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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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erziehen. Nun, wenn er den Katholizismus für besser hält, so ist dagegen
nichts einzuwenden; nur sollte er dann selber katholisch werden. So ist es
nur Inkonsequenz und Feigheit. -- Ich entsinne mich, 1850 oder 1851, da
hatte Manteuffel Befehl bekommen, eine Verständigung zwischen den Gagern'schen
und den Konservativen von der preußischen Partei zu versuchen -- wenig¬
stens so weit wie der König in der deutschen Sache gehen wollte. -- Er nahm
mich und Gagern dazu, und so wurden wir eines Tages zu einem souxsr
Z, trois zu ihm eingeladen. Zuerst wurde wenig oder gar nicht von Politik
gesprochen. Dann aber ergriff Manteuffel einen Vorwand, uns allein zu
lassen. Als er hinaus war, sprach ich sogleich von Politik und setzte Gagern
meinen Standpunkt auseinander und zwar in ganz nüchterner, sachlicher Weise.
Da hätten Sie aber den Gagern hören sollen. Er machte sein Jupitersgesicht,
hob die Augenbrauen, sträubte die Haare, rollte die Augen und schlug sie gen
Himmel, daß es förmlich knackte, und sprach zu mir mit seinen großen Phrasen,
wie wenn ich eine Volksversammlung wäre. -- Natürlich half ihm das bei
mir nichts. Ich erwiderte kühl, und wir blieben auseinander wie bisher.
Als Manteuffel dann wieder hereingekommen war, und der Jupiter sich ent¬
fernt hatte, fragte er mich: Nun, was haben Sie zu Stande gebracht mit¬
einander? -- Ach, sagte ich, nichts ist zu Stande gekommen. Das ist ja ein
ganz dummer Kerl. Hält mich für eine Volksversammlung -- die reine Phra¬
sengießkanne. Mit dem ist nicht zu reden."

Um dem Buche nicht zu viel zu entnehmen, übergehen wir eine große
Anzahl gleich merkwürdiger Stellen und schreiben nur noch folgende ans:

S. 172 des II. Bandes: "Die Rede kam auf Napoleon den Dritten, und
der Chef erklärte denselben für beschränkt. "Er ist," so fuhr er fort, "viel
gutmüthiger, als man gewöhnlich glaubt, und viel weniger der kluge Kopf, für
den man ihn gehalten hat." -- "Das ist ja," warf Lehndorf ein, "wie mit
dem, was Einer vom ersten Napoleon geurtheilt hat: ,eine gute Haut, aber
ein Dummkopf/" -- "Nein," erwiderte der Chef, "im Ernst, er ist trotzdem,
was man über den Staatsstreich denken mag, wirklich gutmüthig, gefühlvoll,
ja sentimental, und mit seiner Intelligenz ist es nicht weit her, auch mit seinem
Wissen nicht. Besonders schlecht bestellt ist's mit ihm in der Geographie, ob¬
wohl er in Deutschland erzogen worden und auf die Schule gegangen ist, und
er lebt in allerhand phantastischen Vorstellungen." -- "Im Juli ist er drei
Tage umhergetaumelt, ohne zu einem Entschlüsse zu kommen, und noch jetzt
weiß er nicht, was er will. Seine Kenntnisse sind derart, daß er bei uns
nicht einmal das Referendarexamen machen könnte." -- "Man hat mir das
nicht glauben wollen, aber ich habe das schon vor langer Zeit ausgesprochen.
1854 und 1855 sagte ich es schon dem Könige. Er hat gar keinen Begriff


erziehen. Nun, wenn er den Katholizismus für besser hält, so ist dagegen
nichts einzuwenden; nur sollte er dann selber katholisch werden. So ist es
nur Inkonsequenz und Feigheit. — Ich entsinne mich, 1850 oder 1851, da
hatte Manteuffel Befehl bekommen, eine Verständigung zwischen den Gagern'schen
und den Konservativen von der preußischen Partei zu versuchen — wenig¬
stens so weit wie der König in der deutschen Sache gehen wollte. — Er nahm
mich und Gagern dazu, und so wurden wir eines Tages zu einem souxsr
Z, trois zu ihm eingeladen. Zuerst wurde wenig oder gar nicht von Politik
gesprochen. Dann aber ergriff Manteuffel einen Vorwand, uns allein zu
lassen. Als er hinaus war, sprach ich sogleich von Politik und setzte Gagern
meinen Standpunkt auseinander und zwar in ganz nüchterner, sachlicher Weise.
Da hätten Sie aber den Gagern hören sollen. Er machte sein Jupitersgesicht,
hob die Augenbrauen, sträubte die Haare, rollte die Augen und schlug sie gen
Himmel, daß es förmlich knackte, und sprach zu mir mit seinen großen Phrasen,
wie wenn ich eine Volksversammlung wäre. — Natürlich half ihm das bei
mir nichts. Ich erwiderte kühl, und wir blieben auseinander wie bisher.
Als Manteuffel dann wieder hereingekommen war, und der Jupiter sich ent¬
fernt hatte, fragte er mich: Nun, was haben Sie zu Stande gebracht mit¬
einander? — Ach, sagte ich, nichts ist zu Stande gekommen. Das ist ja ein
ganz dummer Kerl. Hält mich für eine Volksversammlung — die reine Phra¬
sengießkanne. Mit dem ist nicht zu reden."

Um dem Buche nicht zu viel zu entnehmen, übergehen wir eine große
Anzahl gleich merkwürdiger Stellen und schreiben nur noch folgende ans:

S. 172 des II. Bandes: „Die Rede kam auf Napoleon den Dritten, und
der Chef erklärte denselben für beschränkt. „Er ist," so fuhr er fort, „viel
gutmüthiger, als man gewöhnlich glaubt, und viel weniger der kluge Kopf, für
den man ihn gehalten hat." — „Das ist ja," warf Lehndorf ein, „wie mit
dem, was Einer vom ersten Napoleon geurtheilt hat: ,eine gute Haut, aber
ein Dummkopf/" — „Nein," erwiderte der Chef, „im Ernst, er ist trotzdem,
was man über den Staatsstreich denken mag, wirklich gutmüthig, gefühlvoll,
ja sentimental, und mit seiner Intelligenz ist es nicht weit her, auch mit seinem
Wissen nicht. Besonders schlecht bestellt ist's mit ihm in der Geographie, ob¬
wohl er in Deutschland erzogen worden und auf die Schule gegangen ist, und
er lebt in allerhand phantastischen Vorstellungen." — „Im Juli ist er drei
Tage umhergetaumelt, ohne zu einem Entschlüsse zu kommen, und noch jetzt
weiß er nicht, was er will. Seine Kenntnisse sind derart, daß er bei uns
nicht einmal das Referendarexamen machen könnte." — „Man hat mir das
nicht glauben wollen, aber ich habe das schon vor langer Zeit ausgesprochen.
1854 und 1855 sagte ich es schon dem Könige. Er hat gar keinen Begriff


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/276>, abgerufen am 05.02.2025.