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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Mitwirkenden fließen, oder mag sie außer und über ihnen entspringen und sich
von außen her befruchtend über das Ganze verbreiten. Wenn man immer
dazu verurtheilt ist, Vorstellungen klassischer Schauspiele nach dem gewöhnlichen
Theaterschlendrian mit anzusehen, in denen man den Souffleur stets vor dem
Darsteller hört, die hastig einstudirt sind, mit genauer Noth klappen, und in
denen man immer mit einer gewissen Erregung sitzt, so thut es einem schon
wohl, einmal Aufführungen dagegen zu sehen, in denen alles: Auftreten, Vor¬
trag, Gestikulationen, Stellungen, Gruppirungen, Abgang, augenscheinlich das
Resultat langen und sorgfältigen Studiums ist. Man sieht doch wieder einmal,
was es heißt: eine nach einheitlichem Plane ausgearbeitete Vorstellung, und
die Sicherheit und Freiheit der einzelnen Darsteller, ebenso wie des Zusammen-
spiels, die nur durch anhaltenden Fleiß gewonnen wird, theilt sich in wohl¬
thätiger Weise auch dem Zuschauer mit und gibt ihm jene Heiterkeit und Frei¬
heit der Seele, ohne die kein wahrer Kunstgenuß denkbar ist.

Dasselbe Lob aber muß man allem spenden, was zur äußeren Ausstattung
der Stücke gehört. "Ich schweige von der äußeren Pracht", sagt zwar Lessing
in der "Hamburgischen Dramaturgie", "denn diese Verbesserung unseres Theaters
erfordert nichts als Geld". Auf die Aufführungen der Meininger würde das
Wort sehr schlecht passen. Was sie in Dekorationen und Kostümen leisten, die
sie ja sämmtlich zu ihren Gastspielen mit sich führen, dazu gehört allerdings
auch Geld, Geld und nochmals Geld, aber es gehört doch auch noch mehr
dazu: Studium, wissenschaftlicher Sinn, Kunstgejchmack. Die moderne Bühne
führt uns ja freilich schon längst ein Schauspiel, das im römischen Alterthum
spielt, nicht mehr als Degen- und Mantelstück vor, aber im Allgemeinen läßt
doch die historische Treue der Ausstattung oft sehr viel zu wünschen übrig.
Fleißigen Theaterbesuchern werden manche Dekorationen und Kostüme mit der
Zeit eben so gute Bekannte wie manche Darsteller; sie bleiben eben immer
dieselben, sie mögen erscheinen, in welchen Stücken sie wollen. Welche sinnlose
Verschwendung wird mit allerhand phantastischen Dekorationen in Opern,
Zauberpossen, dramatisirten Märchen u. tgi. getrieben, und im historischen
Schauspiel werden fort und fort die ärgerlichsten Schnitzer gemacht. Pracht und
Aufwand wären oft gar nicht Vonnöthen, mit wenigen Mitteln wäre eine stil¬
gerechte Ausstattung zu erzielen, aber auch das Wenige wird nicht beschafft.
Höchstens der einzelne Künstler, der Darsteller der Hauptrolle, gestattet sich,
aus eignen Mitteln, den Luxus eines gediegenen, geschichtlich treuen Kostüms.
Das Meininger Theater befriedigt auch nach dieser Seite hin große Anfor¬
derungen. Dekorationen, Kostüme, Möbel, Geräthe, Gefäße, Waffen, alles ist
genau in dem Stile, den Ort und Zeit der Handlung verlangen, angefertigt, ja
zum Theil besteht es sogar aus werthvollen Originalen.


Mitwirkenden fließen, oder mag sie außer und über ihnen entspringen und sich
von außen her befruchtend über das Ganze verbreiten. Wenn man immer
dazu verurtheilt ist, Vorstellungen klassischer Schauspiele nach dem gewöhnlichen
Theaterschlendrian mit anzusehen, in denen man den Souffleur stets vor dem
Darsteller hört, die hastig einstudirt sind, mit genauer Noth klappen, und in
denen man immer mit einer gewissen Erregung sitzt, so thut es einem schon
wohl, einmal Aufführungen dagegen zu sehen, in denen alles: Auftreten, Vor¬
trag, Gestikulationen, Stellungen, Gruppirungen, Abgang, augenscheinlich das
Resultat langen und sorgfältigen Studiums ist. Man sieht doch wieder einmal,
was es heißt: eine nach einheitlichem Plane ausgearbeitete Vorstellung, und
die Sicherheit und Freiheit der einzelnen Darsteller, ebenso wie des Zusammen-
spiels, die nur durch anhaltenden Fleiß gewonnen wird, theilt sich in wohl¬
thätiger Weise auch dem Zuschauer mit und gibt ihm jene Heiterkeit und Frei¬
heit der Seele, ohne die kein wahrer Kunstgenuß denkbar ist.

Dasselbe Lob aber muß man allem spenden, was zur äußeren Ausstattung
der Stücke gehört. „Ich schweige von der äußeren Pracht", sagt zwar Lessing
in der „Hamburgischen Dramaturgie", „denn diese Verbesserung unseres Theaters
erfordert nichts als Geld". Auf die Aufführungen der Meininger würde das
Wort sehr schlecht passen. Was sie in Dekorationen und Kostümen leisten, die
sie ja sämmtlich zu ihren Gastspielen mit sich führen, dazu gehört allerdings
auch Geld, Geld und nochmals Geld, aber es gehört doch auch noch mehr
dazu: Studium, wissenschaftlicher Sinn, Kunstgejchmack. Die moderne Bühne
führt uns ja freilich schon längst ein Schauspiel, das im römischen Alterthum
spielt, nicht mehr als Degen- und Mantelstück vor, aber im Allgemeinen läßt
doch die historische Treue der Ausstattung oft sehr viel zu wünschen übrig.
Fleißigen Theaterbesuchern werden manche Dekorationen und Kostüme mit der
Zeit eben so gute Bekannte wie manche Darsteller; sie bleiben eben immer
dieselben, sie mögen erscheinen, in welchen Stücken sie wollen. Welche sinnlose
Verschwendung wird mit allerhand phantastischen Dekorationen in Opern,
Zauberpossen, dramatisirten Märchen u. tgi. getrieben, und im historischen
Schauspiel werden fort und fort die ärgerlichsten Schnitzer gemacht. Pracht und
Aufwand wären oft gar nicht Vonnöthen, mit wenigen Mitteln wäre eine stil¬
gerechte Ausstattung zu erzielen, aber auch das Wenige wird nicht beschafft.
Höchstens der einzelne Künstler, der Darsteller der Hauptrolle, gestattet sich,
aus eignen Mitteln, den Luxus eines gediegenen, geschichtlich treuen Kostüms.
Das Meininger Theater befriedigt auch nach dieser Seite hin große Anfor¬
derungen. Dekorationen, Kostüme, Möbel, Geräthe, Gefäße, Waffen, alles ist
genau in dem Stile, den Ort und Zeit der Handlung verlangen, angefertigt, ja
zum Theil besteht es sogar aus werthvollen Originalen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/195>, abgerufen am 05.02.2025.