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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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der Herzog in Marsch, noch meinte er einen Betrug, ein "Schelmstück des Un¬
ergründlichen befürchten zu müssen.

Nach Eger wollte auch Wallenstein gehen, denn schon drängten kaiserliche
Truppen heran. Dort war er den Schweden und Sachsen nahe, die Festung
war stark, die Kommandanten schienen, weil protestantisch, zuverlässig, die
Bürgerschaft, mit Gewalt erst vor Kurzem zum Uebertritt zum Katholizismus
gezwungen, dem Kaiser abgeneigt. So brach Wallenstein am Vormittage des
22. Februar mit etwa 2000 Mann von Pilsen auf, selbst verstimmt und leidend;
in einer Sänfte machte er den Weg. Unterwegs bei Mich, wo er nächtigte,
zwang er das irische Dragonerregiment des Obersten Butter, das auf seinen Be¬
fehl nach Prag marschiren wollte, sich ihm anzuschließen; er ahnte nicht, daß
es sein Henker war, den er da mit sich führte. Am Nachmittage des 24. zog
er in Eger ein, nahm sein Quartier in dem stattlichen Hanse des verstorbenen
Raihsherm Alexander Pachhälbel am großen Ringe, im Nebenhause Jlow und
TrÄ'a mit ihren Frauen. Butler's Dragoner, denen man nicht traute, lagerten
vor den Thoren, nur der Oberst mit den Fahnen in der Stadt, mehr als Geißel,
denn als Bundesgenosse.

Noch am Abend ließ Friedland den Oberstwachtmeister Leßley, den Oberst¬
leutnant Gordon und Butter rufen und theilte ihnen seine Absichten mit.
Die gewissenhaften schottischen Kalvinisten schwankten: ihr Eid band sie an
den Kaiser, ihre religiösen Sympathien drängten sie zu Wallenstein. Sie ver¬
hehlten ihre Bedenken nicht, erklärten noch am 25. früh dem Feldmarschall
Jlow offen ihren Standpunkt. Es war nicht möglich, eine bestimmte Zusiche-
rung ihnen zu entlocken.

Da, als sie schwankten zwischen ihrer Eidespflicht und ihrer Sympathie,
trat die finstere Gestalt des Obersten Butter an sie heran. Ans vornehmem
irischen Geschlecht entsprossen, eifrig katholisch und obwohl ein Fremder ent¬
schieden kaiserlich gesinnt, hatte er zwar Wallenstein's Achtung, nie aber sein
Vertrauen genossen. Als er sich ihm unterwegs anschloß, geschah es mit dem
Vorsatz, ihn, nunmehr den gefährlichsten Feind des Hauses Habsburg, unschäd¬
lich zu machen, so oder so; ob er dazu eine direkte Aufforderung von Piccolo-
mini*) oder vom Hofe erhalten, ist gleichgiltig, jedenfalls war er gewiß, im Interesse
des Kaisers und im Sinne der katholisch-spanischen Partei zu handeln. Auf's
Lebhafteste stellte er den beiden Schotten die Gefahren der Lage vor Angen
und mußte doch auch betonen, Wallenstein zu verhaften sei bei der Stärke
seiner Truppen und den Gesinnungen der Bürgerschaft ganz unmöglich. In



*) Eine solche hat ihm zukommen sollen und zwar durch seinen Beichtvater Patrik
Taaffe, aber sie kam nachweislich zu spät.

der Herzog in Marsch, noch meinte er einen Betrug, ein „Schelmstück des Un¬
ergründlichen befürchten zu müssen.

Nach Eger wollte auch Wallenstein gehen, denn schon drängten kaiserliche
Truppen heran. Dort war er den Schweden und Sachsen nahe, die Festung
war stark, die Kommandanten schienen, weil protestantisch, zuverlässig, die
Bürgerschaft, mit Gewalt erst vor Kurzem zum Uebertritt zum Katholizismus
gezwungen, dem Kaiser abgeneigt. So brach Wallenstein am Vormittage des
22. Februar mit etwa 2000 Mann von Pilsen auf, selbst verstimmt und leidend;
in einer Sänfte machte er den Weg. Unterwegs bei Mich, wo er nächtigte,
zwang er das irische Dragonerregiment des Obersten Butter, das auf seinen Be¬
fehl nach Prag marschiren wollte, sich ihm anzuschließen; er ahnte nicht, daß
es sein Henker war, den er da mit sich führte. Am Nachmittage des 24. zog
er in Eger ein, nahm sein Quartier in dem stattlichen Hanse des verstorbenen
Raihsherm Alexander Pachhälbel am großen Ringe, im Nebenhause Jlow und
TrÄ'a mit ihren Frauen. Butler's Dragoner, denen man nicht traute, lagerten
vor den Thoren, nur der Oberst mit den Fahnen in der Stadt, mehr als Geißel,
denn als Bundesgenosse.

Noch am Abend ließ Friedland den Oberstwachtmeister Leßley, den Oberst¬
leutnant Gordon und Butter rufen und theilte ihnen seine Absichten mit.
Die gewissenhaften schottischen Kalvinisten schwankten: ihr Eid band sie an
den Kaiser, ihre religiösen Sympathien drängten sie zu Wallenstein. Sie ver¬
hehlten ihre Bedenken nicht, erklärten noch am 25. früh dem Feldmarschall
Jlow offen ihren Standpunkt. Es war nicht möglich, eine bestimmte Zusiche-
rung ihnen zu entlocken.

Da, als sie schwankten zwischen ihrer Eidespflicht und ihrer Sympathie,
trat die finstere Gestalt des Obersten Butter an sie heran. Ans vornehmem
irischen Geschlecht entsprossen, eifrig katholisch und obwohl ein Fremder ent¬
schieden kaiserlich gesinnt, hatte er zwar Wallenstein's Achtung, nie aber sein
Vertrauen genossen. Als er sich ihm unterwegs anschloß, geschah es mit dem
Vorsatz, ihn, nunmehr den gefährlichsten Feind des Hauses Habsburg, unschäd¬
lich zu machen, so oder so; ob er dazu eine direkte Aufforderung von Piccolo-
mini*) oder vom Hofe erhalten, ist gleichgiltig, jedenfalls war er gewiß, im Interesse
des Kaisers und im Sinne der katholisch-spanischen Partei zu handeln. Auf's
Lebhafteste stellte er den beiden Schotten die Gefahren der Lage vor Angen
und mußte doch auch betonen, Wallenstein zu verhaften sei bei der Stärke
seiner Truppen und den Gesinnungen der Bürgerschaft ganz unmöglich. In



*) Eine solche hat ihm zukommen sollen und zwar durch seinen Beichtvater Patrik
Taaffe, aber sie kam nachweislich zu spät.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/20>, abgerufen am 05.02.2025.