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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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blocke bestand, in dem wilden Aufruhr der ungestümen Brandung vergraben.
Der Lärm war fürchterlich und betäubend. Ich kann ihn nur mit dem Donnern
eines durch einen Felsentunnel fahrenden Schnellzuges vergleichen. Wollte
man mit seinem Nachbar sprechen, so mußte man ihm in's Ohr hineinschreien."
Die Geschwindigkeit des Stromlaufs in den Katarakten schätzte Stanley drei¬
mal an der Schnelligkeit, mit welcher herabgeflößte Bäume den Raum zwischen
zwei bestimmten Punkten von bekannter Entfernung durchmaßen, auf beinahe
IZi/z Meter in der Sekunde. Es ist daher gewiß nur die volle Wahrheit,
wenn Stanley sagt: "Häufige Kämpfe haben wir mit den Wilden durchge¬
suchten, aber noch weit großartiger wurde nun das tragische Ringen und
Kämpfen mit dem gewaltigen Strome, während er sich brausend durch den
tiefen gähnenden Schlund stürzte, der wie ein langer Engpaß von dem breiten
Tafellande nach dem Atlantischen Ozean hinabführt."

Einzeln mußten die Kanoes längs des Ufers an Seilen über die Fälle,
meist auch über die Stromschnellen hinabgelassen werden. Jede Unfolgscunkeit
gegen Stanley's sorgfältige Vorschriften rächte sich bitter. Am 29. März gingen
in drei Kanoes, in denen sie sich zu weit in dem verrätherisch stillen Wasser
vom Lande weggewagt hatten, neun Mann, unter ihnen der Führer Kalulu,
unrettbar verloren. Der brave, junge Soudi, der allein in einem kleinen
Kanoe die Fälle hinabgetrieben war, kam nach wunderbaren Abenteuern wieder
zum Vorschein. Mehrmals war die Gewalt des reißenden Wassers so heftig,
daß selbst die stärksten Tane rissen. Auf diese Weise verlor z. B. am
28. Juni 1877 der treffliche Obermeister der Zimmerleute der Expedition,
Talaam Allah, seinen Tod. Aus demselben Grunde hätte Stanley am 12. April
mit Ateti und seinen besten Leuten beinahe das Leben eingebüßt, als die Lady
Alice durch die Stromschnellen jagte, die nach ihr benannt wurden. Gerade
unterhalb dieser Stromschnellen stürzt der Fluß Nkenki von rechts her 90 Meter
breit, 365 Meter hoch herab in den Livingstone; von einer hohen Felsklippe
nach Süden zu schoß ein anderer Fluß 120 Meter hoch in den Livingstone
hinab, zwei Meilen unterhalb der Lady Allee-Stromschnellen bildete der große
Strom abermals eine Schaumlinie von Wellen. Dieses Zusammenwirken des
Getoses von vier Katarakten war in Wirklichkeit betäubend. Vom 16. März
bis zum 21. April wurden bei dieser schweren Arbeit nur 34 (engl.) Meilen
zurückgelegt. Und immer neue Katarakte und Stromschnellen tauchten vor
den Armen ans, denen die Eingeborenen immer versicherten, daß nur noch ein
Wasserfall zu überwinden sei. Gerade diese falsche Mittheilung veranlaßte
Stanley, den Wasserweg weiter zu verfolgen, da er diesen "einen" Wasserfall,
der noch bevorstehe, immer für Tuckey's "fernsten Punkt" hielt, jenseits dessen
bis zum Ozean ruhiges Wasser auf den Karten bis zu den Aellala - Fällen


blocke bestand, in dem wilden Aufruhr der ungestümen Brandung vergraben.
Der Lärm war fürchterlich und betäubend. Ich kann ihn nur mit dem Donnern
eines durch einen Felsentunnel fahrenden Schnellzuges vergleichen. Wollte
man mit seinem Nachbar sprechen, so mußte man ihm in's Ohr hineinschreien."
Die Geschwindigkeit des Stromlaufs in den Katarakten schätzte Stanley drei¬
mal an der Schnelligkeit, mit welcher herabgeflößte Bäume den Raum zwischen
zwei bestimmten Punkten von bekannter Entfernung durchmaßen, auf beinahe
IZi/z Meter in der Sekunde. Es ist daher gewiß nur die volle Wahrheit,
wenn Stanley sagt: „Häufige Kämpfe haben wir mit den Wilden durchge¬
suchten, aber noch weit großartiger wurde nun das tragische Ringen und
Kämpfen mit dem gewaltigen Strome, während er sich brausend durch den
tiefen gähnenden Schlund stürzte, der wie ein langer Engpaß von dem breiten
Tafellande nach dem Atlantischen Ozean hinabführt."

Einzeln mußten die Kanoes längs des Ufers an Seilen über die Fälle,
meist auch über die Stromschnellen hinabgelassen werden. Jede Unfolgscunkeit
gegen Stanley's sorgfältige Vorschriften rächte sich bitter. Am 29. März gingen
in drei Kanoes, in denen sie sich zu weit in dem verrätherisch stillen Wasser
vom Lande weggewagt hatten, neun Mann, unter ihnen der Führer Kalulu,
unrettbar verloren. Der brave, junge Soudi, der allein in einem kleinen
Kanoe die Fälle hinabgetrieben war, kam nach wunderbaren Abenteuern wieder
zum Vorschein. Mehrmals war die Gewalt des reißenden Wassers so heftig,
daß selbst die stärksten Tane rissen. Auf diese Weise verlor z. B. am
28. Juni 1877 der treffliche Obermeister der Zimmerleute der Expedition,
Talaam Allah, seinen Tod. Aus demselben Grunde hätte Stanley am 12. April
mit Ateti und seinen besten Leuten beinahe das Leben eingebüßt, als die Lady
Alice durch die Stromschnellen jagte, die nach ihr benannt wurden. Gerade
unterhalb dieser Stromschnellen stürzt der Fluß Nkenki von rechts her 90 Meter
breit, 365 Meter hoch herab in den Livingstone; von einer hohen Felsklippe
nach Süden zu schoß ein anderer Fluß 120 Meter hoch in den Livingstone
hinab, zwei Meilen unterhalb der Lady Allee-Stromschnellen bildete der große
Strom abermals eine Schaumlinie von Wellen. Dieses Zusammenwirken des
Getoses von vier Katarakten war in Wirklichkeit betäubend. Vom 16. März
bis zum 21. April wurden bei dieser schweren Arbeit nur 34 (engl.) Meilen
zurückgelegt. Und immer neue Katarakte und Stromschnellen tauchten vor
den Armen ans, denen die Eingeborenen immer versicherten, daß nur noch ein
Wasserfall zu überwinden sei. Gerade diese falsche Mittheilung veranlaßte
Stanley, den Wasserweg weiter zu verfolgen, da er diesen „einen" Wasserfall,
der noch bevorstehe, immer für Tuckey's „fernsten Punkt" hielt, jenseits dessen
bis zum Ozean ruhiges Wasser auf den Karten bis zu den Aellala - Fällen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/355>, abgerufen am 05.02.2025.