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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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vor der Stadt vollständig verließ. Seine Schwäche aber, er hatte bereits
1500 Mann verloren, und der Mangel jeder Reserve gestattete ihm nicht weiter
vorzudringen. Am 12. September wurden ihm, ohne daß er Unterstützung
erhielt, durch sechsmal wiederholte türkische Angriffe nnter neuen gewaltigen
Verlusten auch die genommenen Schanzen wieder entrissen. Auf den übrigen
Fronten wurde am 12. und 13. September nur ein mäßiges Artillerie-Feuer
unterhalten. Am 14. Abends versuchten die Türken noch einmal das Fort
Abdul Kerim wieder zu nehmen, gaben aber nach dreiviertelstündigen Kampfe
den erfolglosen Angriff auf. Mit einem Gesammtverluste, den für die Tage
vom 6. bis 14. September die Russen auf rund 300 Offiziere, 12,500 Mann,
die Rumänen auf 60 Offiziere, 3000 Manu bezifferten, war also nichts ge¬
wonnen als eine Schanze, die, wie man jetzt sah, von einer zweiten, nahe
gelegenen Griwitza-Redoute dominirt und völlig uuter Feuer gehalten wurde.

Die gesuchte große Entscheidungsschlacht war verloren, der Stern Osman
Pascha's leuchtete Heller wie je; er selbst aber war nicht im Stande den Ring,
der nach wie vor ihn umschlossen hielt, zu durchbrechen. Der Anstoß, der die
Türken auch offensiv zu einem entschiedenen Erfolge führen konnte, mußte von
anderwärts kommen. Die russische Armee, durch den gewaltigen Schlag er¬
schüttert, dnrch den ungeheuren Verlust der Tage vou Plewna mehr wie je
geschwächt, mußte das Kommende über sich ergehen lassen. Jeder Tag, den
es gelang, die früher inne gehabten Stellungen im Westen wie im Süden und
Osten festzuhalten, war ein neuer folgenreicher Gewinn. Die Türken waren
mehr wie je darauf angewiesen, die Russen von dem erhaltenen Schlage sich nicht
erholen zu lassen, sondern durch energische Angriffe von allen Seiten den großen
Erfolg auszubeuten und zu einem Wendepunkt des Krieges zu gestalten. Die
Indolenz der Türken, die Uneinigkeit ihrer Führer, um schon Gesagtes zu
wiederholen, die Abwesenheit des Sultans von seinen Heeren, rettete noch ein¬
mal wie im Anfang August die russische Armee und ließ sie sast unbelästigt
in allen ihren Stellungen.

Erst am 17. September unternahm am Tschipkapaß, nach mehrtägiger
heftiger Beschießung, Suleiman Pascha einen neuen Augriff. 3 Kolonnen zu
je 1000 Freiwilligen stürmten von früh 3 Uhr gegen den östlichen Theil des
Nikolai-Berges an, 6 Bataillone folgten ihnen. In den ersten den Russen
abgenommenen Schützengräben wurden sofort starke Deckungen angelegt dnrch
mitgebrachte Faschinen und Schanzkörbe. Ein um 6 Uhr ausgeführter neuer
Vorstoß gegen die Nikolai-Redoute führte nicht zum Ziele. Der um 8 Uhr
unternommene Hauptaiigriff wurde dnrch 20 Kompagnien der 14. Division nur
mühsam abgewehrt, bis der Gegenstoß des letzten verfügbaren russischen
Bataillons die Türken zum Stutzen und schließlich zum Weichen brachte. Ein


vor der Stadt vollständig verließ. Seine Schwäche aber, er hatte bereits
1500 Mann verloren, und der Mangel jeder Reserve gestattete ihm nicht weiter
vorzudringen. Am 12. September wurden ihm, ohne daß er Unterstützung
erhielt, durch sechsmal wiederholte türkische Angriffe nnter neuen gewaltigen
Verlusten auch die genommenen Schanzen wieder entrissen. Auf den übrigen
Fronten wurde am 12. und 13. September nur ein mäßiges Artillerie-Feuer
unterhalten. Am 14. Abends versuchten die Türken noch einmal das Fort
Abdul Kerim wieder zu nehmen, gaben aber nach dreiviertelstündigen Kampfe
den erfolglosen Angriff auf. Mit einem Gesammtverluste, den für die Tage
vom 6. bis 14. September die Russen auf rund 300 Offiziere, 12,500 Mann,
die Rumänen auf 60 Offiziere, 3000 Manu bezifferten, war also nichts ge¬
wonnen als eine Schanze, die, wie man jetzt sah, von einer zweiten, nahe
gelegenen Griwitza-Redoute dominirt und völlig uuter Feuer gehalten wurde.

Die gesuchte große Entscheidungsschlacht war verloren, der Stern Osman
Pascha's leuchtete Heller wie je; er selbst aber war nicht im Stande den Ring,
der nach wie vor ihn umschlossen hielt, zu durchbrechen. Der Anstoß, der die
Türken auch offensiv zu einem entschiedenen Erfolge führen konnte, mußte von
anderwärts kommen. Die russische Armee, durch den gewaltigen Schlag er¬
schüttert, dnrch den ungeheuren Verlust der Tage vou Plewna mehr wie je
geschwächt, mußte das Kommende über sich ergehen lassen. Jeder Tag, den
es gelang, die früher inne gehabten Stellungen im Westen wie im Süden und
Osten festzuhalten, war ein neuer folgenreicher Gewinn. Die Türken waren
mehr wie je darauf angewiesen, die Russen von dem erhaltenen Schlage sich nicht
erholen zu lassen, sondern durch energische Angriffe von allen Seiten den großen
Erfolg auszubeuten und zu einem Wendepunkt des Krieges zu gestalten. Die
Indolenz der Türken, die Uneinigkeit ihrer Führer, um schon Gesagtes zu
wiederholen, die Abwesenheit des Sultans von seinen Heeren, rettete noch ein¬
mal wie im Anfang August die russische Armee und ließ sie sast unbelästigt
in allen ihren Stellungen.

Erst am 17. September unternahm am Tschipkapaß, nach mehrtägiger
heftiger Beschießung, Suleiman Pascha einen neuen Augriff. 3 Kolonnen zu
je 1000 Freiwilligen stürmten von früh 3 Uhr gegen den östlichen Theil des
Nikolai-Berges an, 6 Bataillone folgten ihnen. In den ersten den Russen
abgenommenen Schützengräben wurden sofort starke Deckungen angelegt dnrch
mitgebrachte Faschinen und Schanzkörbe. Ein um 6 Uhr ausgeführter neuer
Vorstoß gegen die Nikolai-Redoute führte nicht zum Ziele. Der um 8 Uhr
unternommene Hauptaiigriff wurde dnrch 20 Kompagnien der 14. Division nur
mühsam abgewehrt, bis der Gegenstoß des letzten verfügbaren russischen
Bataillons die Türken zum Stutzen und schließlich zum Weichen brachte. Ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/255>, abgerufen am 05.02.2025.