Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.biete obenanstanden, in diesem Jahre als Porträtisten keine Ehre eingelegt Gustav Richter ist bisher in der glücklichen Lage gewesen, nur schöne biete obenanstanden, in diesem Jahre als Porträtisten keine Ehre eingelegt Gustav Richter ist bisher in der glücklichen Lage gewesen, nur schöne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0027" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140906"/> <p xml:id="ID_72" prev="#ID_71"> biete obenanstanden, in diesem Jahre als Porträtisten keine Ehre eingelegt<lb/> haben, liegt zum großen Theile an dem, der sie alle meistert, an Gustav<lb/> Richter. Er ist mit einer so außergewöhnlichen Leistung ans den Schauplatz<lb/> getreten, daß uicht blos alle übrigen Porträts neben dem seinigen verbleichen,<lb/> sondern daß anch seine eigenen früheren Schöpfungen, selbst das glänzende<lb/> Bildniß der Fürstin Carolath, das gegenwärtig in der deutschen Abtheilung<lb/> auf dem Marsfelde glänzt, dnrch diese neue in den Schatten gestellt werden.<lb/> Es ist ein Bildniß der Gräfin Karolyi, der Gattin des österreichischen Bot¬<lb/> schafters am Berliner Hofe. Die Dame, eine der gefeiertsten Schönheiten der<lb/> Berliner Salons, ist ungefähr bis zu den Knieen dargestellt. Sie trägt ein<lb/> dunkelgrünes Seidenkleid mit einem gleichfarbigen lleberwurf von gepreßtem<lb/> Sammet. Der herzförmige Ausschnitt des Ueberwurfs ist mit breiten weißen<lb/> Spitzen garnirt, welche die Brust und einen Theil der Schultern bedecken.<lb/> An der linken Schulter ist eine halb erblühte Rose befestigt. Sie stützt den<lb/> schönen Kopf etwas nachdenklich mit der unbehandschuhten Linken leicht auf<lb/> einen mit braunem, gepreßtem Leder überzogenen Sessel, dessen steife, alterthüm¬<lb/> liche Form mit der schlanken, graziösen Gestalt der Gräfin pikant kontrastirt.<lb/> Auf der Lehne des Sessels liegt ein rother Sammetpelz auf, den die Gräfin<lb/> mit dem Ellenbogen festhält. Das andere Ende des Pelzes, das um den<lb/> Rücken geschlagen ist, hat sie mit der Linken gefaßt, die mit einem feinen grauen<lb/> Handschuh bekleidet ist. Den Kopf bedeckt ein schwarzer, breitkrämpiger Hut<lb/> mit einer großen weißen Feder, unter welchem das leicht gekräuselte, hellbraune<lb/> Haar auf die Stirn herabfällt. Die Gestalt hebt sich in vollkommen plastischer<lb/> Rundung von einem dunkelgrauen, ungemein fein abgetöntem Hintergrunde ab.<lb/> Das Arrangement des Bildes ist vielleicht zu gesucht; man merkt eben, daß es<lb/> arrangirt ist. Aber das Auge des Beschauers wird durch die Nebendinge, so<lb/> wunderbar sie auch, besonders der scnumetne Ueberwurf mit seinen eingepreßten<lb/> Blumen, gemalt sind, von dem herrlichen Kopfe nicht abgelenkt. Das Antlitz<lb/> ist mit einer unvergleichlichen Zartheit modellirt und mit einem goldigen<lb/> Glänze übergössen, der sich mit dem Rosenroth der Wangen zu einer bezaubernden<lb/> Wirkung vermählt.</p><lb/> <p xml:id="ID_73" next="#ID_74"> Gustav Richter ist bisher in der glücklichen Lage gewesen, nur schöne<lb/> Frauen, charakteristische oder geistig bedeutende Männerköpfe und hübsche<lb/> Kinder zu malen. Es mag sein, daß ihm von dieser nur dem Kultus der<lb/> Schönheit gewidmeten Thätigkeit eine leichte Neigung zum Jdealisiren zu eigen<lb/> geworden ist. Aber dieser Neigung opfert er nur unwesentliche Züge, die nicht<lb/> bestimmend für den Charakter der darzustellenden Persönlichkeiten sind. Vor<lb/> seinen Bildern hat man dasselbe Gefühl wie vor den Portals eines Holbein,<lb/> eines van Dyk: man möchte darauf schwören, daß sie ähnlich sind, auch wenn</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
biete obenanstanden, in diesem Jahre als Porträtisten keine Ehre eingelegt
haben, liegt zum großen Theile an dem, der sie alle meistert, an Gustav
Richter. Er ist mit einer so außergewöhnlichen Leistung ans den Schauplatz
getreten, daß uicht blos alle übrigen Porträts neben dem seinigen verbleichen,
sondern daß anch seine eigenen früheren Schöpfungen, selbst das glänzende
Bildniß der Fürstin Carolath, das gegenwärtig in der deutschen Abtheilung
auf dem Marsfelde glänzt, dnrch diese neue in den Schatten gestellt werden.
Es ist ein Bildniß der Gräfin Karolyi, der Gattin des österreichischen Bot¬
schafters am Berliner Hofe. Die Dame, eine der gefeiertsten Schönheiten der
Berliner Salons, ist ungefähr bis zu den Knieen dargestellt. Sie trägt ein
dunkelgrünes Seidenkleid mit einem gleichfarbigen lleberwurf von gepreßtem
Sammet. Der herzförmige Ausschnitt des Ueberwurfs ist mit breiten weißen
Spitzen garnirt, welche die Brust und einen Theil der Schultern bedecken.
An der linken Schulter ist eine halb erblühte Rose befestigt. Sie stützt den
schönen Kopf etwas nachdenklich mit der unbehandschuhten Linken leicht auf
einen mit braunem, gepreßtem Leder überzogenen Sessel, dessen steife, alterthüm¬
liche Form mit der schlanken, graziösen Gestalt der Gräfin pikant kontrastirt.
Auf der Lehne des Sessels liegt ein rother Sammetpelz auf, den die Gräfin
mit dem Ellenbogen festhält. Das andere Ende des Pelzes, das um den
Rücken geschlagen ist, hat sie mit der Linken gefaßt, die mit einem feinen grauen
Handschuh bekleidet ist. Den Kopf bedeckt ein schwarzer, breitkrämpiger Hut
mit einer großen weißen Feder, unter welchem das leicht gekräuselte, hellbraune
Haar auf die Stirn herabfällt. Die Gestalt hebt sich in vollkommen plastischer
Rundung von einem dunkelgrauen, ungemein fein abgetöntem Hintergrunde ab.
Das Arrangement des Bildes ist vielleicht zu gesucht; man merkt eben, daß es
arrangirt ist. Aber das Auge des Beschauers wird durch die Nebendinge, so
wunderbar sie auch, besonders der scnumetne Ueberwurf mit seinen eingepreßten
Blumen, gemalt sind, von dem herrlichen Kopfe nicht abgelenkt. Das Antlitz
ist mit einer unvergleichlichen Zartheit modellirt und mit einem goldigen
Glänze übergössen, der sich mit dem Rosenroth der Wangen zu einer bezaubernden
Wirkung vermählt.
Gustav Richter ist bisher in der glücklichen Lage gewesen, nur schöne
Frauen, charakteristische oder geistig bedeutende Männerköpfe und hübsche
Kinder zu malen. Es mag sein, daß ihm von dieser nur dem Kultus der
Schönheit gewidmeten Thätigkeit eine leichte Neigung zum Jdealisiren zu eigen
geworden ist. Aber dieser Neigung opfert er nur unwesentliche Züge, die nicht
bestimmend für den Charakter der darzustellenden Persönlichkeiten sind. Vor
seinen Bildern hat man dasselbe Gefühl wie vor den Portals eines Holbein,
eines van Dyk: man möchte darauf schwören, daß sie ähnlich sind, auch wenn
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