Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vor der Epikur's. Er erneuert den Hylozmsmns und die Evolntionslehre, sieht
im Geschehen das Walten einer unbedingten Nothwendigkeit, und in der Seele
nicht ein Aggregat, sondern eine Einheit. Er zeichnet sich vor dem Epiknris-
mus dnrch die Idee der Einheit und des innern Zusammenhanges der Dinge
aus, die in der Vielheits- und Zufallslehre dieses keinen Raum haben.

Mit der Auslösung der griechischen Nationalität erlosch auch die Produktions¬
kraft derselben auf philosophischem Gebiete. Die Weltanschauung erweiterte sich
zum Kosmopolitismus, der die nationalen Bestimmtheiten vermischt; aber der
Humanismus, der den Werth des Allgemein-Menschlichen trotz der bestehenden
natürlichen Unterschiede erkennt, war nicht sein Ergebniß. Orientalische Denkweisen
übten Einfluß. Die Emanationslehre, die ans dem unbewegten Absoluten in
immer mangelhafteren Abstufungen bis zur Materie hin die Dinge hervorgehen
läßt, gewann Eingang, obwohl sie dem griechischen Geiste durchaus wider¬
spricht, der das Unvollkommne zum Vollkommnen fortschreiten sieht. In dieser
Welt ist kein Zweck mehr für eine praktische und politische Thätigkeit, der
Mensch zieht sich daher von einer solchen zurück, um in innerer Beschattung
zu leben. Galt bis dahin für den griechischen Geist die Materie als das lei¬
dende, der Geist als das handelnde Prinzip, so ist jetzt die Seele nur noch ein
leidendes Wesen, das passiv dem Thun und Handeln zuschaut, das in der Welt
der Materie stattfindet. Damit verbindet sich die Annahme einer mystischen
und wunderbaren Anschauung des Absoluten als Quelle aller Erkenntniß,
welche eine Vermittlung durch die Sinne und das Denken ausschließt und so¬
mit jede That des Ich's aufhebt. In der Anschauung des Absoluten verfließt
das Ich wie der Tropfen im Ozean.

Die Physik der nen-enropäischen Völker ruht auf der durch das Christen¬
thum vermittelten Wahrheit der Schöpfung Harms hat den Muth, sich ent¬
schieden und offen zu derselben zu bekennen. Sie ist ihm ein erklärendes Welt¬
prinzip aus göttlicher Kausalität. Sie schließt die Zusallstheorie des Atomis¬
mus aus, weil sie in Allein Plan und Ordnung aus einem intelligenten Willen
sieht. Sie schließt ebenso den Gedanken Platon's und des Aristoteles aus. daß
die Welt aus der Materie durch Gott als Baumeister hervorgebracht sei. Der
Baumeister der Welt ist auch der Schöpfer der Materie.

Damit ändert sich der Begriff der Materie, sie wird eine gegebene That¬
sache, ein bestimmtes und meßbares Vermögen.

Die Welt ein Zufall, die Welt eine ewige Evolution, die Welt eine Ema¬
nation sind Annahmen, die eine Kausalerkenntniß ausschließen, welche letztere
nur voll und ganz zur Geltung kommen kann, wenn die Welt als Schöpfung
aus göttlicher Kausalität und Finalitüt augesehen wird.

Die christliche Philosophie trägt in ihrer ersten Periode einen theologischen


vor der Epikur's. Er erneuert den Hylozmsmns und die Evolntionslehre, sieht
im Geschehen das Walten einer unbedingten Nothwendigkeit, und in der Seele
nicht ein Aggregat, sondern eine Einheit. Er zeichnet sich vor dem Epiknris-
mus dnrch die Idee der Einheit und des innern Zusammenhanges der Dinge
aus, die in der Vielheits- und Zufallslehre dieses keinen Raum haben.

Mit der Auslösung der griechischen Nationalität erlosch auch die Produktions¬
kraft derselben auf philosophischem Gebiete. Die Weltanschauung erweiterte sich
zum Kosmopolitismus, der die nationalen Bestimmtheiten vermischt; aber der
Humanismus, der den Werth des Allgemein-Menschlichen trotz der bestehenden
natürlichen Unterschiede erkennt, war nicht sein Ergebniß. Orientalische Denkweisen
übten Einfluß. Die Emanationslehre, die ans dem unbewegten Absoluten in
immer mangelhafteren Abstufungen bis zur Materie hin die Dinge hervorgehen
läßt, gewann Eingang, obwohl sie dem griechischen Geiste durchaus wider¬
spricht, der das Unvollkommne zum Vollkommnen fortschreiten sieht. In dieser
Welt ist kein Zweck mehr für eine praktische und politische Thätigkeit, der
Mensch zieht sich daher von einer solchen zurück, um in innerer Beschattung
zu leben. Galt bis dahin für den griechischen Geist die Materie als das lei¬
dende, der Geist als das handelnde Prinzip, so ist jetzt die Seele nur noch ein
leidendes Wesen, das passiv dem Thun und Handeln zuschaut, das in der Welt
der Materie stattfindet. Damit verbindet sich die Annahme einer mystischen
und wunderbaren Anschauung des Absoluten als Quelle aller Erkenntniß,
welche eine Vermittlung durch die Sinne und das Denken ausschließt und so¬
mit jede That des Ich's aufhebt. In der Anschauung des Absoluten verfließt
das Ich wie der Tropfen im Ozean.

Die Physik der nen-enropäischen Völker ruht auf der durch das Christen¬
thum vermittelten Wahrheit der Schöpfung Harms hat den Muth, sich ent¬
schieden und offen zu derselben zu bekennen. Sie ist ihm ein erklärendes Welt¬
prinzip aus göttlicher Kausalität. Sie schließt die Zusallstheorie des Atomis¬
mus aus, weil sie in Allein Plan und Ordnung aus einem intelligenten Willen
sieht. Sie schließt ebenso den Gedanken Platon's und des Aristoteles aus. daß
die Welt aus der Materie durch Gott als Baumeister hervorgebracht sei. Der
Baumeister der Welt ist auch der Schöpfer der Materie.

Damit ändert sich der Begriff der Materie, sie wird eine gegebene That¬
sache, ein bestimmtes und meßbares Vermögen.

Die Welt ein Zufall, die Welt eine ewige Evolution, die Welt eine Ema¬
nation sind Annahmen, die eine Kausalerkenntniß ausschließen, welche letztere
nur voll und ganz zur Geltung kommen kann, wenn die Welt als Schöpfung
aus göttlicher Kausalität und Finalitüt augesehen wird.

Die christliche Philosophie trägt in ihrer ersten Periode einen theologischen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141049"/>
          <p xml:id="ID_564" prev="#ID_563"> vor der Epikur's. Er erneuert den Hylozmsmns und die Evolntionslehre, sieht<lb/>
im Geschehen das Walten einer unbedingten Nothwendigkeit, und in der Seele<lb/>
nicht ein Aggregat, sondern eine Einheit. Er zeichnet sich vor dem Epiknris-<lb/>
mus dnrch die Idee der Einheit und des innern Zusammenhanges der Dinge<lb/>
aus, die in der Vielheits- und Zufallslehre dieses keinen Raum haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_565"> Mit der Auslösung der griechischen Nationalität erlosch auch die Produktions¬<lb/>
kraft derselben auf philosophischem Gebiete. Die Weltanschauung erweiterte sich<lb/>
zum Kosmopolitismus, der die nationalen Bestimmtheiten vermischt; aber der<lb/>
Humanismus, der den Werth des Allgemein-Menschlichen trotz der bestehenden<lb/>
natürlichen Unterschiede erkennt, war nicht sein Ergebniß. Orientalische Denkweisen<lb/>
übten Einfluß. Die Emanationslehre, die ans dem unbewegten Absoluten in<lb/>
immer mangelhafteren Abstufungen bis zur Materie hin die Dinge hervorgehen<lb/>
läßt, gewann Eingang, obwohl sie dem griechischen Geiste durchaus wider¬<lb/>
spricht, der das Unvollkommne zum Vollkommnen fortschreiten sieht. In dieser<lb/>
Welt ist kein Zweck mehr für eine praktische und politische Thätigkeit, der<lb/>
Mensch zieht sich daher von einer solchen zurück, um in innerer Beschattung<lb/>
zu leben. Galt bis dahin für den griechischen Geist die Materie als das lei¬<lb/>
dende, der Geist als das handelnde Prinzip, so ist jetzt die Seele nur noch ein<lb/>
leidendes Wesen, das passiv dem Thun und Handeln zuschaut, das in der Welt<lb/>
der Materie stattfindet. Damit verbindet sich die Annahme einer mystischen<lb/>
und wunderbaren Anschauung des Absoluten als Quelle aller Erkenntniß,<lb/>
welche eine Vermittlung durch die Sinne und das Denken ausschließt und so¬<lb/>
mit jede That des Ich's aufhebt. In der Anschauung des Absoluten verfließt<lb/>
das Ich wie der Tropfen im Ozean.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_566"> Die Physik der nen-enropäischen Völker ruht auf der durch das Christen¬<lb/>
thum vermittelten Wahrheit der Schöpfung Harms hat den Muth, sich ent¬<lb/>
schieden und offen zu derselben zu bekennen. Sie ist ihm ein erklärendes Welt¬<lb/>
prinzip aus göttlicher Kausalität. Sie schließt die Zusallstheorie des Atomis¬<lb/>
mus aus, weil sie in Allein Plan und Ordnung aus einem intelligenten Willen<lb/>
sieht. Sie schließt ebenso den Gedanken Platon's und des Aristoteles aus. daß<lb/>
die Welt aus der Materie durch Gott als Baumeister hervorgebracht sei. Der<lb/>
Baumeister der Welt ist auch der Schöpfer der Materie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_567"> Damit ändert sich der Begriff der Materie, sie wird eine gegebene That¬<lb/>
sache, ein bestimmtes und meßbares Vermögen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_568"> Die Welt ein Zufall, die Welt eine ewige Evolution, die Welt eine Ema¬<lb/>
nation sind Annahmen, die eine Kausalerkenntniß ausschließen, welche letztere<lb/>
nur voll und ganz zur Geltung kommen kann, wenn die Welt als Schöpfung<lb/>
aus göttlicher Kausalität und Finalitüt augesehen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_569" next="#ID_570"> Die christliche Philosophie trägt in ihrer ersten Periode einen theologischen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0170] vor der Epikur's. Er erneuert den Hylozmsmns und die Evolntionslehre, sieht im Geschehen das Walten einer unbedingten Nothwendigkeit, und in der Seele nicht ein Aggregat, sondern eine Einheit. Er zeichnet sich vor dem Epiknris- mus dnrch die Idee der Einheit und des innern Zusammenhanges der Dinge aus, die in der Vielheits- und Zufallslehre dieses keinen Raum haben. Mit der Auslösung der griechischen Nationalität erlosch auch die Produktions¬ kraft derselben auf philosophischem Gebiete. Die Weltanschauung erweiterte sich zum Kosmopolitismus, der die nationalen Bestimmtheiten vermischt; aber der Humanismus, der den Werth des Allgemein-Menschlichen trotz der bestehenden natürlichen Unterschiede erkennt, war nicht sein Ergebniß. Orientalische Denkweisen übten Einfluß. Die Emanationslehre, die ans dem unbewegten Absoluten in immer mangelhafteren Abstufungen bis zur Materie hin die Dinge hervorgehen läßt, gewann Eingang, obwohl sie dem griechischen Geiste durchaus wider¬ spricht, der das Unvollkommne zum Vollkommnen fortschreiten sieht. In dieser Welt ist kein Zweck mehr für eine praktische und politische Thätigkeit, der Mensch zieht sich daher von einer solchen zurück, um in innerer Beschattung zu leben. Galt bis dahin für den griechischen Geist die Materie als das lei¬ dende, der Geist als das handelnde Prinzip, so ist jetzt die Seele nur noch ein leidendes Wesen, das passiv dem Thun und Handeln zuschaut, das in der Welt der Materie stattfindet. Damit verbindet sich die Annahme einer mystischen und wunderbaren Anschauung des Absoluten als Quelle aller Erkenntniß, welche eine Vermittlung durch die Sinne und das Denken ausschließt und so¬ mit jede That des Ich's aufhebt. In der Anschauung des Absoluten verfließt das Ich wie der Tropfen im Ozean. Die Physik der nen-enropäischen Völker ruht auf der durch das Christen¬ thum vermittelten Wahrheit der Schöpfung Harms hat den Muth, sich ent¬ schieden und offen zu derselben zu bekennen. Sie ist ihm ein erklärendes Welt¬ prinzip aus göttlicher Kausalität. Sie schließt die Zusallstheorie des Atomis¬ mus aus, weil sie in Allein Plan und Ordnung aus einem intelligenten Willen sieht. Sie schließt ebenso den Gedanken Platon's und des Aristoteles aus. daß die Welt aus der Materie durch Gott als Baumeister hervorgebracht sei. Der Baumeister der Welt ist auch der Schöpfer der Materie. Damit ändert sich der Begriff der Materie, sie wird eine gegebene That¬ sache, ein bestimmtes und meßbares Vermögen. Die Welt ein Zufall, die Welt eine ewige Evolution, die Welt eine Ema¬ nation sind Annahmen, die eine Kausalerkenntniß ausschließen, welche letztere nur voll und ganz zur Geltung kommen kann, wenn die Welt als Schöpfung aus göttlicher Kausalität und Finalitüt augesehen wird. Die christliche Philosophie trägt in ihrer ersten Periode einen theologischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/170
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/170>, abgerufen am 05.02.2025.