Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.Charakter; das zeigt sich auch auf dem Gebiete der Psychologie. Für Augustin Drei Vermögen der Seele unterscheidet Augustin: das Gedächtniß, das Innerhalb dieser Richtung wird die Psychologie mehr vom ethischen als Den Aristotelismus, der später die mittelalterliche Philosophie be¬ Der Aristotelismus brachte den Gewinn, daß man die äußere Erfahrung Charakter; das zeigt sich auch auf dem Gebiete der Psychologie. Für Augustin Drei Vermögen der Seele unterscheidet Augustin: das Gedächtniß, das Innerhalb dieser Richtung wird die Psychologie mehr vom ethischen als Den Aristotelismus, der später die mittelalterliche Philosophie be¬ Der Aristotelismus brachte den Gewinn, daß man die äußere Erfahrung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141050"/> <p xml:id="ID_570" prev="#ID_569"> Charakter; das zeigt sich auch auf dem Gebiete der Psychologie. Für Augustin<lb/> ist sie nicht mehr ein Theil der Physik, sondern der Metaphysik. Die<lb/> Physik und die äußere Erfahrung wird gering geschätzt, denn Gott offenbart<lb/> sich der Seele in innerer Erfahrung. Die alte Philosophie hat mit dem Zweifel<lb/> geendet, die neue beginnt mit der Kritik desselben. Augustin beschreitet den<lb/> subjektiven Weg in der Begründung der Erkenntniß. Die unzweifelhafteste<lb/> Thatsache des Bewußtseins ist die Gewißheit von der Existenz des denkenden<lb/> Subjekts. Ebenso unzweifelhaft ist sodann, daß etwas vorhanden ist, das mir<lb/> erscheint. Die Sinne täuschen nicht, weder der innere noch der äußere Sinn,<lb/> sie liefern Erscheinungen und bezeugen das Vorhandensein einer Innen- und<lb/> einer Außenwelt. Drittens endlich ist unzweifelhaft der Begriff des Wissens<lb/> und der Wahrheit. Im Zweifel ist der Begriff des Wissens und die Forde¬<lb/> rung, daß es Wahrheit gibt, vorausgesetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_571"> Drei Vermögen der Seele unterscheidet Augustin: das Gedächtniß, das<lb/> er universell als Vermittlung der Selbstbesinnung ansieht; den Willen, in<lb/> dem er das Sein und Wesen des Menschen erkennt und dem er den Primat<lb/> vor dem Verstände gibt, und den Intellekt. In der ersten Periode der mittel¬<lb/> alterlichen Philosophie herrscht der Plcitonismus, vertreten durch Hugo<lb/> und Richard vou Se. Victor, Bonaventura, Gerson, in hervorragender<lb/> Weise durch Hugo von Se. Victor. Die Seele ist ihm Mikrokosmos, sie stellt<lb/> die Welt in sich vor durch eigne Thätigkeit. Ihren Inhalt erwirbt sie durch<lb/> Lernen. Ihre Werkzeuge sind das äußere Auge, durch welches sie die in der<lb/> Körperwelt gesondert bestehende» einzelnen Ideen wahrnimmt, das innere Auge,<lb/> mit welchem sie in sich die Einheit der Ideen erkennt, und das Auge für Gott,<lb/> das sie befähigt, alles Sem auf sein letztes Prinzip zurückzuführen. Diese<lb/> Erkenntniß gewinnt aber die Seele nur als erlöste, da sie als von Natur böse<lb/> geblendet ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_572"> Innerhalb dieser Richtung wird die Psychologie mehr vom ethischen als<lb/> vom physischen Gesichtspunkt aus betrachtet, und die praktische Tendenz über¬<lb/> wiegt die theoretische.</p><lb/> <p xml:id="ID_573"> Den Aristotelismus, der später die mittelalterliche Philosophie be¬<lb/> herrschte, lehrten Avicenna, Albertus der Große, Thomas von<lb/> Aquino. Johannes Duns Skotus. Bei dem berühmten arabischen<lb/> Philosophen und Arzte Avicenna (Ihr Sina) ist der Aristotelismus orienta¬<lb/> lisch gefärbt. Die Wahrheit wird durch Abstraktion und Negation des Sinn¬<lb/> lichen und durch eine plötzliche aus den Emanationen des allgemeinen Welt¬<lb/> verstandes ausgehende Erleuchtung erkannt.</p><lb/> <p xml:id="ID_574" next="#ID_575"> Der Aristotelismus brachte den Gewinn, daß man die äußere Erfahrung<lb/> mehr schätzen lernte. Die orientalische Färbung, die er bei den Arabern trug,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0171]
Charakter; das zeigt sich auch auf dem Gebiete der Psychologie. Für Augustin
ist sie nicht mehr ein Theil der Physik, sondern der Metaphysik. Die
Physik und die äußere Erfahrung wird gering geschätzt, denn Gott offenbart
sich der Seele in innerer Erfahrung. Die alte Philosophie hat mit dem Zweifel
geendet, die neue beginnt mit der Kritik desselben. Augustin beschreitet den
subjektiven Weg in der Begründung der Erkenntniß. Die unzweifelhafteste
Thatsache des Bewußtseins ist die Gewißheit von der Existenz des denkenden
Subjekts. Ebenso unzweifelhaft ist sodann, daß etwas vorhanden ist, das mir
erscheint. Die Sinne täuschen nicht, weder der innere noch der äußere Sinn,
sie liefern Erscheinungen und bezeugen das Vorhandensein einer Innen- und
einer Außenwelt. Drittens endlich ist unzweifelhaft der Begriff des Wissens
und der Wahrheit. Im Zweifel ist der Begriff des Wissens und die Forde¬
rung, daß es Wahrheit gibt, vorausgesetzt.
Drei Vermögen der Seele unterscheidet Augustin: das Gedächtniß, das
er universell als Vermittlung der Selbstbesinnung ansieht; den Willen, in
dem er das Sein und Wesen des Menschen erkennt und dem er den Primat
vor dem Verstände gibt, und den Intellekt. In der ersten Periode der mittel¬
alterlichen Philosophie herrscht der Plcitonismus, vertreten durch Hugo
und Richard vou Se. Victor, Bonaventura, Gerson, in hervorragender
Weise durch Hugo von Se. Victor. Die Seele ist ihm Mikrokosmos, sie stellt
die Welt in sich vor durch eigne Thätigkeit. Ihren Inhalt erwirbt sie durch
Lernen. Ihre Werkzeuge sind das äußere Auge, durch welches sie die in der
Körperwelt gesondert bestehende» einzelnen Ideen wahrnimmt, das innere Auge,
mit welchem sie in sich die Einheit der Ideen erkennt, und das Auge für Gott,
das sie befähigt, alles Sem auf sein letztes Prinzip zurückzuführen. Diese
Erkenntniß gewinnt aber die Seele nur als erlöste, da sie als von Natur böse
geblendet ist.
Innerhalb dieser Richtung wird die Psychologie mehr vom ethischen als
vom physischen Gesichtspunkt aus betrachtet, und die praktische Tendenz über¬
wiegt die theoretische.
Den Aristotelismus, der später die mittelalterliche Philosophie be¬
herrschte, lehrten Avicenna, Albertus der Große, Thomas von
Aquino. Johannes Duns Skotus. Bei dem berühmten arabischen
Philosophen und Arzte Avicenna (Ihr Sina) ist der Aristotelismus orienta¬
lisch gefärbt. Die Wahrheit wird durch Abstraktion und Negation des Sinn¬
lichen und durch eine plötzliche aus den Emanationen des allgemeinen Welt¬
verstandes ausgehende Erleuchtung erkannt.
Der Aristotelismus brachte den Gewinn, daß man die äußere Erfahrung
mehr schätzen lernte. Die orientalische Färbung, die er bei den Arabern trug,
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