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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Die Samoaner verzehren zwei Mahlzeiten am Tage; die erste, um 11 Uhr,
wird von jedem Gliede der Familie eingenommen, wo es sich gerade befindet;
sei es auf dem Felde beim Ackerbau oder im Kanoe während des Fischfanges.
Die Abendmahlzeit wird dagegen gemeinschaftlich im Hause verzehrt, und der
Hausherr sprach dabei ehemals ein Tischgebet, indem er aus einer Schaale
mit Ava eine Spende auf den Boden goß und dabei ausrief: "Dies ist eure
Ava, o ihr Götter, laßt das Volk in diesem Lande stark, tapfer und zahlreich
werdeu. Gewährt uns unsere Nahrung und segnet unsere Pflanzungen." Ava
ist bekanntlich ein Getränk, welches aus den gekauten Wurzeln des?ixsr
mstuMieuin bereitet wird, und dem selbst Europäer Geschmack abgewonnen
haben. Pritchard mildert einigermaßen unsern Ekel, wenn er bemerkt, daß nur
junge Mädchen zum Avakauen verwendet werden, daß sie ihren Mund vor
dem Kauen sorgfältig ausspülten und vor dem Ausdrücken des Saftes ihre
Hände wuschen. Das Ava wird stets vor, nie nach der Mahlzeit getrunken.
Bevor übrigens zu den Speisen gegriffen wurde, zündete man auf dem Heerde
in der Mitte des Hauses ein Feuer an, wobei das Familienhaupt abermals
ein Gebet sprach, welches mit den Worten begann: "Dies ist Licht für Euch,
Götter, große und kleine." Von der Menschenfresserei spricht Pritchard im
Allgemeinen die Samoaner frei, obgleich einzelne Fälle dann und wann vor¬
kommen und die Sache auch früher allgemein verbreitet war.

Das alte Kleid aus der Rinde des Papiermaulbeerbaumes ist auf Samoa
fast ganz durch englischen und amerikanischen Kattun verdrängt worden. Noch
zu Pritchard's Zeiten wurde es viel angefertigt und mit Farben bedruckt. In
jedem Dorfe befindet sich ein Fate-tete oder ein freies Wirthshaus: für die
Reisenden. Zum Hauswesen dieses Hotels gehören gewisse Frauen, von denen
stillschweigend angenommen wird, daß sie den Reisenden zu Dienste stehen.
Gewöhnlich sind es geschiedene Frauen von Häuptlingen. Rechtlich ist in den
Augen der Samoaner eine Ehe geschlossen, sobald der Mann die Frau in sein
Haus aufnimmt; was sonst geschehen mag, ist ganz gleichgiltig. Bei legitimen
Ehebündnissen wird durch Vertrag die Höhe der Mitgift festgesetzt. Auf Seiten
des Mannes besteht sie in Nahrungsmitteln, Hausthieren, Waffen, Hausgeräth,
Fahrzeugen, auf Seite" der Braut in Kleiderstoffen und schönen Matten, Ehe
die Missionare ihren Einfluß geltend machten, war die Hochzeitsfeier zugleich
der Tag einer eigenthümlichen Prüfung durch den Vater der Braut.*) Sollte
sich ergeben, daß die Braut nicht mehr unberührt war, so erschlug sie der
Vater eigenhändig mit der Keule. Jetzt kommen derartige Auftritte nicht mehr
vor, sondern die Samoaner haben sich schon so weit zivilisirt, daß sie durch



"iWtimonimu virMiüta,Ah Miene Ä Il^ahne ". x^tre äixitis ruxto Siwxm" xroünit.
GMizbÄM IV. 1873. 43

Die Samoaner verzehren zwei Mahlzeiten am Tage; die erste, um 11 Uhr,
wird von jedem Gliede der Familie eingenommen, wo es sich gerade befindet;
sei es auf dem Felde beim Ackerbau oder im Kanoe während des Fischfanges.
Die Abendmahlzeit wird dagegen gemeinschaftlich im Hause verzehrt, und der
Hausherr sprach dabei ehemals ein Tischgebet, indem er aus einer Schaale
mit Ava eine Spende auf den Boden goß und dabei ausrief: „Dies ist eure
Ava, o ihr Götter, laßt das Volk in diesem Lande stark, tapfer und zahlreich
werdeu. Gewährt uns unsere Nahrung und segnet unsere Pflanzungen." Ava
ist bekanntlich ein Getränk, welches aus den gekauten Wurzeln des?ixsr
mstuMieuin bereitet wird, und dem selbst Europäer Geschmack abgewonnen
haben. Pritchard mildert einigermaßen unsern Ekel, wenn er bemerkt, daß nur
junge Mädchen zum Avakauen verwendet werden, daß sie ihren Mund vor
dem Kauen sorgfältig ausspülten und vor dem Ausdrücken des Saftes ihre
Hände wuschen. Das Ava wird stets vor, nie nach der Mahlzeit getrunken.
Bevor übrigens zu den Speisen gegriffen wurde, zündete man auf dem Heerde
in der Mitte des Hauses ein Feuer an, wobei das Familienhaupt abermals
ein Gebet sprach, welches mit den Worten begann: „Dies ist Licht für Euch,
Götter, große und kleine." Von der Menschenfresserei spricht Pritchard im
Allgemeinen die Samoaner frei, obgleich einzelne Fälle dann und wann vor¬
kommen und die Sache auch früher allgemein verbreitet war.

Das alte Kleid aus der Rinde des Papiermaulbeerbaumes ist auf Samoa
fast ganz durch englischen und amerikanischen Kattun verdrängt worden. Noch
zu Pritchard's Zeiten wurde es viel angefertigt und mit Farben bedruckt. In
jedem Dorfe befindet sich ein Fate-tete oder ein freies Wirthshaus: für die
Reisenden. Zum Hauswesen dieses Hotels gehören gewisse Frauen, von denen
stillschweigend angenommen wird, daß sie den Reisenden zu Dienste stehen.
Gewöhnlich sind es geschiedene Frauen von Häuptlingen. Rechtlich ist in den
Augen der Samoaner eine Ehe geschlossen, sobald der Mann die Frau in sein
Haus aufnimmt; was sonst geschehen mag, ist ganz gleichgiltig. Bei legitimen
Ehebündnissen wird durch Vertrag die Höhe der Mitgift festgesetzt. Auf Seiten
des Mannes besteht sie in Nahrungsmitteln, Hausthieren, Waffen, Hausgeräth,
Fahrzeugen, auf Seite» der Braut in Kleiderstoffen und schönen Matten, Ehe
die Missionare ihren Einfluß geltend machten, war die Hochzeitsfeier zugleich
der Tag einer eigenthümlichen Prüfung durch den Vater der Braut.*) Sollte
sich ergeben, daß die Braut nicht mehr unberührt war, so erschlug sie der
Vater eigenhändig mit der Keule. Jetzt kommen derartige Auftritte nicht mehr
vor, sondern die Samoaner haben sich schon so weit zivilisirt, daß sie durch



"iWtimonimu virMiüta,Ah Miene Ä Il^ahne ». x^tre äixitis ruxto Siwxm» xroünit.
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[0341] Die Samoaner verzehren zwei Mahlzeiten am Tage; die erste, um 11 Uhr, wird von jedem Gliede der Familie eingenommen, wo es sich gerade befindet; sei es auf dem Felde beim Ackerbau oder im Kanoe während des Fischfanges. Die Abendmahlzeit wird dagegen gemeinschaftlich im Hause verzehrt, und der Hausherr sprach dabei ehemals ein Tischgebet, indem er aus einer Schaale mit Ava eine Spende auf den Boden goß und dabei ausrief: „Dies ist eure Ava, o ihr Götter, laßt das Volk in diesem Lande stark, tapfer und zahlreich werdeu. Gewährt uns unsere Nahrung und segnet unsere Pflanzungen." Ava ist bekanntlich ein Getränk, welches aus den gekauten Wurzeln des?ixsr mstuMieuin bereitet wird, und dem selbst Europäer Geschmack abgewonnen haben. Pritchard mildert einigermaßen unsern Ekel, wenn er bemerkt, daß nur junge Mädchen zum Avakauen verwendet werden, daß sie ihren Mund vor dem Kauen sorgfältig ausspülten und vor dem Ausdrücken des Saftes ihre Hände wuschen. Das Ava wird stets vor, nie nach der Mahlzeit getrunken. Bevor übrigens zu den Speisen gegriffen wurde, zündete man auf dem Heerde in der Mitte des Hauses ein Feuer an, wobei das Familienhaupt abermals ein Gebet sprach, welches mit den Worten begann: „Dies ist Licht für Euch, Götter, große und kleine." Von der Menschenfresserei spricht Pritchard im Allgemeinen die Samoaner frei, obgleich einzelne Fälle dann und wann vor¬ kommen und die Sache auch früher allgemein verbreitet war. Das alte Kleid aus der Rinde des Papiermaulbeerbaumes ist auf Samoa fast ganz durch englischen und amerikanischen Kattun verdrängt worden. Noch zu Pritchard's Zeiten wurde es viel angefertigt und mit Farben bedruckt. In jedem Dorfe befindet sich ein Fate-tete oder ein freies Wirthshaus: für die Reisenden. Zum Hauswesen dieses Hotels gehören gewisse Frauen, von denen stillschweigend angenommen wird, daß sie den Reisenden zu Dienste stehen. Gewöhnlich sind es geschiedene Frauen von Häuptlingen. Rechtlich ist in den Augen der Samoaner eine Ehe geschlossen, sobald der Mann die Frau in sein Haus aufnimmt; was sonst geschehen mag, ist ganz gleichgiltig. Bei legitimen Ehebündnissen wird durch Vertrag die Höhe der Mitgift festgesetzt. Auf Seiten des Mannes besteht sie in Nahrungsmitteln, Hausthieren, Waffen, Hausgeräth, Fahrzeugen, auf Seite» der Braut in Kleiderstoffen und schönen Matten, Ehe die Missionare ihren Einfluß geltend machten, war die Hochzeitsfeier zugleich der Tag einer eigenthümlichen Prüfung durch den Vater der Braut.*) Sollte sich ergeben, daß die Braut nicht mehr unberührt war, so erschlug sie der Vater eigenhändig mit der Keule. Jetzt kommen derartige Auftritte nicht mehr vor, sondern die Samoaner haben sich schon so weit zivilisirt, daß sie durch "iWtimonimu virMiüta,Ah Miene Ä Il^ahne ». x^tre äixitis ruxto Siwxm» xroünit. GMizbÄM IV. 1873. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/341>, abgerufen am 05.02.2025.