Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

brochen fortdauerten, ein glücklicher nächtlicher Handstreich ans 36 Boote
der Feinde, die sich ans eine Insel zurückgezogen hatten, Stanley in den Stand
setzt, mit seiner ganzen Mannschaft stromab zu fahren, ohne fernerhin einen
Theil zu Fuße reisen zu lassen. Freilich war Tippn-Tih mit seinen Leuten
nicht zu bewegen, diese Wasserreise mit zu unternehmen. Sein beharrliches
Verlangen nach Umkehr wurde daher am 22. Dezember erhört, und er und
seine Leute erhielten fürstlichen Lohn für ihre Dienste. Tippu-Tih allein bekam
2600 Dollars, einen Reitesel, eine goldene Kette, 30 Doll feines Zeug, 150
Pfund Perlen, 16300 Muscheln, einen Revolver, Munition für 200 Salven
und 50 Pfund Messingdraht. Zu Weihnachten wurden fröhliche Feste veran¬
staltet. Auch Tippu-Tid mit seinen Begleitern nahm daran noch Theil. Der
Araber siegte im Wettlauf über Frank Pocock. Auch die Mädchen und Frauen
der Expedition hielten unter sich einen Wettlauf ab.

Am 28. Dezember schiffte sich Stanley's ganze Mannschaft ein. Tippu-
Tib rief ihnen seine Abschiedsgrüße vom Ufer in wehmüthigen Klängen seiner
Musikinstrumente zu. Stanley hielt wieder eine seiner napoleonisch-kindischen
Anreden an seine Begleiter: "Söhne von Zanzibar! Die Araber und die
Wanyamwezi blicken ans Euch. Die ganze Welt lächelt vor Freude. Seht
diesen Strom hier an, hier geht die Straße nach Zanzibar" u. s. w. Aber
er gesteht wenigstens selbst, daß "die armen Kameraden mit mattem Lächeln
auf seinen frischen Zuruf antworteten".

Der Livingstone war hier 1600 Meter breit, die Gegend herrlich, der
Strom mit waldigen Inseln durchsetzt, die Ufer besäumt mit dem üppigsten
Urwald der Tropen. Eine unendlich mannichfaltige kräftige Thierwelt belebt
Wald, Luft und Wasser. Ewiger Frühling lacht über dem hochgelegenen,
wasserreichen, dichtbevölkerten Lande, das an allen Schätzen der Natur über¬
reich ist. Bäche, Flüßchen und bis 900 Meter breite Ströme münden, meist von
Osten oder Siidosten her, in den Livingstone. Vom 19. bis 30. Dezember
werden an solchen Zuflüssen der Ruiki, der Miriwa, Lloa, Kasnku, Urindo
und Lvngwa gezählt und vermessen. Nur die ersten beiden ergießen sich auf
dem linken Ufer des Livingstone (also von Westen oder Südwesten her) in
diesen. Von paradiesischer Anmuth wäre die Fahrt durch diese Naturreize,
wenn nicht die wildesten, rohesten und kriegslustigsten Menschenfresser hier
hausten, Menschen, die kaum diesen Namen verdienen, da sie im Mitmenschen
nur das Fleisch achten und anstreben. Die Thalfahrt auf dem Livingstone ist bis
Mitte Februar (zu Ende des zehnten Kapitels) ein fast steter harter Kampf
mit den Wilden, die beim bloßen Anblick der fremden Stromfahrer ihre Kriegs¬
trommeln rühren, ihre 5iriegshörner blasen und hurtig wie Möven in unzähligen
Kanoes über deu "icilenbreiten Strom zum Angriff fliegen. Wohl decken


brochen fortdauerten, ein glücklicher nächtlicher Handstreich ans 36 Boote
der Feinde, die sich ans eine Insel zurückgezogen hatten, Stanley in den Stand
setzt, mit seiner ganzen Mannschaft stromab zu fahren, ohne fernerhin einen
Theil zu Fuße reisen zu lassen. Freilich war Tippn-Tih mit seinen Leuten
nicht zu bewegen, diese Wasserreise mit zu unternehmen. Sein beharrliches
Verlangen nach Umkehr wurde daher am 22. Dezember erhört, und er und
seine Leute erhielten fürstlichen Lohn für ihre Dienste. Tippu-Tih allein bekam
2600 Dollars, einen Reitesel, eine goldene Kette, 30 Doll feines Zeug, 150
Pfund Perlen, 16300 Muscheln, einen Revolver, Munition für 200 Salven
und 50 Pfund Messingdraht. Zu Weihnachten wurden fröhliche Feste veran¬
staltet. Auch Tippu-Tid mit seinen Begleitern nahm daran noch Theil. Der
Araber siegte im Wettlauf über Frank Pocock. Auch die Mädchen und Frauen
der Expedition hielten unter sich einen Wettlauf ab.

Am 28. Dezember schiffte sich Stanley's ganze Mannschaft ein. Tippu-
Tib rief ihnen seine Abschiedsgrüße vom Ufer in wehmüthigen Klängen seiner
Musikinstrumente zu. Stanley hielt wieder eine seiner napoleonisch-kindischen
Anreden an seine Begleiter: „Söhne von Zanzibar! Die Araber und die
Wanyamwezi blicken ans Euch. Die ganze Welt lächelt vor Freude. Seht
diesen Strom hier an, hier geht die Straße nach Zanzibar" u. s. w. Aber
er gesteht wenigstens selbst, daß „die armen Kameraden mit mattem Lächeln
auf seinen frischen Zuruf antworteten".

Der Livingstone war hier 1600 Meter breit, die Gegend herrlich, der
Strom mit waldigen Inseln durchsetzt, die Ufer besäumt mit dem üppigsten
Urwald der Tropen. Eine unendlich mannichfaltige kräftige Thierwelt belebt
Wald, Luft und Wasser. Ewiger Frühling lacht über dem hochgelegenen,
wasserreichen, dichtbevölkerten Lande, das an allen Schätzen der Natur über¬
reich ist. Bäche, Flüßchen und bis 900 Meter breite Ströme münden, meist von
Osten oder Siidosten her, in den Livingstone. Vom 19. bis 30. Dezember
werden an solchen Zuflüssen der Ruiki, der Miriwa, Lloa, Kasnku, Urindo
und Lvngwa gezählt und vermessen. Nur die ersten beiden ergießen sich auf
dem linken Ufer des Livingstone (also von Westen oder Südwesten her) in
diesen. Von paradiesischer Anmuth wäre die Fahrt durch diese Naturreize,
wenn nicht die wildesten, rohesten und kriegslustigsten Menschenfresser hier
hausten, Menschen, die kaum diesen Namen verdienen, da sie im Mitmenschen
nur das Fleisch achten und anstreben. Die Thalfahrt auf dem Livingstone ist bis
Mitte Februar (zu Ende des zehnten Kapitels) ein fast steter harter Kampf
mit den Wilden, die beim bloßen Anblick der fremden Stromfahrer ihre Kriegs¬
trommeln rühren, ihre 5iriegshörner blasen und hurtig wie Möven in unzähligen
Kanoes über deu »icilenbreiten Strom zum Angriff fliegen. Wohl decken


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141187"/>
          <p xml:id="ID_1056" prev="#ID_1055"> brochen fortdauerten, ein glücklicher nächtlicher Handstreich ans 36 Boote<lb/>
der Feinde, die sich ans eine Insel zurückgezogen hatten, Stanley in den Stand<lb/>
setzt, mit seiner ganzen Mannschaft stromab zu fahren, ohne fernerhin einen<lb/>
Theil zu Fuße reisen zu lassen. Freilich war Tippn-Tih mit seinen Leuten<lb/>
nicht zu bewegen, diese Wasserreise mit zu unternehmen. Sein beharrliches<lb/>
Verlangen nach Umkehr wurde daher am 22. Dezember erhört, und er und<lb/>
seine Leute erhielten fürstlichen Lohn für ihre Dienste. Tippu-Tih allein bekam<lb/>
2600 Dollars, einen Reitesel, eine goldene Kette, 30 Doll feines Zeug, 150<lb/>
Pfund Perlen, 16300 Muscheln, einen Revolver, Munition für 200 Salven<lb/>
und 50 Pfund Messingdraht. Zu Weihnachten wurden fröhliche Feste veran¬<lb/>
staltet. Auch Tippu-Tid mit seinen Begleitern nahm daran noch Theil. Der<lb/>
Araber siegte im Wettlauf über Frank Pocock. Auch die Mädchen und Frauen<lb/>
der Expedition hielten unter sich einen Wettlauf ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1057"> Am 28. Dezember schiffte sich Stanley's ganze Mannschaft ein. Tippu-<lb/>
Tib rief ihnen seine Abschiedsgrüße vom Ufer in wehmüthigen Klängen seiner<lb/>
Musikinstrumente zu. Stanley hielt wieder eine seiner napoleonisch-kindischen<lb/>
Anreden an seine Begleiter: &#x201E;Söhne von Zanzibar! Die Araber und die<lb/>
Wanyamwezi blicken ans Euch. Die ganze Welt lächelt vor Freude. Seht<lb/>
diesen Strom hier an, hier geht die Straße nach Zanzibar" u. s. w. Aber<lb/>
er gesteht wenigstens selbst, daß &#x201E;die armen Kameraden mit mattem Lächeln<lb/>
auf seinen frischen Zuruf antworteten".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1058" next="#ID_1059"> Der Livingstone war hier 1600 Meter breit, die Gegend herrlich, der<lb/>
Strom mit waldigen Inseln durchsetzt, die Ufer besäumt mit dem üppigsten<lb/>
Urwald der Tropen. Eine unendlich mannichfaltige kräftige Thierwelt belebt<lb/>
Wald, Luft und Wasser. Ewiger Frühling lacht über dem hochgelegenen,<lb/>
wasserreichen, dichtbevölkerten Lande, das an allen Schätzen der Natur über¬<lb/>
reich ist. Bäche, Flüßchen und bis 900 Meter breite Ströme münden, meist von<lb/>
Osten oder Siidosten her, in den Livingstone. Vom 19. bis 30. Dezember<lb/>
werden an solchen Zuflüssen der Ruiki, der Miriwa, Lloa, Kasnku, Urindo<lb/>
und Lvngwa gezählt und vermessen. Nur die ersten beiden ergießen sich auf<lb/>
dem linken Ufer des Livingstone (also von Westen oder Südwesten her) in<lb/>
diesen. Von paradiesischer Anmuth wäre die Fahrt durch diese Naturreize,<lb/>
wenn nicht die wildesten, rohesten und kriegslustigsten Menschenfresser hier<lb/>
hausten, Menschen, die kaum diesen Namen verdienen, da sie im Mitmenschen<lb/>
nur das Fleisch achten und anstreben. Die Thalfahrt auf dem Livingstone ist bis<lb/>
Mitte Februar (zu Ende des zehnten Kapitels) ein fast steter harter Kampf<lb/>
mit den Wilden, die beim bloßen Anblick der fremden Stromfahrer ihre Kriegs¬<lb/>
trommeln rühren, ihre 5iriegshörner blasen und hurtig wie Möven in unzähligen<lb/>
Kanoes über deu »icilenbreiten Strom zum Angriff fliegen.  Wohl decken</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] brochen fortdauerten, ein glücklicher nächtlicher Handstreich ans 36 Boote der Feinde, die sich ans eine Insel zurückgezogen hatten, Stanley in den Stand setzt, mit seiner ganzen Mannschaft stromab zu fahren, ohne fernerhin einen Theil zu Fuße reisen zu lassen. Freilich war Tippn-Tih mit seinen Leuten nicht zu bewegen, diese Wasserreise mit zu unternehmen. Sein beharrliches Verlangen nach Umkehr wurde daher am 22. Dezember erhört, und er und seine Leute erhielten fürstlichen Lohn für ihre Dienste. Tippu-Tih allein bekam 2600 Dollars, einen Reitesel, eine goldene Kette, 30 Doll feines Zeug, 150 Pfund Perlen, 16300 Muscheln, einen Revolver, Munition für 200 Salven und 50 Pfund Messingdraht. Zu Weihnachten wurden fröhliche Feste veran¬ staltet. Auch Tippu-Tid mit seinen Begleitern nahm daran noch Theil. Der Araber siegte im Wettlauf über Frank Pocock. Auch die Mädchen und Frauen der Expedition hielten unter sich einen Wettlauf ab. Am 28. Dezember schiffte sich Stanley's ganze Mannschaft ein. Tippu- Tib rief ihnen seine Abschiedsgrüße vom Ufer in wehmüthigen Klängen seiner Musikinstrumente zu. Stanley hielt wieder eine seiner napoleonisch-kindischen Anreden an seine Begleiter: „Söhne von Zanzibar! Die Araber und die Wanyamwezi blicken ans Euch. Die ganze Welt lächelt vor Freude. Seht diesen Strom hier an, hier geht die Straße nach Zanzibar" u. s. w. Aber er gesteht wenigstens selbst, daß „die armen Kameraden mit mattem Lächeln auf seinen frischen Zuruf antworteten". Der Livingstone war hier 1600 Meter breit, die Gegend herrlich, der Strom mit waldigen Inseln durchsetzt, die Ufer besäumt mit dem üppigsten Urwald der Tropen. Eine unendlich mannichfaltige kräftige Thierwelt belebt Wald, Luft und Wasser. Ewiger Frühling lacht über dem hochgelegenen, wasserreichen, dichtbevölkerten Lande, das an allen Schätzen der Natur über¬ reich ist. Bäche, Flüßchen und bis 900 Meter breite Ströme münden, meist von Osten oder Siidosten her, in den Livingstone. Vom 19. bis 30. Dezember werden an solchen Zuflüssen der Ruiki, der Miriwa, Lloa, Kasnku, Urindo und Lvngwa gezählt und vermessen. Nur die ersten beiden ergießen sich auf dem linken Ufer des Livingstone (also von Westen oder Südwesten her) in diesen. Von paradiesischer Anmuth wäre die Fahrt durch diese Naturreize, wenn nicht die wildesten, rohesten und kriegslustigsten Menschenfresser hier hausten, Menschen, die kaum diesen Namen verdienen, da sie im Mitmenschen nur das Fleisch achten und anstreben. Die Thalfahrt auf dem Livingstone ist bis Mitte Februar (zu Ende des zehnten Kapitels) ein fast steter harter Kampf mit den Wilden, die beim bloßen Anblick der fremden Stromfahrer ihre Kriegs¬ trommeln rühren, ihre 5iriegshörner blasen und hurtig wie Möven in unzähligen Kanoes über deu »icilenbreiten Strom zum Angriff fliegen. Wohl decken

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/308
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/308>, abgerufen am 05.02.2025.