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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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gehalten sind. Es ist das freilich ein Mißgriff, der in den gegenwärtigen
Reformbestrebungen auch auf vielen anderen Gebieten begangen worden ist. Wir
gehen, um unser Kunstgewerbe zu heben, bei ältern Kunstperioden, und aller¬
dings rin Vorliebe bei der Periode der Renaissance, in die Schule, klammern
uns ängstlich an die Schmuckformen an, die wir dort finden, und so bekommen
die heutigen Erzeugnisse leicht etwas Archcnsirendes, es fehlt ihnen der rechte
moderne Geist. Dies tritt auch hier hervor. Das Rauchen ist eine verhält¬
nißmäßig moderne -- sage man nun Sitte oder Unsitte, darauf kommt's hier
nicht an; gibt man also den Rauchrequisiten eine Ornamentik, mit der
man hinter die Zeit der Einführung des Rauchers zurückgeht, so entsteht ein
Widerspruch, der keinem feiner fühlenden entgehen kann. Doch wollen wir
das im vorliegenden Falle gern als Nebensache ansehen. Das Wichtigste ist,
daß überhaupt sich wieder einmal jemand anch auf diesem Gebiete auf die
ersten und obersten Stilgesetze besonnen und den richtigen Weg gezeigt hat,
auf welchem weiterzugehen ist. Wagte man es, auf diesem Wege nur frisch
und keck modern sein zu wollen -- und es ließe sich dann, was wir nochmals
ausdrücklich betonen, ebensowohl in den einfachsten wie in den kostbarsten
Stücken etwas wirklich Künstlerisches schaffen -- so würde in ein paar Jahren von
der ganzen einfältigen "Meerschaumplastik" kein Mensch mehr etwas wissen wollen.

Wenn wir bei unsern kritischen Streifzügen durch die Gebiete des Kunst-
gewerbes gerade ans die Verirrungen der "Meerschanmplastik" in erster Linie
mit aufmerksam machen, so verbinden wir damit noch eine ganz bestimmte
wohlmeinende Nebenabsicht. Im Laufe des nächsten Sommers wird in Leipzig
eine Kunstgewerbeausstellnng stattfinden, zu der das ganze Kunstgewerbe nicht
blos des Königreichs Sachsen, sondern anch der preußischen Provinz Sachsen
und der thüringischen Staaten geladen ist. Wir halten diese Ausstellung, ehr¬
lich gestanden, für eine verfrühte, mit der getrost noch fünf, sechs Jahre hätte
gewartet werden können. Das Kunstgewerbe der zur Theilnahme herange¬
zogenen Territorien steckt noch so in den Anfängen, daß man ihm uoch eine
Reihe von Jahren zu ruhiger Entwickelung hätte lassen sollen. Die Auffor¬
derungen, die in der Tagespresse wegen der Ausstellung fort und fort ergehen,
lassen denn auch deutlich genug durchblicken, daß die Täuschung, die noch bis¬
her auf allen kunstgewerblichen Ausstellungen die Veranstalter sich selbst und
dem Publikum bereitet haben, in Leipzig ganz besonders mitwirken wird: man
wird keine Durchschnittsleistungen ausstellen, wie sie doch zur Beurtheilung
des Gewerbes vor allen Dingen von Werth und Interesse sind, sondern excep¬
tionelle, besonders aä Iroe hergestellte Artikel. Woche für Woche werden die
Gewerbtreibenden in der Leipziger Tagespresse haranguirt, für größtmöglichen
"Glanz" der Ausstellung zu sorgen -- wie denn überhaupt Glanz, glänzend


gehalten sind. Es ist das freilich ein Mißgriff, der in den gegenwärtigen
Reformbestrebungen auch auf vielen anderen Gebieten begangen worden ist. Wir
gehen, um unser Kunstgewerbe zu heben, bei ältern Kunstperioden, und aller¬
dings rin Vorliebe bei der Periode der Renaissance, in die Schule, klammern
uns ängstlich an die Schmuckformen an, die wir dort finden, und so bekommen
die heutigen Erzeugnisse leicht etwas Archcnsirendes, es fehlt ihnen der rechte
moderne Geist. Dies tritt auch hier hervor. Das Rauchen ist eine verhält¬
nißmäßig moderne — sage man nun Sitte oder Unsitte, darauf kommt's hier
nicht an; gibt man also den Rauchrequisiten eine Ornamentik, mit der
man hinter die Zeit der Einführung des Rauchers zurückgeht, so entsteht ein
Widerspruch, der keinem feiner fühlenden entgehen kann. Doch wollen wir
das im vorliegenden Falle gern als Nebensache ansehen. Das Wichtigste ist,
daß überhaupt sich wieder einmal jemand anch auf diesem Gebiete auf die
ersten und obersten Stilgesetze besonnen und den richtigen Weg gezeigt hat,
auf welchem weiterzugehen ist. Wagte man es, auf diesem Wege nur frisch
und keck modern sein zu wollen — und es ließe sich dann, was wir nochmals
ausdrücklich betonen, ebensowohl in den einfachsten wie in den kostbarsten
Stücken etwas wirklich Künstlerisches schaffen — so würde in ein paar Jahren von
der ganzen einfältigen „Meerschaumplastik" kein Mensch mehr etwas wissen wollen.

Wenn wir bei unsern kritischen Streifzügen durch die Gebiete des Kunst-
gewerbes gerade ans die Verirrungen der „Meerschanmplastik" in erster Linie
mit aufmerksam machen, so verbinden wir damit noch eine ganz bestimmte
wohlmeinende Nebenabsicht. Im Laufe des nächsten Sommers wird in Leipzig
eine Kunstgewerbeausstellnng stattfinden, zu der das ganze Kunstgewerbe nicht
blos des Königreichs Sachsen, sondern anch der preußischen Provinz Sachsen
und der thüringischen Staaten geladen ist. Wir halten diese Ausstellung, ehr¬
lich gestanden, für eine verfrühte, mit der getrost noch fünf, sechs Jahre hätte
gewartet werden können. Das Kunstgewerbe der zur Theilnahme herange¬
zogenen Territorien steckt noch so in den Anfängen, daß man ihm uoch eine
Reihe von Jahren zu ruhiger Entwickelung hätte lassen sollen. Die Auffor¬
derungen, die in der Tagespresse wegen der Ausstellung fort und fort ergehen,
lassen denn auch deutlich genug durchblicken, daß die Täuschung, die noch bis¬
her auf allen kunstgewerblichen Ausstellungen die Veranstalter sich selbst und
dem Publikum bereitet haben, in Leipzig ganz besonders mitwirken wird: man
wird keine Durchschnittsleistungen ausstellen, wie sie doch zur Beurtheilung
des Gewerbes vor allen Dingen von Werth und Interesse sind, sondern excep¬
tionelle, besonders aä Iroe hergestellte Artikel. Woche für Woche werden die
Gewerbtreibenden in der Leipziger Tagespresse haranguirt, für größtmöglichen
„Glanz" der Ausstellung zu sorgen — wie denn überhaupt Glanz, glänzend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/361>, abgerufen am 05.02.2025.