Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band."Nun wohl, das ist eines unserer Bollwerke im Westen, wir Haben's gewonnen Der schwächste Passus der Berichte des Herrn B. ist unstreitig der nächstfolgende, „Nun wohl, das ist eines unserer Bollwerke im Westen, wir Haben's gewonnen Der schwächste Passus der Berichte des Herrn B. ist unstreitig der nächstfolgende, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141099"/> <p xml:id="ID_751" prev="#ID_750"> „Nun wohl, das ist eines unserer Bollwerke im Westen, wir Haben's gewonnen<lb/> und wollens behalten!" (Bewegung unter den Mädchen!) setzt Herr B. in<lb/> Klammer dabei. Ich fürchte, wenn jene Bewegung unter den jungen Damen<lb/> wirklich stattgehabt hat, daß sie einen anderen und weit prosaischeren Grund,<lb/> als überwallenden Patriotismus hatte, wie Herr B. anzunehmen scheint. —<lb/> Der Lehrer plauderte nach der Stunde mit dem Verfasser und erzählte ihm,<lb/> daß der Unterricht in der Mädchenschule ihn mehr interessire, als seine frühere<lb/> Thätigkeit auf dem Gymnasium und der Realschule, die er ebenfalls geübt<lb/> habe. Sehr richtig sagte ihm der betreffende Herr, daß man durchaus nicht<lb/> glauben dürfe, hier sei eine sanftere Disziplin zuzulassen, als bei einer Knaben¬<lb/> schule. Im Gegentheil sei häufig mehr Energie, vor Allem aber eine uner¬<lb/> bittliche Konsequenz in allen Beziehungen das einzig Nichtige einer Mädchen¬<lb/> klasse gegenüber. „Während bei dem Manne das Leben die Disziplin fortsetzt,<lb/> ist die Schule der Regel nach der einzige Ort, wo das Mädchen Disziplin,<lb/> Pünktlichkeit, Konsequenz lernen und sich über die Pflichten und deren Wechsel¬<lb/> wirkung zwischen dem Staat und dem Leben des Einzelnen unterrichten kaun!"<lb/> Einem Franzosen, der dabei an die Frauenerziehung im (üouvsnt av. saeiü<lb/> Lvsur zu Paris denkt, muß allerdings etwas „schwül" werden! Der Verfasser<lb/> befürwortet daher auch durchaus die Einführung ähnlicher Methoden betreffs<lb/> der Mädchenschulen und fügt einen Grund hinzu, der mir eben so neu war,<lb/> als er den Lesern erscheinen wird. Er sagt: „In einem Lande, wo die all¬<lb/> gemeine Wehrpflicht herrscht — wie ja auch jetzt bei uns — und der Mann,<lb/> selbst wenn er verheirathet ist, jeden Augenblick unter die Waffen gerufen<lb/> werden kann, ist es nöthig, die Erziehung der Frau so zu leiten, daß sie ihrem<lb/> Manne eintretenden Falles keine Schwierigkeiten macht!" — Das ist denn doch<lb/> mehr Theorie als Praxis, wie er denn auch gleich darauf selbst ausspricht,<lb/> daß im letzten Kriege die Frauen in Frankreich mehr als nöthig zum Kriege<lb/> hetzten. Für den, der den Zusammenhang kennt, den der Beichtstuhl zwischen<lb/> Pfaffen und Frauen herstellt, ebenfalls sehr erklärlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_752" next="#ID_753"> Der schwächste Passus der Berichte des Herrn B. ist unstreitig der nächstfolgende,<lb/> in welchem er sich bemüht, nachzuweisen, daß sämmtliche Forscher und Dichter alt¬<lb/> deutscher Mythologie und Geschichte „auxiliaires an xg,t,riotl8in«z" gewesen seien,<lb/> und der Gewinn, den die Wissenschaft aus den Erfolgen der Gebrüder Grimm und<lb/> ihrer Nachfolger, aus deu Errungenschaften der vergleichenden Sprachwissenschaft<lb/> gezogen hat, nur im Dienste des Patriotismus verwendet würde. Ju völligem<lb/> Vergessen des „si Ärw ka-plume lahm, rwir sse lahm" verlangt er für Frank¬<lb/> reich eine Neubelebung der Rolandssagen und Karlskreise, des Königs Arthur :e.<lb/> Es ist kaum möglich, eine Sache schiefer und einseitiger zu beurtheilen. Wenn<lb/> Siiurock's Dichtungen sicherlich lehren, das Vaterland zu lieben, so dienen sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0220]
„Nun wohl, das ist eines unserer Bollwerke im Westen, wir Haben's gewonnen
und wollens behalten!" (Bewegung unter den Mädchen!) setzt Herr B. in
Klammer dabei. Ich fürchte, wenn jene Bewegung unter den jungen Damen
wirklich stattgehabt hat, daß sie einen anderen und weit prosaischeren Grund,
als überwallenden Patriotismus hatte, wie Herr B. anzunehmen scheint. —
Der Lehrer plauderte nach der Stunde mit dem Verfasser und erzählte ihm,
daß der Unterricht in der Mädchenschule ihn mehr interessire, als seine frühere
Thätigkeit auf dem Gymnasium und der Realschule, die er ebenfalls geübt
habe. Sehr richtig sagte ihm der betreffende Herr, daß man durchaus nicht
glauben dürfe, hier sei eine sanftere Disziplin zuzulassen, als bei einer Knaben¬
schule. Im Gegentheil sei häufig mehr Energie, vor Allem aber eine uner¬
bittliche Konsequenz in allen Beziehungen das einzig Nichtige einer Mädchen¬
klasse gegenüber. „Während bei dem Manne das Leben die Disziplin fortsetzt,
ist die Schule der Regel nach der einzige Ort, wo das Mädchen Disziplin,
Pünktlichkeit, Konsequenz lernen und sich über die Pflichten und deren Wechsel¬
wirkung zwischen dem Staat und dem Leben des Einzelnen unterrichten kaun!"
Einem Franzosen, der dabei an die Frauenerziehung im (üouvsnt av. saeiü
Lvsur zu Paris denkt, muß allerdings etwas „schwül" werden! Der Verfasser
befürwortet daher auch durchaus die Einführung ähnlicher Methoden betreffs
der Mädchenschulen und fügt einen Grund hinzu, der mir eben so neu war,
als er den Lesern erscheinen wird. Er sagt: „In einem Lande, wo die all¬
gemeine Wehrpflicht herrscht — wie ja auch jetzt bei uns — und der Mann,
selbst wenn er verheirathet ist, jeden Augenblick unter die Waffen gerufen
werden kann, ist es nöthig, die Erziehung der Frau so zu leiten, daß sie ihrem
Manne eintretenden Falles keine Schwierigkeiten macht!" — Das ist denn doch
mehr Theorie als Praxis, wie er denn auch gleich darauf selbst ausspricht,
daß im letzten Kriege die Frauen in Frankreich mehr als nöthig zum Kriege
hetzten. Für den, der den Zusammenhang kennt, den der Beichtstuhl zwischen
Pfaffen und Frauen herstellt, ebenfalls sehr erklärlich.
Der schwächste Passus der Berichte des Herrn B. ist unstreitig der nächstfolgende,
in welchem er sich bemüht, nachzuweisen, daß sämmtliche Forscher und Dichter alt¬
deutscher Mythologie und Geschichte „auxiliaires an xg,t,riotl8in«z" gewesen seien,
und der Gewinn, den die Wissenschaft aus den Erfolgen der Gebrüder Grimm und
ihrer Nachfolger, aus deu Errungenschaften der vergleichenden Sprachwissenschaft
gezogen hat, nur im Dienste des Patriotismus verwendet würde. Ju völligem
Vergessen des „si Ärw ka-plume lahm, rwir sse lahm" verlangt er für Frank¬
reich eine Neubelebung der Rolandssagen und Karlskreise, des Königs Arthur :e.
Es ist kaum möglich, eine Sache schiefer und einseitiger zu beurtheilen. Wenn
Siiurock's Dichtungen sicherlich lehren, das Vaterland zu lieben, so dienen sie
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