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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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gruben aus vertheidigten Höhen zu ersteigen; um 10 Uhr war der obere Rand
der Höhen erreicht, die Türken in das Fort zurückgetrieben, gegen 1 Uhr schritt
der General zum Sturm gegen das von 4 Bataillonen mit 10 Geschützen
vertheidigte Werk; nach wenigen Minuten war dasselbe mit einem Verlust von
118 Köpfen genommen.

In der Nacht vom 16. zum 17. Mai wurden auf den eroberten Höhen
neue Batterien gegen die Südfront eingegraben. Um 3 Uhr früh begann aus
allen Batterien das Feuer gegen diese Front. Bald nach Beginn desselben
glaubte man Truppenbewegungen und große Unruhe infolge der einschla¬
genden Granaten zu bemerken. Die von Kars herangeführten Truppen unter
General Heiman, verstärkt durch Theile der früheren Achalzich-Kolonne, wurden
deshalb sofort zum Sturme befehligt, ohne eine weitere Wirkung des Feuers,
oder das Eingreifen des General Dewel abzuwarten, der mit den Truppen,
welche deu Angriff am 16. ausgeführt, gegen die Werke nördlich des Kur-
Flusses deiuonstrireu sollte.

Der Seur in erfolgte in vier Kolonnen. Die Besatzung der Schanzen
wartete den Angriff nicht ab, sondern floh in die Stadt zurück. Die russischen
Bataillone drängten dicht nach. Ein langer regelloser Kampf an den Brücken
über den Kur und in den Straßen der Stadt folgte. Um 8 Uhr Abends war
Ardahan in den Händen der Russen, bis auf das vereinzelt liegende
Fort Ramasan. Auch dies wurde in der Nacht zum 18. Mai von den Türken
gerannt, ohne daß die dort stehenden Truppen des General Dewel es sogleich
bemerkt Hütten. Der Verlust der Russen am 17. betrug 300 Köpfe, die
Türken ließen allein 1750 Todte uns dem Platze. Die von 14 Bataillonen
vertheidigte, mit 92 Geschützen armirte Festung erlag so mit verhältnißmäßig
geringem Verluste dem Angriffe von im Ganzen 16 Bataillonen mit 65 meist
nur Feldgeschützen. Es war die erste größere Waffenthat des ganzen Krieges
und trug nicht wenig dazu bei, das Selbstgefühl der Russen gegenüber den
Türken zu steigern.

Ardahan blieb von einem Detachement unter Oberst Komarow besetzt.
Es wurden von hier aus zunächst nur Streifzüge gegen Peunek und Olti
unternommen, um die Verbindung zwischen Kars und Batna weit in's Innere
hinein zu unterbrechen und gegen Kars vorrückende türkische Streitkräfte in der
Flanke zu beobachten. Mit allen übrigen Truppen kehrte General Loris-
Melikow in das Lager von Zaun vor Kars zurück.

Hier hatte in seiner Abwesenheit der General Komarow am 16. Juli ein
neues ernsteres Rekognoszirungsgefecht bestanden, in dem unter anderem
blos die Daghestanische Reiterbrigade ihren Führer, General Tschelokajew und
80 Köpfe verlor. Nach Ankunft der Truppen von Ardahan am 24. und


gruben aus vertheidigten Höhen zu ersteigen; um 10 Uhr war der obere Rand
der Höhen erreicht, die Türken in das Fort zurückgetrieben, gegen 1 Uhr schritt
der General zum Sturm gegen das von 4 Bataillonen mit 10 Geschützen
vertheidigte Werk; nach wenigen Minuten war dasselbe mit einem Verlust von
118 Köpfen genommen.

In der Nacht vom 16. zum 17. Mai wurden auf den eroberten Höhen
neue Batterien gegen die Südfront eingegraben. Um 3 Uhr früh begann aus
allen Batterien das Feuer gegen diese Front. Bald nach Beginn desselben
glaubte man Truppenbewegungen und große Unruhe infolge der einschla¬
genden Granaten zu bemerken. Die von Kars herangeführten Truppen unter
General Heiman, verstärkt durch Theile der früheren Achalzich-Kolonne, wurden
deshalb sofort zum Sturme befehligt, ohne eine weitere Wirkung des Feuers,
oder das Eingreifen des General Dewel abzuwarten, der mit den Truppen,
welche deu Angriff am 16. ausgeführt, gegen die Werke nördlich des Kur-
Flusses deiuonstrireu sollte.

Der Seur in erfolgte in vier Kolonnen. Die Besatzung der Schanzen
wartete den Angriff nicht ab, sondern floh in die Stadt zurück. Die russischen
Bataillone drängten dicht nach. Ein langer regelloser Kampf an den Brücken
über den Kur und in den Straßen der Stadt folgte. Um 8 Uhr Abends war
Ardahan in den Händen der Russen, bis auf das vereinzelt liegende
Fort Ramasan. Auch dies wurde in der Nacht zum 18. Mai von den Türken
gerannt, ohne daß die dort stehenden Truppen des General Dewel es sogleich
bemerkt Hütten. Der Verlust der Russen am 17. betrug 300 Köpfe, die
Türken ließen allein 1750 Todte uns dem Platze. Die von 14 Bataillonen
vertheidigte, mit 92 Geschützen armirte Festung erlag so mit verhältnißmäßig
geringem Verluste dem Angriffe von im Ganzen 16 Bataillonen mit 65 meist
nur Feldgeschützen. Es war die erste größere Waffenthat des ganzen Krieges
und trug nicht wenig dazu bei, das Selbstgefühl der Russen gegenüber den
Türken zu steigern.

Ardahan blieb von einem Detachement unter Oberst Komarow besetzt.
Es wurden von hier aus zunächst nur Streifzüge gegen Peunek und Olti
unternommen, um die Verbindung zwischen Kars und Batna weit in's Innere
hinein zu unterbrechen und gegen Kars vorrückende türkische Streitkräfte in der
Flanke zu beobachten. Mit allen übrigen Truppen kehrte General Loris-
Melikow in das Lager von Zaun vor Kars zurück.

Hier hatte in seiner Abwesenheit der General Komarow am 16. Juli ein
neues ernsteres Rekognoszirungsgefecht bestanden, in dem unter anderem
blos die Daghestanische Reiterbrigade ihren Führer, General Tschelokajew und
80 Köpfe verlor. Nach Ankunft der Truppen von Ardahan am 24. und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/186>, abgerufen am 05.02.2025.