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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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mit Kavallerie, auch Infanterie durch und durch besetzet sind, sondern auch
durch beständiges Patrouilliren alle Movements von den Unsrigen gar fleißig
rekognosciren lassen, welches ihnen um so leichter zu thuen, als wir durch die
hiesigen Quartiersleute, die alle gut hessisch sind, verrathen und verkaufet
werden."

Trotz aller dieser Fährlichkeiten faßte aber General-Feldzeugmeister von
Jsselbach dennoch den heroischen Entschluß, die Grenze zu überschreiten. Es
geschah dies am 23. Juli Morgens mit Tagesanbruch, jedoch nur mit einer
Heeresmacht von 1400 Mann Infanterie und 100 Reitern, demnach fehlte an
der Sollstärke weit über die Hälfte. -Zunächst basirte man sich gehörig, um
gegen alle Eventualitäten gesichert zu sein. Zu dem Ende wurde der Kameral-
Hof mit einem Kapitän und 150 Mann besetzt und zwar, wie es in der offi¬
ziellen Relation ausdrücklich heißt: "der Retirade halber im benöthigten Falle."
Die Relation fährt dann weiter fort: "Als wir nur etwas über eine Viertel-
stunde avcmciret waren ersahen wir auf dem Felde ohnweit Eßdorf drei hessische
Eskadrons in ordre und rechter Hand ebensoviel rangiret, von welchen sogleich
ein Officier uns entgegengeschicket wurde mit Protestation und mit der Ver¬
sicherung, die Herren General von Sack und von Bohneburg würden die
nöthigen Mesures dagegen vorkehren, dem dann in Antwort ertheilet worden,
daß wir im Namen Ihrer Kaiserlichen Majestät und des gescunmten Römischen
Reichs, von Herren General von Jsselbach dahin beordert wären, die schon
längst allergnädigst zuerkannte Exekution zu vollziehen, worüber uns das mit¬
gegebene Kaiserliche Patent legitimiren würde." Trotzdem die pfälzische In¬
fanterie und Kavallerie, welche zur Sicherung der rechten Flanke weiter rechts
marschirt, sich mittlerweile mit den übrigen Reichsvölkern in Verbindung gesetzt
hatte und sonach die ordrs as da.eg.111s hergestellt war, trat dennoch im Vor¬
rücken ein Stillstand ein. Es wurde hin und her parlamentirt, und der General
so eust zeigte trotz des Kaiserlichen Patents in seiner Tasche eine Geduld, welche
mit der Schwäche wohl sehr nahe verwandt war, denn den Hessen ward eine
nochmalige Bedenkfrist von achtundvierzig Stunden gewährt. Infolge dessen
verließen die Exekutivnstruppen wieder das feindliche Gebiet und nahmen an
der Greuze im Amöneburg'schen und Darmstädtischen abermals ihre Quartiere.

Was nun weiter geschah, entnehmen wir einem Berichte des schon oben
erwähnten Obersten Treskau, der unter dem 28. Juli 1718 an das fränkische
Kreisdirektorium wie folgt schreibt: "Alldieweilen nach der expirirten Dilation
der zwei mal vierundzwanzig Stunden von Hessen-Cassel'scher Seite keine
genauere Deklaration erfolget und man wahrnehmen können, daß die Herren
Hessen um mehrere Zeit zu gewinnen die Exekution desto länger zu verhindern,
uns nur mit höflichen Complimenten aufzuziehen sucheteu, so ist von diesseitig


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mit Kavallerie, auch Infanterie durch und durch besetzet sind, sondern auch
durch beständiges Patrouilliren alle Movements von den Unsrigen gar fleißig
rekognosciren lassen, welches ihnen um so leichter zu thuen, als wir durch die
hiesigen Quartiersleute, die alle gut hessisch sind, verrathen und verkaufet
werden."

Trotz aller dieser Fährlichkeiten faßte aber General-Feldzeugmeister von
Jsselbach dennoch den heroischen Entschluß, die Grenze zu überschreiten. Es
geschah dies am 23. Juli Morgens mit Tagesanbruch, jedoch nur mit einer
Heeresmacht von 1400 Mann Infanterie und 100 Reitern, demnach fehlte an
der Sollstärke weit über die Hälfte. -Zunächst basirte man sich gehörig, um
gegen alle Eventualitäten gesichert zu sein. Zu dem Ende wurde der Kameral-
Hof mit einem Kapitän und 150 Mann besetzt und zwar, wie es in der offi¬
ziellen Relation ausdrücklich heißt: „der Retirade halber im benöthigten Falle."
Die Relation fährt dann weiter fort: „Als wir nur etwas über eine Viertel-
stunde avcmciret waren ersahen wir auf dem Felde ohnweit Eßdorf drei hessische
Eskadrons in ordre und rechter Hand ebensoviel rangiret, von welchen sogleich
ein Officier uns entgegengeschicket wurde mit Protestation und mit der Ver¬
sicherung, die Herren General von Sack und von Bohneburg würden die
nöthigen Mesures dagegen vorkehren, dem dann in Antwort ertheilet worden,
daß wir im Namen Ihrer Kaiserlichen Majestät und des gescunmten Römischen
Reichs, von Herren General von Jsselbach dahin beordert wären, die schon
längst allergnädigst zuerkannte Exekution zu vollziehen, worüber uns das mit¬
gegebene Kaiserliche Patent legitimiren würde." Trotzdem die pfälzische In¬
fanterie und Kavallerie, welche zur Sicherung der rechten Flanke weiter rechts
marschirt, sich mittlerweile mit den übrigen Reichsvölkern in Verbindung gesetzt
hatte und sonach die ordrs as da.eg.111s hergestellt war, trat dennoch im Vor¬
rücken ein Stillstand ein. Es wurde hin und her parlamentirt, und der General
so eust zeigte trotz des Kaiserlichen Patents in seiner Tasche eine Geduld, welche
mit der Schwäche wohl sehr nahe verwandt war, denn den Hessen ward eine
nochmalige Bedenkfrist von achtundvierzig Stunden gewährt. Infolge dessen
verließen die Exekutivnstruppen wieder das feindliche Gebiet und nahmen an
der Greuze im Amöneburg'schen und Darmstädtischen abermals ihre Quartiere.

Was nun weiter geschah, entnehmen wir einem Berichte des schon oben
erwähnten Obersten Treskau, der unter dem 28. Juli 1718 an das fränkische
Kreisdirektorium wie folgt schreibt: „Alldieweilen nach der expirirten Dilation
der zwei mal vierundzwanzig Stunden von Hessen-Cassel'scher Seite keine
genauere Deklaration erfolget und man wahrnehmen können, daß die Herren
Hessen um mehrere Zeit zu gewinnen die Exekution desto länger zu verhindern,
uns nur mit höflichen Complimenten aufzuziehen sucheteu, so ist von diesseitig


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[0213] mit Kavallerie, auch Infanterie durch und durch besetzet sind, sondern auch durch beständiges Patrouilliren alle Movements von den Unsrigen gar fleißig rekognosciren lassen, welches ihnen um so leichter zu thuen, als wir durch die hiesigen Quartiersleute, die alle gut hessisch sind, verrathen und verkaufet werden." Trotz aller dieser Fährlichkeiten faßte aber General-Feldzeugmeister von Jsselbach dennoch den heroischen Entschluß, die Grenze zu überschreiten. Es geschah dies am 23. Juli Morgens mit Tagesanbruch, jedoch nur mit einer Heeresmacht von 1400 Mann Infanterie und 100 Reitern, demnach fehlte an der Sollstärke weit über die Hälfte. -Zunächst basirte man sich gehörig, um gegen alle Eventualitäten gesichert zu sein. Zu dem Ende wurde der Kameral- Hof mit einem Kapitän und 150 Mann besetzt und zwar, wie es in der offi¬ ziellen Relation ausdrücklich heißt: „der Retirade halber im benöthigten Falle." Die Relation fährt dann weiter fort: „Als wir nur etwas über eine Viertel- stunde avcmciret waren ersahen wir auf dem Felde ohnweit Eßdorf drei hessische Eskadrons in ordre und rechter Hand ebensoviel rangiret, von welchen sogleich ein Officier uns entgegengeschicket wurde mit Protestation und mit der Ver¬ sicherung, die Herren General von Sack und von Bohneburg würden die nöthigen Mesures dagegen vorkehren, dem dann in Antwort ertheilet worden, daß wir im Namen Ihrer Kaiserlichen Majestät und des gescunmten Römischen Reichs, von Herren General von Jsselbach dahin beordert wären, die schon längst allergnädigst zuerkannte Exekution zu vollziehen, worüber uns das mit¬ gegebene Kaiserliche Patent legitimiren würde." Trotzdem die pfälzische In¬ fanterie und Kavallerie, welche zur Sicherung der rechten Flanke weiter rechts marschirt, sich mittlerweile mit den übrigen Reichsvölkern in Verbindung gesetzt hatte und sonach die ordrs as da.eg.111s hergestellt war, trat dennoch im Vor¬ rücken ein Stillstand ein. Es wurde hin und her parlamentirt, und der General so eust zeigte trotz des Kaiserlichen Patents in seiner Tasche eine Geduld, welche mit der Schwäche wohl sehr nahe verwandt war, denn den Hessen ward eine nochmalige Bedenkfrist von achtundvierzig Stunden gewährt. Infolge dessen verließen die Exekutivnstruppen wieder das feindliche Gebiet und nahmen an der Greuze im Amöneburg'schen und Darmstädtischen abermals ihre Quartiere. Was nun weiter geschah, entnehmen wir einem Berichte des schon oben erwähnten Obersten Treskau, der unter dem 28. Juli 1718 an das fränkische Kreisdirektorium wie folgt schreibt: „Alldieweilen nach der expirirten Dilation der zwei mal vierundzwanzig Stunden von Hessen-Cassel'scher Seite keine genauere Deklaration erfolget und man wahrnehmen können, daß die Herren Hessen um mehrere Zeit zu gewinnen die Exekution desto länger zu verhindern, uns nur mit höflichen Complimenten aufzuziehen sucheteu, so ist von diesseitig GrenzbvtlNl IV. 187L L7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/213>, abgerufen am 05.02.2025.