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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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linken Flügel der türkischen Stellung geführt. Bei klarer Erkenntniß, daß mit
den vorhandenen Kräften gegen Mukhtar Pascha nichts auszurichten sei, wurde
das Gefecht nach einem Verluste von über 400 Mann abgebrochen. In der
Nacht vom 19. zum 20. August gelang der russischen Kavallerie (12 Eska¬
drons unter Fürst Tscharotschawadse), ein Ueberfall der Vorpostenkavallerie vor
dein türkischen Zentrum. Am 25. August versuchte Mukhtar Pascha seinerseits
einen Angriff auf den rechten Flügel der russischen Stellung bei Kürjuk-
dara, um diesen gegen die Grenze zurückzudrängen. Nach hartnäckigem Kampfe
von Tagesanbruch bis 5 Uhr des Nachmittags behaupteten die Türken schließlich
die Höhen von Kiön Tepe, wurden aber auf allen andern Punkten abgewiesen.
Die Türken gaben ihren Verlust auf 1200 Mann an, die Russen, denen allein
2 Generale verwundet wurden, hatten fast die gleiche Zahl von Leuten ver¬
loren. Die Türken, welche die genommene, nahe an die russische Stellung
heranreichende Höhe festhielten, die Flügel aber und ebenso ihr Gros unver¬
ändert stehen ließen, kamen dadurch in die Lage, mit einem Theile ihrer Kräfte
nach Norden, mit dem andern nach Osten Front zu machen, eine Stellung,
deren Gefahr sie erst später erkennen sollten.

Schon am 20. August war die Tete der russischen 40. Division, das
Regiment 158, am Arya-Flusse angekommen. Die Russen, welche Angesichts
der Aufstellung des türkischen rechten Flügels ohnedies einen Theil ihrer Kräfte
hinter den genannten Grenzfluß auf russisches Gebiet zurückgenommen hatten,
warteten nunmehr ruhig das Eintreffen der Verstärkungen ab, nur am 6. und
13. September überzeugten sich Rekognoszirungsabtheilungen, daß die Türken
ihre Stellungen unverändert festhielten. Auch türkischerseits wurde im Laufe
des September nichts mehr unternommen, denn Mukhtar wartete einen Erfolg
Ismail Hall Pascha's gegen den General Tergukassow ab.

Die Eriwan-Kolonne hatte, nach Befreiung der Garnison von Bajaset
am 10. Juli, sich bei Jgdyr konzentrirt und bewachte von hier aus die drei
Wege, welche über das Grenzgebirge auf die Straße Bajaset-Kars führen.
Von diesen ist der östlichste der von Bajaset über Orgow auf Jgdyr; ein
zweiter geht von Diadin über Mysun nach Osma, und von hier dann ein Weg
über Alikotschakski nach Jgdyr, ein anderer gerade nördlich nach Tscharuchtscha,
beide im weiteren Verlaufe auf Eriwcm; ein dritter Weg führt von Surp-
ohannes über Saribek und Abaskul nach Knip.

Während General Tergukassow noch seine, erst theilweise eingetroffenen
Verstärkungen erwartete, rückte Ismail, welcher jetzt den stärksten türkischen
Heertheil befehligte, am 5. August mit einer Avantgarde bis Alikotschakski vor;
sein Gros blieb jenseit der Grenze in Mysun. Vergeblich suchte er zwar die
russischen Vortruppen von Chalfaly auf Jgdyr zurückzuwerfen, doch hielt er


linken Flügel der türkischen Stellung geführt. Bei klarer Erkenntniß, daß mit
den vorhandenen Kräften gegen Mukhtar Pascha nichts auszurichten sei, wurde
das Gefecht nach einem Verluste von über 400 Mann abgebrochen. In der
Nacht vom 19. zum 20. August gelang der russischen Kavallerie (12 Eska¬
drons unter Fürst Tscharotschawadse), ein Ueberfall der Vorpostenkavallerie vor
dein türkischen Zentrum. Am 25. August versuchte Mukhtar Pascha seinerseits
einen Angriff auf den rechten Flügel der russischen Stellung bei Kürjuk-
dara, um diesen gegen die Grenze zurückzudrängen. Nach hartnäckigem Kampfe
von Tagesanbruch bis 5 Uhr des Nachmittags behaupteten die Türken schließlich
die Höhen von Kiön Tepe, wurden aber auf allen andern Punkten abgewiesen.
Die Türken gaben ihren Verlust auf 1200 Mann an, die Russen, denen allein
2 Generale verwundet wurden, hatten fast die gleiche Zahl von Leuten ver¬
loren. Die Türken, welche die genommene, nahe an die russische Stellung
heranreichende Höhe festhielten, die Flügel aber und ebenso ihr Gros unver¬
ändert stehen ließen, kamen dadurch in die Lage, mit einem Theile ihrer Kräfte
nach Norden, mit dem andern nach Osten Front zu machen, eine Stellung,
deren Gefahr sie erst später erkennen sollten.

Schon am 20. August war die Tete der russischen 40. Division, das
Regiment 158, am Arya-Flusse angekommen. Die Russen, welche Angesichts
der Aufstellung des türkischen rechten Flügels ohnedies einen Theil ihrer Kräfte
hinter den genannten Grenzfluß auf russisches Gebiet zurückgenommen hatten,
warteten nunmehr ruhig das Eintreffen der Verstärkungen ab, nur am 6. und
13. September überzeugten sich Rekognoszirungsabtheilungen, daß die Türken
ihre Stellungen unverändert festhielten. Auch türkischerseits wurde im Laufe
des September nichts mehr unternommen, denn Mukhtar wartete einen Erfolg
Ismail Hall Pascha's gegen den General Tergukassow ab.

Die Eriwan-Kolonne hatte, nach Befreiung der Garnison von Bajaset
am 10. Juli, sich bei Jgdyr konzentrirt und bewachte von hier aus die drei
Wege, welche über das Grenzgebirge auf die Straße Bajaset-Kars führen.
Von diesen ist der östlichste der von Bajaset über Orgow auf Jgdyr; ein
zweiter geht von Diadin über Mysun nach Osma, und von hier dann ein Weg
über Alikotschakski nach Jgdyr, ein anderer gerade nördlich nach Tscharuchtscha,
beide im weiteren Verlaufe auf Eriwcm; ein dritter Weg führt von Surp-
ohannes über Saribek und Abaskul nach Knip.

Während General Tergukassow noch seine, erst theilweise eingetroffenen
Verstärkungen erwartete, rückte Ismail, welcher jetzt den stärksten türkischen
Heertheil befehligte, am 5. August mit einer Avantgarde bis Alikotschakski vor;
sein Gros blieb jenseit der Grenze in Mysun. Vergeblich suchte er zwar die
russischen Vortruppen von Chalfaly auf Jgdyr zurückzuwerfen, doch hielt er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/327>, abgerufen am 05.02.2025.