Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.sechs Särgenzu stehen, aber ich habe nicht verhehlt, daß der Fluch der Die nächsten Tage enthüllten schon den Standpunkt der Regierung. Am In einer der nächsten Nächte weckte Robert Blum die Gattin mit geheim¬ Unter dieser kriegerischen Machtentfaltung hielt der königliche außerordent- *) Das siebente Opfer wurde erst Nachmittags beerdigt.
sechs Särgenzu stehen, aber ich habe nicht verhehlt, daß der Fluch der Die nächsten Tage enthüllten schon den Standpunkt der Regierung. Am In einer der nächsten Nächte weckte Robert Blum die Gattin mit geheim¬ Unter dieser kriegerischen Machtentfaltung hielt der königliche außerordent- *) Das siebente Opfer wurde erst Nachmittags beerdigt.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140992"/> <p xml:id="ID_356" prev="#ID_355"> sechs Särgenzu stehen, aber ich habe nicht verhehlt, daß der Fluch der<lb/> Sünde auch Unschuldige oft in den Strom des Verderbens hinabzieht." In<lb/> schweren Worten sprachen Dult, Dr. Zille, Dr. W. Jordan am Grabe, am<lb/> eindringlichsten und mächtigsten Robert Blum: daß volle Sühne für die grauen¬<lb/> hafte That sicher werde geboten werden, geboten werden müsse, vermöge allein<lb/> über das Entsetzliche in etwas zu trösten.</p><lb/> <p xml:id="ID_357"> Die nächsten Tage enthüllten schon den Standpunkt der Regierung. Am<lb/> 14. August war Minister von Falkenstein mit einem Extrazug nach Leipzig<lb/> gekommen und als er die Ueberzeugung gewonnen, daß die Ruhe der Stadt<lb/> keineswegs gefährdet sei, man also anch schroff auftreten könne, reiste er getrost<lb/> auf demselben Wege sofort wieder nach Dresden zurück. Sonderbarerweise<lb/> brachte noch an demselben 14. August die ministerielle „Leipziger Zeitung"<lb/> eine „Privatmittheilung" über die blutige Nacht, in welcher ans das Perfideste<lb/> nicht geradezu behauptet, aber doch angedeutet wurde, das Militär sei erst auf¬<lb/> geboten worden und eingeschritten, nachdem die Kommnnalgarde die Unruhe<lb/> nicht zu stillen vermocht habe. Biedermann wies in seinem „Herold" diese<lb/> wissentlich falsche Beschuldigung des Königlichen Blattes mit der gebührenden<lb/> Energie zurück. Am dritten Tage nach der blutigen Nacht, am 15. August<lb/> hatte der Kriegsminister, wie er später vor der zweiten Kammer bekannte, be¬<lb/> reits die Berichte seiner unfehlbaren Offiziere in Händen, welche ihm „die<lb/> Mittel an die Hand gaben, die Sache beurtheilen zu können", d. h. ihn getrost<lb/> den Versuch wagen ließen, dem Verlangen der treuen Stadt nach Untersuchung<lb/> und Sühne die eiserne Stirn zu bieten. Demgemäß wurde in Dresden ge¬<lb/> handelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_358"> In einer der nächsten Nächte weckte Robert Blum die Gattin mit geheim¬<lb/> nißvoller Miene und führte sie an das Fenster seines hochgelegenen Arbeits¬<lb/> zimmers. Der Mond bestrahlte fast tageshell das Gleis der Dresdner Bahn,<lb/> die am Garten des Hauses vorüberführte. Leise, ohne ein Wort zu sagen,<lb/> deutete er ans die Züge, die hier einer hinter dem andern herankenchten, ohne<lb/> Pfiff, ohne Signal und dicht vor seinem Garten Halt machten, ohne in den Bahn¬<lb/> hof einzufahren. In den Wagen flimmerte und klirrte es von Waffen, Pferde<lb/> hörte man stampfen und wiehern, dann kurze Kommando's, schwarze Massen<lb/> mit funkelnden Waffen in Reihen aufmarschirt, Infanterie, Kavallerie, Artillerie,<lb/> dann immer entfernter klingender Taktschritt der Truppen. Am Morgen war<lb/> Leipzig von einer erdrückenden Militärmacht besetzt, behandelt wie eine eroberte<lb/> Stadt. Im Schloßhof standen Kanonen aufgefahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_359" next="#ID_360"> Unter dieser kriegerischen Machtentfaltung hielt der königliche außerordent-</p><lb/> <note xml:id="FID_39" place="foot"> *) Das siebente Opfer wurde erst Nachmittags beerdigt.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
sechs Särgenzu stehen, aber ich habe nicht verhehlt, daß der Fluch der
Sünde auch Unschuldige oft in den Strom des Verderbens hinabzieht." In
schweren Worten sprachen Dult, Dr. Zille, Dr. W. Jordan am Grabe, am
eindringlichsten und mächtigsten Robert Blum: daß volle Sühne für die grauen¬
hafte That sicher werde geboten werden, geboten werden müsse, vermöge allein
über das Entsetzliche in etwas zu trösten.
Die nächsten Tage enthüllten schon den Standpunkt der Regierung. Am
14. August war Minister von Falkenstein mit einem Extrazug nach Leipzig
gekommen und als er die Ueberzeugung gewonnen, daß die Ruhe der Stadt
keineswegs gefährdet sei, man also anch schroff auftreten könne, reiste er getrost
auf demselben Wege sofort wieder nach Dresden zurück. Sonderbarerweise
brachte noch an demselben 14. August die ministerielle „Leipziger Zeitung"
eine „Privatmittheilung" über die blutige Nacht, in welcher ans das Perfideste
nicht geradezu behauptet, aber doch angedeutet wurde, das Militär sei erst auf¬
geboten worden und eingeschritten, nachdem die Kommnnalgarde die Unruhe
nicht zu stillen vermocht habe. Biedermann wies in seinem „Herold" diese
wissentlich falsche Beschuldigung des Königlichen Blattes mit der gebührenden
Energie zurück. Am dritten Tage nach der blutigen Nacht, am 15. August
hatte der Kriegsminister, wie er später vor der zweiten Kammer bekannte, be¬
reits die Berichte seiner unfehlbaren Offiziere in Händen, welche ihm „die
Mittel an die Hand gaben, die Sache beurtheilen zu können", d. h. ihn getrost
den Versuch wagen ließen, dem Verlangen der treuen Stadt nach Untersuchung
und Sühne die eiserne Stirn zu bieten. Demgemäß wurde in Dresden ge¬
handelt.
In einer der nächsten Nächte weckte Robert Blum die Gattin mit geheim¬
nißvoller Miene und führte sie an das Fenster seines hochgelegenen Arbeits¬
zimmers. Der Mond bestrahlte fast tageshell das Gleis der Dresdner Bahn,
die am Garten des Hauses vorüberführte. Leise, ohne ein Wort zu sagen,
deutete er ans die Züge, die hier einer hinter dem andern herankenchten, ohne
Pfiff, ohne Signal und dicht vor seinem Garten Halt machten, ohne in den Bahn¬
hof einzufahren. In den Wagen flimmerte und klirrte es von Waffen, Pferde
hörte man stampfen und wiehern, dann kurze Kommando's, schwarze Massen
mit funkelnden Waffen in Reihen aufmarschirt, Infanterie, Kavallerie, Artillerie,
dann immer entfernter klingender Taktschritt der Truppen. Am Morgen war
Leipzig von einer erdrückenden Militärmacht besetzt, behandelt wie eine eroberte
Stadt. Im Schloßhof standen Kanonen aufgefahren.
Unter dieser kriegerischen Machtentfaltung hielt der königliche außerordent-
*) Das siebente Opfer wurde erst Nachmittags beerdigt.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |