Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.Theils des ganzen Werkes, der Geschichte der Psychologie. Wir schicken nur Die Psychologie der griechischen Philosophie, und in derselben die vorso- Die Psychologie der Pythagorüer sieht in der einzelnen Seele einen Theils des ganzen Werkes, der Geschichte der Psychologie. Wir schicken nur Die Psychologie der griechischen Philosophie, und in derselben die vorso- Die Psychologie der Pythagorüer sieht in der einzelnen Seele einen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0167" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141046"/> <p xml:id="ID_546" prev="#ID_545"> Theils des ganzen Werkes, der Geschichte der Psychologie. Wir schicken nur<lb/> voran, daß Harms die Psychologie als Bestandtheil der Physik, als Physik<lb/> oder Metaphysik der Seele, ansieht, uns also, wie es in der Natur der Sache<lb/> ^ge, zugleich die allgemeinen Grundzüge einer Geschichte der Physik darstellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_547"> Die Psychologie der griechischen Philosophie, und in derselben die vorso-<lb/> kratische Philosophie bildet den ersten Gegenstand der Untersuchung. Von den<lb/> Joniern geht die philosophische Bewegung aus. Sie erscheint zuerst als Hylo-<lb/> zoismus, als Lehre von der an sich lebendigen und beseelten Materie auf Grund¬<lb/> lage der Evolutions- und Jdentitätslehre, die symbolisirend das Geistige nach Ana¬<lb/> logie des Körperlichen, das Körperliche nach Analogie des Geistigen beurtheilt, ver¬<lb/> treten dnrch Thales, Anaximenes, Diogenes von Apollonia und Hera-<lb/> klit; sie erscheint ferner als Dualismus von Geist und Materie in Verbindung<lb/> mit einer mechanischen Naturansicht bei Anaximander, Empedokles, Anaxa-<lb/> goras, welcher auf der Behauptung eines Kausalnexus qualitativer Elemente ruht<lb/> und, wenigstens bei Anaxagoras, zur positiven Entgegensetzung von Geist und<lb/> Körper gelangt; freilich so, daß der erstere universell als das handelnde, bewegende<lb/> Prinzip in der Körperwelt aufgefaßt wird, nicht blos als die denkende Substanz.<lb/> Die dritte Form der ionischen Philosophie repräsentirt der Materialismus oder<lb/> die Lehre von der alleinigen Substantialität der körperlichen Materie auf der<lb/> Grundlage des Atomismus. Die Atomenlehre ist eine Vielheits- und keine Ein¬<lb/> heitslehre. Die Atome werden nur durch den Zufall der Bewegung — die<lb/> Gottheit des Materialismus — zu Aggregaten zusammengewürfelt. Keine<lb/> eigenthümliche Qualität, nur Gestalt und Größe unterscheidet die Atome von<lb/> einander. Auch die Seele ist ein Aggregat; der Tod ist die Auflösung desselben.<lb/> Materielle Bilder, welche von dem Körperlichen ausströmen und durch die Sinne<lb/> in die Seele bringen, vermitteln die Erkenntniß; indem sie von der Seele wieder<lb/> ausströmen, das Begehren. Die Verkünder dieser Weltanschauung, welche als<lb/> Symptom des Verfalls anzusehen ist, sind Lenkipp und Demokrit. Sehr<lb/> richtig erinnert Harms daran, daß der Materialismus immer am Ende einer<lb/> Periode, in der Zeit der Auflösung der Philosophie eintritt, wenn das Denken<lb/> an Kraft und Stärke verloren hat. „Ein gewisser Stumpfsinn und eine ge¬<lb/> wisse Oberflächlichkeit muß erst eingetreten sein, wenn die Lehre von der Kör¬<lb/> perlichkeit der Seele entsteht." —</p><lb/> <p xml:id="ID_548"> Die Psychologie der Pythagorüer sieht in der einzelnen Seele einen<lb/> Ausfluß der allgemeinen Weltseele, welche den Körper organisirt und harmo¬<lb/> nisch gestaltet. Die ihnen eigne Lehre von der Seelenwanderung ist ein Be¬<lb/> weis ebenso für die Selbständigkeit, die sie der Seele geben, wie für die<lb/> ethische Betrachtungsweise, die sie in Bezug auf das Leben der Seele zur Gel¬<lb/> tung bringen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0167]
Theils des ganzen Werkes, der Geschichte der Psychologie. Wir schicken nur
voran, daß Harms die Psychologie als Bestandtheil der Physik, als Physik
oder Metaphysik der Seele, ansieht, uns also, wie es in der Natur der Sache
^ge, zugleich die allgemeinen Grundzüge einer Geschichte der Physik darstellt.
Die Psychologie der griechischen Philosophie, und in derselben die vorso-
kratische Philosophie bildet den ersten Gegenstand der Untersuchung. Von den
Joniern geht die philosophische Bewegung aus. Sie erscheint zuerst als Hylo-
zoismus, als Lehre von der an sich lebendigen und beseelten Materie auf Grund¬
lage der Evolutions- und Jdentitätslehre, die symbolisirend das Geistige nach Ana¬
logie des Körperlichen, das Körperliche nach Analogie des Geistigen beurtheilt, ver¬
treten dnrch Thales, Anaximenes, Diogenes von Apollonia und Hera-
klit; sie erscheint ferner als Dualismus von Geist und Materie in Verbindung
mit einer mechanischen Naturansicht bei Anaximander, Empedokles, Anaxa-
goras, welcher auf der Behauptung eines Kausalnexus qualitativer Elemente ruht
und, wenigstens bei Anaxagoras, zur positiven Entgegensetzung von Geist und
Körper gelangt; freilich so, daß der erstere universell als das handelnde, bewegende
Prinzip in der Körperwelt aufgefaßt wird, nicht blos als die denkende Substanz.
Die dritte Form der ionischen Philosophie repräsentirt der Materialismus oder
die Lehre von der alleinigen Substantialität der körperlichen Materie auf der
Grundlage des Atomismus. Die Atomenlehre ist eine Vielheits- und keine Ein¬
heitslehre. Die Atome werden nur durch den Zufall der Bewegung — die
Gottheit des Materialismus — zu Aggregaten zusammengewürfelt. Keine
eigenthümliche Qualität, nur Gestalt und Größe unterscheidet die Atome von
einander. Auch die Seele ist ein Aggregat; der Tod ist die Auflösung desselben.
Materielle Bilder, welche von dem Körperlichen ausströmen und durch die Sinne
in die Seele bringen, vermitteln die Erkenntniß; indem sie von der Seele wieder
ausströmen, das Begehren. Die Verkünder dieser Weltanschauung, welche als
Symptom des Verfalls anzusehen ist, sind Lenkipp und Demokrit. Sehr
richtig erinnert Harms daran, daß der Materialismus immer am Ende einer
Periode, in der Zeit der Auflösung der Philosophie eintritt, wenn das Denken
an Kraft und Stärke verloren hat. „Ein gewisser Stumpfsinn und eine ge¬
wisse Oberflächlichkeit muß erst eingetreten sein, wenn die Lehre von der Kör¬
perlichkeit der Seele entsteht." —
Die Psychologie der Pythagorüer sieht in der einzelnen Seele einen
Ausfluß der allgemeinen Weltseele, welche den Körper organisirt und harmo¬
nisch gestaltet. Die ihnen eigne Lehre von der Seelenwanderung ist ein Be¬
weis ebenso für die Selbständigkeit, die sie der Seele geben, wie für die
ethische Betrachtungsweise, die sie in Bezug auf das Leben der Seele zur Gel¬
tung bringen.
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