebenso willkührliche wie unvollkommene, sein Urtheil
ist nur das zersetzende eines praktischen Juristen. Es hat ihn in diesem Falle
weit über die Grenzen der Unparteilichkeit hinausgeführt. Wir verdanken
Hosack indessen die Kenntniß einiger werthvoller bisher unbekannter Aktenstücke;
und hier ist namentlich ein Brief Lord Ogilvie's an den Erzbischof von Glas¬
gow von größtem Interesse, der das Verhältniß des Regenten Morton zu
Maria Stuart behandelt.

John Hill Burton's Darstellung beruht auf einer durchaus verständigen,
ruhigen und unparteiischen Auffassung des Materials. Ohne gehässig gegen
Maria Stuart zu sein, läßt er doch Elisabeth volle Gerechtigkeit widerfahren.
Dabei ist er im Gegensatze zu Fronde weit entfernt davon, alle ihre Hand¬
lungen und die zuweilen hinterlistigen Wege ihrer Politik zu vertheidigen.
Dasselbe läßt sich von Gauthier's dreibändiger, sehr ausführlichen Biographie
Maria Stuart's nicht sagen. Dieselbe ist glatt und nicht ohne Feinheit ge¬
schrieben, seine Kritik aber ist stets parteiisch und läßt viel zu wünschen übrig.
Dieser sein Parteistandpnnkt hat ihn denn auch wiederholt zu willkührlicher Be¬
nutzung der Quellen, und oft sehr fragwürdiger Quellen veranlaßt. Was
endlich die beiden Aktenpublikationen betrifft, so sind die Ergebnisse derselben
doch nur sehr mäßige zu nennen. Das Tagebuch Bourgoing's enthält mehr
eine Bekräftigung bekannter Thatsachen, als daß es wesentlich unsere Kenntnisse
vermehrte. An seiner Echtheit wird nicht wohl gezweifelt werden können.
Für die letzten Lebenstage Maria Stuart's ist es immerhin eine gute Quelle.
Man wird gut thun, eine Menge unbeglaubigter Details, die namentlich über
die Hinrichtung verbreitet waren, nach dieser einfachen und kurzen Berichter¬
stattung zu beseitigen. Auch der Briefwechsel Sir Amias Poulet's — wunder¬
licherweise von einem englischen Jesuiten herausgegeben bietet wenig, was
nicht schon bekannt und verwerthet worden wäre. Der verbindende Text macht
der Schule des Herausgebers alle Ehre. Mit einer seltenen Keckheit werden
hier Beschuldigungen auf die englischen Staatsmänner gehäuft, und die alten
Kombinationen Tytler's, deren Haltlosigkeit schon Mignet nachgewiesen hat,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/369>, abgerufen am 05.02.2025.